Direkt zum Inhalt wechseln
|

Was bringt Zeitarbeit?

Zeitarbeit
Text
Ines Schneider Illustration dainz.net

Das Ziel einer Arbeitsvermittlung ist es, Arbeitgeber und Arbeitssuchende zusammenzubringen. Wie das aussehen kann, erlebt die arbeitslose Katarina Meißner. Die gelernte Einzelhändlerin wünscht sich ein gesichertes Einkommen und ist dabei nicht übertrieben wählerisch. Doch nach 20-jähriger Berufstätigkeit weiß sie: Die Arbeitsvermittlungen stehen bei vielen Arbeitnehmern in keinem guten Ansehen. In Verträgen, die schnell und nur für wenige Wochen oder Monate ausgehandelt werden, können Arbeitsrechte und Tarife schnell unter den Tisch fallen. Wer mehrere solcher Jobs nacheinander annimmt, befindet sich in einer endlosen Probezeit, ohne Recht auf Urlaub, Sonderleistungen oder Kündigungsfrist.

Befristete Vermittlung

Die US-Firma „Manpower“ war eine der ersten, die 1965 in Deutschland freie Stellen vermittelte. Es folgten Unternehmen wie ADECCO, ARWA oder Randstad. 2009 waren in Mainz 46 Betriebe dieser Art registriert. Heute ist die Anzahl kaum noch zu überblicken, vor allem weil es sich bei der Arbeitsvermittlung nicht um ein gesetzlich geschütztes Berufsbild handelt. Ein Neugründer muss keine Ausbildung und keine Erfahrung vorweisen. Das System ist einfach: Die Vermittlung sollte Kontakt zu so vielen Arbeitssuchenden wie möglich halten. Entsteht in einer Firma ein unerwarteter Personalausfall, wendet sie sich an die Vermittlung. Die kann im besten Fall sofort einen Ersatz für die Festkraft schicken und berechnet für den Service eine Vermittlungs- gebühr. Da Personalausfälle häufig nur vorübergehend sind und sich befristet eingestellte Arbeitskräfte häufiger vermitteln lassen, führt so ein Handel selten zu einer Festanstellung. Deshalb ist der Begriff der „Zeitarbeit“ geläufig.

Positiver Trend

Wolfgang Hellenbrand hat als Personalbeauftragter Jahrzehnte für diverse Firmen Mitarbeiter eingestellt. Er rät Arbeitslosen nicht grundsätzlich von einer Arbeitsvermittlung ab und sieht sogar positive Entwicklungen: Die Agenturen würden wachsen und mit den Jahren professioneller und verantwortungsbewusster handeln. Nicht zuletzt, weil nur Zufriedenheit auf beiden Seiten eine stabile Zusammenarbeit garantiert. Heute kann ein Berufstätiger, der mit einer Zeitarbeitsvermittlung in einem regelmäßigen Arbeitsverhältnis steht und der nichts dagegen hat, von Stelle zu Stelle zu ziehen, auf ein konstantes Einkommen und faire Bedingungen zählen.

Ruf gefährdet

Doch Hellenbrand sieht den respektablen Ruf, den die Branche sich aufgebaut hat, wieder schwinden. Grund ist die Fülle von Agenturen, die neu auf den Markt drängen. Katarina Meißner macht also mehr als eine unerfreuliche und ergebnislose Erfahrung. Nach einer Ausschreibung mit eher vagen Angaben und einem oberflächlichen Telefongespräch wird die Mainzerin von einer Offenbacher Vermittlung zur Probearbeit nach Wiesbaden geschickt. Über die angegebene Firma ist im Vorfeld nur zu erfahren, dass sie bereits Konkurs angemeldet hat. Sie erweist sich als Subunternehmen mit Großraumbüro, bestehend aus zwei Schreibtischen, drei Computern und vier Headsets. Eine gehetzt wirkende Mitarbeiterin übernimmt eine knappe Einweisung und überlässt Meißner dann zwei Stunden lang den telefonischen Verkauf eines dubiosen Produkts. Weitere Einzelheiten seien mit der zuständigen Zeitarbeitsfirma zu klären. Die ist fürs erste nicht zu erreichen, sagt aber einige Tage später per Mail ab.

Dubiose Praktiken 

Diese Praktiken zersetzen nicht nur die Richtlinien zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sie sind auch „volkswirtschaftlich sinnlos“, erklärt Manfred Bartl, Mitglied des Bezirkserwerbslosenausschusses Rhein- Nahe-Hunsrück. Das Arbeitsvolumen selbst ist in den letzten Jahren weder stark gefallen noch gewachsen. Die Arbeitsplätze werden nur anders aufgeteilt und anders entlohnt. Um bestehen zu können, generieren Arbeitsvermittlungen mittlerweile ganz eigene Betätigungsfelder und führen ihre Klienten in Bereiche ein, wo sie gar nicht gebraucht werden. Beliebt ist zum Beispiel die Regalbefüllung. Heute bekommen Supermärkte externe Kräfte angeboten, die eine Tätigkeit verrichten, die früher zur Arbeit eines Verkäufers gehörte. So wird eine weitere Sektion von Geringverdienern ohne Aufstiegschancen geschaffen und gleichzeitig der Beruf des ausgebildeten Verkäufers um einen Aspekt beraubt und abgewertet.

Arbeitsamt ohne Arbeit

Die Agentur für Arbeit nimmt diese Bedingungen hin. Ihre eigene Jobbörse ist darauf angewiesen, dass Betriebe Vakanzen an sie melden. Das tun jedoch nur wenige. Die meisten Unternehmen geben ihre Anzeigen bei Plattformen wie monster.de auf, oder auf der eigenen Internetseite. Wer hauptberuflich Arbeitskräfte anwirbt, nimmt zur Verbreitung seines Anliegens die Agentur für Arbeit als eine Möglichkeit unter vielen in Anspruch. Bei zehn ihrer Angebote führen circa sieben zunächst zu einer Zeitarbeitsfirma. Ohne die Vermittlungsagenturen hätte die staatliche Jobbörse also nicht mehr viel vorzuweisen. Die etablierten Arbeitsvermittlungen profitieren von der aktuellen Lage. Wenn ein Arbeitgeber über Jahre hinweg mit einer Vermittlung gute Erfahrungen gemacht hat, besteht kein Grund, zu einer neuen zu wechseln. Zusätzlich ist der Stab an Arbeitnehmern oft so groß, dass die Vermittler wählerisch sein können. Wer als Arbeitssuchender Zeitarbeit als Chance zum Quereinstieg in einen anderen Arbeitsbereich nutzen möchte, hat heute selten Glück. Bewerber, deren Profile nicht ganz zu den Anforderungen passen, werden abgelehnt. So erfährt es auch Katarina Meißner. Ihre Initiativbewerbungen bei einigen verlässlichen Agenturen bleiben folgenlos.

Seriöse Agenturen

Mehr Vertrauen verdienen Vermittlungen, die sich auf bestimmte Berufsfelder konzentrieren. Die Anlaufphase ist zwar in diesem Fall länger, da die Beteiligten gezielter angesprochen und ausgewählt werden müssen. Doch wer als Agentur eine sorgsame Aufbauzeit einplant, wird nicht den schnellen Profit im Auge haben und sich eingehender mit den Handelspartnern beschäftigen. Selbst wenn es um Jobs geht, bei denen vergleichsweise wenige Vorkenntnisse benötigt werden, kann eine Arbeitsagentur seriös und sorgfältig arbeiten. So hat sich beispielsweise die Firma ESD auf die Suche nach Empfangsmitarbeitern verlegt. ESD macht sich die Mühe, mit jedem Bewerber ein Gespräch zu führen, eine Auswahl zu treffen und einen Einarbeitungskurs anzubieten. „Arbeitsvermittlung“ und „Zeitarbeit“ müssen nicht gleichgesetzt werden. Wenn die ausgeschriebene Stelle passt, wird die arbeitssuchende Katarina Meißner sich wieder bewerben. Doch solange ein Unternehmen an der Vermittlung von Arbeitsplätzen verdient, wird es sich nicht für ein stabiles, langfristiges Arbeitsverhältnis einsetzen.