von Andreas Schröder & David Gutsche
Illustration: Hendrik Schneider
Das Jahr „Mainz – Stadt der Wissenschaft 2011“ ist vorüber. Tausende Mainzer haben über 500 Veranstaltungen besucht und sich Wissenschaft näher bringen lassen. Ob es jedoch tatsächlich gelungen ist, alle Bürger an den Aktionen der Stadt der Wissenschaft (SDW) zu beteiligen und die investierten Gelder sinnvoll einzusetzen, ist nur schwer zu beantworten. Fest steht, dass sich die teilnehmenden Einrichtungen über einen Besucherzuwachs bei den angebotenen Veranstaltungen freuen durften.
„Zu den Lesungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur sind früher 20 bis 30 Zuhörer gekommen“, erinnert sich deren Präsidentin Prof. Dr. Elke Lütjen-Drecoll. „Inzwischen sind 100 und mehr Besucher dabei.“ Für die Akademie, die zwar vom Namen her bekannt war, deren Angebote aber nur wenige kennen, war mit der SDW die Hoffnung verbunden, in Mainz präsenter zu werden. „Ich kann nur sagen, dass unsere Erwartungen erfüllt worden sind“, sagt Lütjen-Drecoll.
Sozialdezernent Kurt Merkator geht einen Schritt weiter: Während die SDW die Erwartungen der Stadt erfüllt habe, sei man von der „Begeisterung der Mainzer“ überrascht worden: 12.000 Menschen haben sich auf der Eröffnungsparty in verschiedenen Locations rund um die Wissenschaft in Mainz informiert; 20.000 Besucher haben sich die Ausstellung „Spektrale“ in der Rheingoldhalle angeschaut.
Weniger begeistert ist Ago Rurek, 2. Vorsitzender vom Kunstverein Peng und Soziologiestudent: „Das Ganze kommt mir vor wie eine Marketing-Aktion für die Stadt. Was haben die ganzen Shows und Veranstaltungen mit Wissenschaft zu tun? Die meisten Veranstaltungen hätten auch so stattgefunden. Was weiß Mainz jetzt mehr? Wo haben wir Wissenschaft nutzen können? Welche wissenschaftlichen Konzepte sind entwickelt worden, die uns weiterhelfen? Es ist ein Unterschied, viele Plakate aufzustellen oder die Bürger wirklich miteinzubeziehen. Meiner Ansicht nach ist die Aktion in großen Teilen eine Bauchpinselei und hat mit wirklicher Wissenschaft nichts am Hut.“ Eine Umfrage der Allgemeinen Zeitung im Dezember legt zumindest nahe, dass Rurek unter seinen Kommilitonen mit dieser Meinung nicht alleine dasteht. Viele Studenten hätten sich mehr SDW auch auf dem Campus gewünscht.
Gefahr überhöhter Erwartungen
Geschwächelt hat die SDW dem Anschein nach auch im Bereich Technologietransfer in die Wirtschaft. So war bereits in der zweiten Jahreshälfte klar, dass das Transfercafé im Proviantviantmagazin nur eine begrenzte Anzahl von kleinen und mittleren Unternehmen mit Wissenschaftlern in Kontakt bringen würde. Die Ergebnisse des Transfercafés hätten „bei realistischen Erwartungen nicht überrascht“, betont Universitätspräsident Prof. Dr. Georg Krausch. Auch Fachhochschul-Präsident Prof. Dr. Gerhard Muth erklärt, dass es sich bei diesem Thema „um einen schwierigen Prozess“ handle. Schon deshalb sei das Transfercafé nicht nur auf das Jahr der Wissenschaft begrenzt. Doch wird man in Zukunft eher als Institution denn als Lokalität den Kontakt in die Wirtschaft suchen.
Industrie und Handelskammer-Präsident Harald Augter sieht den wirtschaftlichen Nutzen der SDW nicht nur auf den Wissenstransfer in bestehende Unternehmen begrenzt. Er hofft, dass infolge der Beschäftigung junger Menschen mit Wirtschaft und Wissenschaft auf lange Sicht Impulse für Unternehmensgründungen gegeben wurden.
Nachhaltiger wirken sicherlich Projekte wie „DenkSport“ der Arbeitsgruppe Bildung. „Hier wird harte Arbeit im Hintergrund geleistet“, findet Universitätspräsident Krausch. „DenkSport“ zielt darauf ab, jungen Menschen mit einem schwierigen familiären Hintergrund oder einer Lernschwäche eine zukunftsfähige Bildung zu ermöglichen. Krausch ist davon überzeugt, dass die Stadt von dem Projekt langfristig profitieren wird.
Langfristig vernetzt
Den größten Gewinn für die Wirtschaft und die Wissenschaft in Mainz hat die SDW indirekt hervorgebracht: Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen haben über Wochen und Monate an gemeinsamen Projekten gearbeitet. Auf diese Weise sind neue Freundschaften, Verbindungen und Netzwerke entstanden, von deren Synergieeffekten Mainz profitieren wird. „Wir kennen uns jetzt“, bringt es Elke Lütjen-Drecoll auf den Punkt. Gerhard Muth, Sprecher der Mainzer Wissenschaftsallianz, macht sich deswegen daran, aus dem losen Netzwerk eine dauerhafte Institution zu schaffen. „Es gibt ein klares Bekenntnis von allen Mitgliedern, weitermachen zu wollen.“