von Dorothea Volz
Illustration: Lisa Lorenz
Intendant Matthias Fontheim verlässt 2014 das Mainzer Staatstheater. Eine kleine Bilanz.
Es kam nicht überraschend: Matthias Fontheim hat seinen Vertrag als Intendant des Mainzer Staatstheaters nicht verlängert und verlässt in zwei Jahren die Landeshauptstadt. Einig sei man sich hierbei gewesen, so lässt es sich der Pressemitteilung des Landes Rheinland-Pfalz und der Stadt Mainz, den Trägern des Staatstheaters, entnehmen, in der man sich auch artig für die Zusammenarbeit bedankt, auf Fontheims Verdienste für das Renommee des Hauses und die erfreulichen Zuschauerzahlen hinweist. „Wir sind eigentlich ganz gut angekommen“, stellt der gebürtige Krefelder dann auch selbst fest. Bei so viel Harmonie scheint der „Wunsch nach einem Wechsel“ der natürlichen Zirkulation der Theaterbetriebe entsprungen, wegen der sich jede Spielzeit das Intendantenkarussell wieder dreht und für Bewegung in der deutschsprachigen Kulturlandschaft sorgt. Dies verhindere auch, so Fontheim, dass sich „die Dinge zu sehr einschleifen, die man angeregt hat“.
Verjüngung und Spielfreude
2006 begann Fontheim, vom Grazer Schauspielhaus kommend, mit seiner Arbeit in Mainz und folgte Georges Delnon, den es wiederum zurück zu den Eidgenossen ins heimische Basel zog. Mit dem Intendantenwechsel wurden die Karten neu gemischt – und das auch optisch: Durch Spielkarten, auf denen für die einzelnen Sparten unterschiedliche Piktogramme prangten, rückte das neue Corporate Design programmatisch die Spielfreude ins Zentrum. Hierfür stand auch die Verjüngung des Ensembles – einerseits eine finanzielle Taktik, die die Vergrößerung des Darstellerstabs erlaubte, andererseits aber auch Ausdruck dafür, langfristig das Interesse des jungen Publikums wecken zu wollen. Spätestens seit der letzten Spielzeit ist dies durch eine Kooperation mit dem AStA der Gutenberg-Universität sichtbar gelungen: Die Studierenden können kostenlos ins Theater gehen. Dieses Projekt wird 2012/2013 durch eine zusätzliche Kooperation mit der Fachhochschule Mainz weiter ausgebaut. Für Fontheim ist das eine „Verlebendigung, Verjüngung und Investition in die Zukunft“ und „eine der tollsten Sachen, die wir gemacht haben“. Auf die Teens und Twens zielten auch ungewöhnlichere Formate wie das Improvisationstheater „Club Aula“ oder die Lese-Reihe „Hot Readings“, die in der kommenden Spielzeit von dem Experimentierformat „X:Prosa“ abgelöst wird.
Nachwuchsförderung findet sich auch auf künstlerischer Seite, etwa wenn junge Dramatiker mit „Text trifft Regie“ ein Forum erhalten und viel versprechende Regisseure wie Jan Philipp Gloger verpflichtet werden. Mit Anfang 30 ist Gloger nicht nur leitender Regisseur in Mainz, sondern wird dieses Jahr auch sein Debüt in Bayreuth geben und die Festspiele mit dem „Fliegenden Holländer“ eröffnen. Daneben ist vor allem das Interesse an neuer Dramatik den vergangenen Jahren eingeschrieben. Fontheim selbst inszenierte die deutschsprachigen Erstaufführungen bedeutender zeitgenössischer Autoren wie Simon Stephens („Motortown“, „Christmas“ und „Marine Parade“) und Bruce Norris, der für „Clybourne Park“ neben dem Pulitzer Preis 2011 gerade den wichtigsten amerikanischen Theaterpreis, den Tony Award, erhielt. Und auch andere Regiearbeiten des Intendanten zeugen, gelegentlich schlammschlachtig wie „Richard III“, meist realistisch, teils minimalistisch inszeniert wie „Draußen vor der Tür“ von einem Vertrauen auf die Stärke der Texte, verbunden mit vollem körperlichen Einsatz der Schauspieler.
Kämpfer und Kommunikator gesucht
Kämpfen müsse der Leiter eines Drei-Sparten-Hauses in einer Stadt wie Mainz können und vor allem kommunikativ sein, so Fontheim mit Blick auf seine Nachfolge. Wenigstens diese Meinung teilt auch Wolfgang Litzenburger, Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde des Mainzer Theaters. Er hält die Kommunikation für durchaus ausbaufähig, zudem sei mit Blick auf die Auslastung noch Luft nach oben, denn „die Zuschauer ab 40, die erreicht das Theater nicht mehr so gut wie früher“. Hat Fontheims Verjüngungskur das Theater also dem Unicampus angenähert und dafür der Stadt ein Stück entfremdet? So würde das Litzenburger nicht unterschreiben, aber sicherlich sei es eine der dringlichsten Aufgaben des oder der „Neuen“, Bürger, Medien, Politik und Wirtschaft gleichermaßen für das Haus zu gewinnen.
Bei solchen Erwartungen liest sich das Motto der nächsten Spielzeit, „Warte nicht auf bessere Zeiten“, wie eine kleine Spitze. Der Nachfolger wird es jedenfalls nicht leicht haben und muss in das zunehmend straff geschnürte Finanzkorsett des Theaters passen, das dem aktuellen Intendanten zu eng geworden ist. Nach hitzigen Debatten 2011, bei denen wenig diplomatisch um die Zukunft des Drei-Sparten-Hauses gerungen worden war und von Seiten der Stadt (insbesondere Finanzdezernent Günter Beck) Sparmaßnahmen in Millionenhöhe gefordert wurden, schien der gefundene Spar-Kompromiss eine stabile Basis für die Zukunft. Durch anstehende Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst kamen jedoch die halbwegs ausgeglichenen Finanzen wieder in Schieflage, denn die anfallenden Kosten müssen aus Theatermitteln finanziert werden, womit dem Haus knapp eine Million Euro weniger zur Verfügung steht, so Fontheim: Theater machen könne man damit schon, die Frage sei nur, was für eines. „Man kann ein anderes Konzept machen und anders arbeiten, aber es ist immer besser, wenn das dann auch jemand anderes macht.“
Die Neuausrichtung des Hauses soll also ein anderer übernehmen, noch stehen auch so genug Veränderungen an, beispielsweise durch die neue Spielstätte Deck 3, die in luftiger Höhe in den Räumen des ehemaligen Theaterrestaurants „Mollers“ das TiC ersetzen muss. An Ideen für die eigene Zukunft jedenfalls mangele es ihm nicht, sagt Matthias Fontheim. Verraten mag er sie aber noch nicht.