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2×5 Interview mit Anja Gockel

Interview: David Gutsche
Foto: Ramon Haindl

Welche Eigenschaften benötigt ein Modedesigner?

Liebe und Faszination für diesen Beruf. Es ist unglaublich viel und intensive Arbeit. Wer diese Faszination hat, für den ist es keine Arbeit in dem Sinne, wer sie nicht hat, für den ist es furchtbar. Es ist mittlerweile ein sehr begehrter Beruf, den immer mehr Menschen ergreifen möchten. Deshalb muss ich schon viel tun, um mindestens zu den besten zehn Prozent zu gehören.

Wie schafft man es, zu diesen zehn Prozent zu gehören?

Die Hälfte ist Begabung, die andere Hälfte harte Arbeit. Wenn dann noch meine Mitarbeiter hochmotiviert sind, habe ich eine Chance – auch wenn andere Unternehmen noch größer sind. Wir sind hier insgesamt zwanzig Leute: zehn Feste und zehn Freie in der Näherei, im Schnitt, Produktion, ich mache das Design, im Büro, PR und Maßanfertigung.

Warum spricht man des Öfteren vom Modezirkus?

Vieles passiert wie im Zirkus. Im Scheinwerferlicht tauchen die Akteure auf, wie einzelne Nummern in der Manege. Doch vieles passiert auch außerhalb des Scheinwerferlichts. Man darf sich davon nicht abhängig machen, weil man sonst unglücklich wird und überfordert ist. So wie zum Beispiel Alexander McQueen, der diesem Druck nicht mehr standgehalten hat und sich letztes Jahr das Leben nahm.

Woran arbeiten Sie aktuell?

Momentan verkaufe ich meine Kollektion in die Welt. Gerade sind wir aus Paris gekommen. Meine neue Winter-Kollektion 2011/12 heißt „Confessions“ (Bekenntnis) und spiegelt unser 15-jähriges Jubiläum wider. Es geht darum, bei sich selbst zu bleiben und zu tun, woran man glaubt. Denn das ist nicht immer so einfach. Wir müssen unsere eigene Bestimmung leben und die muss jeder für sich selbst herausfinden.

Verändert einen der berufliche Erfolg?

Ein gewisser Erfolg ist wichtig, um im Leben weiterzugehen und trägt bei zum Selbstbewusstsein. Durch mein größeres Selbstbewusstsein kann ich offener mit anderen Menschen umgehen. Früher hatte ich das Gefühl ich wurde gesteuert, heute habe ich das Gefühl, ich steuere selbst. Früher hatte ich auch nie Zeit. Heute habe ich vier Kinder, einen Mann, einen Job und das Gefühl, mehr Zeit zu haben.

Was wären Sie geworden, wenn nicht Modedesignerin?

Mein Vater war Radiologe in Mainz. Ich bin also mit Medizin aufgewachsen und wäre wahrscheinlich Medizinerin geworden. Ich habe sein Engagement für die Menschen immer sehr bewundert. Mein Sinn stand mir aber schon immer nach Kunst und Design. Das kommt durch meinen Großvater, der sehr gerne malte, aber beruflich ein Bergwerk geleitet hat.

Wie sehen Sie das Model-Business und die Rolle der Frau darin?
Für mich sind Models keine Püppchen. In der Model-Branche überleben nur die stärksten, besten und hübschesten Models. Diese Welt ist so hart, weil es um den eigenen Körper geht. Dadurch ist es manchmal sehr verletzend, weil man nichts für den eigenen Körper kann. Deswegen würde ich nur Menschen mit großem Selbstwertgefühl diese Branche empfehlen. Ansonsten kann man daran zerbrechen.

Womit entspannen Sie am besten?

Mit kurzen Meditationen. Ich mache gerne Yoga. Bei all dem Stress ist es wichtig, immer wieder auf den richtigen Pfad zu finden und sich nicht durch Probleme aufreiben zu lassen. Pure Entspannung ist für mich auch drei Wochen Urlaub auf Bali. Da sind wir im April.

Wie bringen Sie andere Menschen zum Lachen?
Indem ich sie begeistere und indem ich sie in eine Geschichte mit hereinziehe, um wiederum ihre Begeisterung und Freude zu spüren.

Wie flirten Sie?

Mir hat mal jemand gesagt, ich würde mit jedem flirten, auch mit Frauen. Mit Männern flirte ich gar nicht mehr, seit ich mit meinem Mann zusammen bin. Flirten heißt für mich auch, sich für jemanden zu interessieren, das muss also gar nichts Sexuelles haben. Das finde ich viel spannender.

Anja Gockel lädt zum Tag der offenen Tür in ihrem Atelier
Am Judensand 59e: am 9. April, 7. Mai und 28. Mai.

www.anja-gockel.com