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2×5 Interview mit Nike Poulakos – Festival „No Strings attached“

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Nike Poulakos (49), Festivalleitung
„No Strings attached – Figurentheater und mehr“ (23. April bis 3. Mai)

Beruf

Du arbeitest für den Kultursommer Rheinland-Pfalz und organisierst das Figurentheater-Festival im April und Mai. Warum Figurentheater?

Poulakos: Mitte der 90er Jahre habe ich das erste Mal bei einer Kultursommer- Veranstaltung Figurentheater gesehen, das war Neville Tranter mit „Macbeth“ und für mich die Initialzündung. Durch den Kultursommer habe ich 1998 die Chance bekommen, das Festival aufzubauen. Figurentheater hatte damals noch ein etwas muffiges Image und war für viele nur Augsburger Puppenkiste: Kinderbelustigung, aber nicht Kultur.

Ich hoffe, ich habe es in der langen Zeit geschafft, dem Festival ein eigenes Profil zu geben, in dem auch Platz für andere Theaterformen ist: für Bildertheater, Objekttheater, Nouveau Cirque und für Theater im öffentlichen Raum. Das hat sich gut entwickelt und ich bin stolz darauf, dass Menschen das auch gar nicht mehr in erster Linie als Figurentheater-Festival wahrnehmen, sondern sagen: Das ist ein tolles Theaterfestival mit interessanten Stücken und Formen.

Was wird uns dieses Jahr an Highlights erwarten?

Am Eröffnungswochenende laufen an drei Spielorten vier verschiedene Inszenierungen. Eine davon ist von Blind Summit aus London. „The Table“ ist britische Stand-Up Comedy mit Puppen. Die bekannte Puppenbauerin und –spielerin Suse Wächter ist auch dabei, sie lässt ihre Figuren Karaoke singen. Und ein weiterer Höhepunkt beim Festival ist natürlich „The King“, die neue Inszenierung von Neville Tranter, bekannt als Stuffed Puppet Theatre.

Wie kamst du zu dem Kultursommer?

Per Zufall, über einen Aushilfsjob während meines Anglistik- Studiums. Da habe ich dann auch das Theater für mich entdeckt, vorher war Musik eher das Top-Thema.

Wie ist der Trend bei Figurentheatern, wie entwickelt sich die Szene?

Puppentheater erlebt derzeit eine Hochkonjunktur. Es hat in den großen Theaterhäusern Einzug gehalten, auch hier am Staatstheater, wo derzeit „Die Ratten“ mit Figuren gespielt werden. Die Szene entwickelt sich interessant und in viele Richtungen. Die Herausforderung ist es, ein neues und junges Publikum für das Figurentheater zu gewinnen. Ich habe neulich gelesen, dass Theater bei Jugendlichen in etwa den gleichen Stellenwert hat wie Gemüse. Sie wissen, es ist gesund und gut für sie, aber nicht lecker. Deshalb ist es wichtig, Theater schmackhaft für ein junges Publikum zu machen. Ein Weg dahin ist sicher die stärkere Einbeziehung der Zuschauer, was eine nicht mehr ganz neue, aber immer noch spannende Entwicklung ist. Zuschauer werden immer öfter zu Mitspielern oder können sich frei in einer Theaterwelt bewegen und zum Beispiel die Szenenfolge mitbestimmen.

So ähnlich arbeitet der 1. Mainzer Puppetry Slam am 28. April. Was ist das?

Der Puppetry-Slam funktioniert wie ein Poetry-Slam, aber es wird eine kurze Szene mit einer Puppe oder einem Objekt gespielt. Das Publikum entscheidet, wer gewinnt. Die Idee zum Puppetry Slam kam aus Berlin, von der Slammerin Jana Heinicke und René Marik, die den Slam auch moderieren. Die Finalisten des ersten Berliner Slams kommen nach Mainz, und hier haben wir auch schon einige Anmeldungen. Berlin versus Mainz, das wird spannend.

 

Mensch

 

Bist du Griechin?

Mein Vater ist Grieche, ich bin aber in Mainz-Mombach geboren und auf dem Hunsrück groß geworden. Ich habe nie in Griechenland gelebt, nur viele Sommerurlaube da verbracht. Und außer fluchen und zählen kann ich leider nicht viel auf Griechisch.

Wie findest du die neue griechische Regierung?

Ich wünsche der neuen griechischen Regierung alles Gute, die haben es nicht einfach. Bei den Themen Sparpolitik und Grexit halte ich mich aber lieber raus, Wirtschaftspolitik ist nicht mein Fachgebiet. Was mich aber wütend macht, sind die Hetzkampagnen wie zum Beispiel von der BILD-Zeitung gegen die „gierigen Griechen“. Das hat nichts mehr mit Journalismus zu tun.

Was hast du noch für Hobbys und Interessen?

Ich gehe gerne Laufen, gemütlich und ehrgeizfrei, ohne Pulsmesser und kein Marathon. Aber immer draußen in der Natur. Dabei höre ich gerne Hörbücher. Ich finde, es ist ein schöner Luxus, sich etwas vorlesen zu lassen. Kürzlich habe ich David Mitchells „Wolkenatlas“ gehört und ganz aktuell Donna Tartts „Der Distelfink“.

Welche Träume hast du noch?

Ich wünsche mir, dass mein kleines Festival mal vier Wochen vorher komplett ausverkauft ist, dass es einen Schwarzmarkt für Festivalkarten gibt und Leute, die ich flüchtig kenne, mich um einen Stehplatz bitten. Und vor fünf Jahren hätte ich gesagt: Noch mal im Ausland arbeiten. Aber das ist schwer mit meiner jetzigen Lebenssituation zu vereinbaren. Aber Reisen muss sein, das nächste Mal nach Island.

Was gefällt dir an Mainz und was nicht?

Ich mag das Überschaubare und manchmal fast Dörfliche wie zum Beispiel in Gonsenheim, aber man ist von dort in einer Viertelstunde in der Stadt. Und dass sich hier in den letzten Jahren eine kreative junge Szene entwickelt hat, und damit auch ein „Lokalstolz“, den es früher so nicht gab. Und wenn man möchte, ist man schnell in Wiesbaden oder Frankfurt und hat dort ein weiteres Programm. Ansonsten könnte der typische Mainzer kulturell noch ein bisschen offener werden. Gerade im Theaterbereich habe ich das Gefühl, dass die Mainzer etwas zögerlich und zurückhaltend sind. Sie müssen erst mal überzeugt werden.

 

Interview David Gutsche Foto Jana Kay