Nicht unweit der IGS Anna-Seghers – praktisch gegenüber – liegt die Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Den meisten ist sie durch die Ausrichtung der Mainzer Buchmesse bekannt. Aber sonst? Höchste Zeit, mal einen genaueren Blick auf die Arbeit der Akademie und ihre Geschichte zu werfen.
Die Geschichte der Akademie

Die historischen Wurzeln der Akademie gehen auf die Gründung der „Kurfürstlichen Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften“ zurück. Der brandenburgische Kurfürst Friedrich III. bestimmte damals keinen Geringeren als Gottfried Wilhelm Leibniz zum Präsidenten, kurze Zeit später wurde die Einrichtung in „Preußische Akademie der Wissenschaften“ umbenannt. In dieser Tradition sieht sich die Mainzer Akademie. Das merkt man einerseits an ihrem Motto: der „Genio Leibnitii“, der Geist des Universalgelehrten Leibnitz, soll der Akademie als Orientierung in der hohen Qualität ihrer wissenschaftlichen Arbeit dienen. So liest man im Gründungsprotokoll aus dem Jahr 1949, die Akademie müsse „als höchste verantwortliche Instanz unbeeinflusst von Zeitströmungen und dem Willen wechselnder Machthaber“ sein. Wertfreie Forschung, der Wahrheit und dem Menschenwohl verpflichtet – das sind die Ideale, welche die Forschungskultur der Akademie prägen und leiten soll.
Wie ist die Akademie organisiert?
Allerdings nimmt die Akademie eine Sonderstellung ein, die durch ihren Aufbau begründet wird. Im Gegensatz zu anderen Akademien hat sie seit ihren ersten Tagen neben einer mathematisch-naturwissenschaftlichen und einer geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse ein Pendant für Literatur, welches 2010 um die Fachrichtung Musik erweitert wurde. Jede Klasse kann bis zu 50 ordentliche Mitglieder aus dem gesamten deutschen Bundesgebiet und weitere 50 korrespondierende Mitglieder auswählen. Die ordentlichen Mitglieder werden dann von den bereits bestehenden Mitgliedern auf Lebenszeit gewählt. Die Auswahl von Neumitgliedern wird mit dem Anspruch getroffen, führende Wissenschaftler eines Fachgebiets zu rekrutieren und dabei ein möglichst breites Spektrum an wissenschaftlichen Disziplinen abzudecken. Entsprechend kann die Akademie zahlreiche prominente und vielfach ausgezeichnete Wissenschaftler unter ihren ehemaligen Mitgliedern aufweisen, etwa den Pionier der Kernspaltung Otto Hahn oder die Ausnahmeliteraten Halldór Laxness und Heinrich Böll, allesamt Nobelpreisträger. Bekannte aktuelle Mitglieder sind die Biontech-Avantgarde aus Ugur Sahin und Özlem Türeci, die Musiker Jörg Widmann und Andreas Scholl und die Wirtschaftsexpertin Veronika Grimm. Am 27. Juni wurde Prof. Dr. Andrea Rapp zur neuen Präsidentin gewählt. Sie trat zum 1. Juli die Nachfolge von Prof. Dr.- Ing. Reiner Anderl an.
Junge Förderung
Um den eigenen Ansprüchen des wissenschaftlichen Dialogs auch generationsübergreifend gerecht zu werden, wurde zusätzlich die „Junge Akademie“ ins Leben gerufen. Diese besteht aus 50 Mitgliedern, die in Anerkennung ihrer herausragenden Leistungen aufgenommen werden – mit dem einzigen Unterschied, dass die Aufnahmedauer auf vier Jahre begrenzt ist. Daneben gibt es die Digitale Akademie, welche nicht nur Kernfragen der Digitalität in den Geisteswissenschaften untersucht, sondern die Akademie auch in allen Digitalisierungsvorhaben berät. Durch das Mainzer Zentrum für Digitalität in den Geistes- und Kulturwissenschaften, kurz „Mainzed“ (soll wohl eine Anspielung auf Mindset sein), ist die Akademie unter anderem mit der JGU und der Hochschule verbunden. Laut Generalsekretär Claudius Geisler will man diesen Einrichtungen aber nicht als Konkurrenz gegenüberstehen. „Die Akademie soll komplementär sein. Uns als Akademie zeichnet die Vorstellung eines Dualismus aus Gelehrtengesellschaft einerseits und Forschungseinrichtung andererseits aus.“
Welche Arbeit leistet die Akademie?
Im Verbund mit sieben anderen Akademien, etwa in Göttingen, Hamburg oder Heidelberg, forschen die Mitglieder an Projekten eines gemeinsam ausgearbeiteten akademischen Forschungsprogramms. Die Akademie in Mainz ist damit Teil eines Wissenschaftsnetzwerks, das nach aktuellem Stand 127 Forschungsvorhaben mit 192 Wissenschaftlern betreut. Damit ist es das größte geisteswissenschaftliche Langzeitforschungsprogramm Prof. Dr. Andrea Rapp ist die neue Präsidenten in der gesamten Bundesrepublik. Rund 100 Doktoranden und 20 Akademieprofessuren kann das Programm vorweisen, es gibt über 200 ehrenamtliche Projektleitungen und Kooperationen mit über 60 Ländern. Schwerpunkte sind dabei einerseits die Herausgabe wissenschaftlicher Wörterbücher, aber auch die Sammlung und Archivierung wissenschaftlicher Korrespondenzen oder die Edition von historischen Quellen. Daneben gibt es auch musikwissenschaftliche Forschungsvorhaben. Unter den aktuell 17 Langzeitprojekten findet sich eine genetische Textkritik an Beethoven oder die neue Gesamtausgabe von Brahms‘ Werken. Schließlich verfolgt die Akademie auch hauseigene Projekte, zum Beispiel AGATE, das die Erschaffung einer digitalen paneuropäischen Plattform für geisteswissenschaftliche Forschung zum Ziel hat.
Woher kommt das Geld?
Die Unterhaltung eines so großen Forschungsnetzwerks ist gelinde gesagt nicht billig: Das diesjährige Akademieprogramm hat ein Gesamtvolumen von rund 80 Mio. Euro. Finanziert wird das seit mehr als 40 Jahren zu gleichen Teilen von Bund und Land. Zusätzliche Finanzierungsquellen sind die Akademiestiftung Mainz und weitere Stiftungen sowie der Förderverein und private Spenden. Auch der mit dem Holzbaupreis prämierte Kalkhof-Rose-Saal der Akademie, immerhin Deutschlands einziger Kammermusiksaal aus Holz, ist aus einer großzügigen Spende entstanden.
Text: Felix Werner