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Urteil im Zanggassen-Prozess – acht Jahre Haft


von Frank Schmidt-Wyk (Artikel aus der Allgemeinen Zeitung)

Im Prozess um die Bluttat in der Mainzer Zanggasse hat das Mainzer Schwurgericht sein Urteil gefällt: der Angeklagte Jörg S. (32 Jahre) muss für acht Jahre in Haft, weil er die 30-jährige Christine R. in der Nacht zum 19. August 2011 getötet hat. Das hat die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Mainz unter Vorsitz von Hans E. Lorentz heute um 14 Uhr verkündet. Zuvor standen am Dienstagvormittag die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung an: Die Anklagevertreterin forderte neun Jahre Haft, Rechtsanwalt Gottfried Hickel beantragte eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren für seinen Mandanten. (Foto: Sascha Kopp)

Die Staatsanwältin sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte einen Totschlag beging, indem er in der Nacht zum 19. August 2011 nach 2 Uhr nachts in seiner Dachgeschosswohnung in der Zanggasse die 30-jährige Christine R. mit einem Stich in den Hals umbrachte. Täter und Opfer hätten sich zuvor in einer Bar auf der anderen Straßenseite getroffen und Zärtlichkeiten ausgetauscht, bevor sie gemeinsam gegen 2 Uhr zu ihm gegangen seien. Gegen 6 Uhr morgens sei Jörg S. dann wieder in dem Lokal aufgetaucht und habe laut Zeugenaussagen dabei völlig normal gewirkt – dabei habe zu diesem Zeitpunkt in seinem Bett die nackte und blutüberströmte Leiche von Christine R. gelegen. Dass Jörg S. in der Tatnacht massiv unter Drogeneinfluss stand, dafür hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, so die Staatsanwältin.

Die näheren Umstände sowie das Motiv der Tat seien auch im Prozess unklar geblieben, deshalb sei Jörg S. kein Mord nachzuweisen und wegen Totschlags zu verurteilen. Zwar habe sich der Angeklagte am zweiten Verhandlungstag zu einem Geständnis durchgerungen, letztendlich aber in knappen Worten lediglich die Anklagevorwürfe bestätigt. Der Polizei habe er sich bloß gestellt, weil er den Fahndungsdruck nicht mehr ausgehalten habe. „Er hat hier für mich überhaupt keine Reue gezeigt“, sagte die Anklagevertreterin. „Es kam ihm keine Entschuldigung über die Lippen, er wirkte gleichgültig und lethargisch. Offenbar hat er sich mit seiner Tat arrangiert.“

Allgemeine Betrachtungen vom Verteidiger

Verteidiger Gottfried Hickel zeigte sich mit der juristischen Würdigung des Falles durch die Staatsanwältin völlig einverstanden und konzentrierte sich in seinem Schlussplädoyer auf allgemeine Betrachtungen. Es sei das gute Recht des Angeklagten, sich durch Schweigen zu verteidigen und er sei es gewesen, der als Verteidiger seinem Mandanten zu dieser Strategie geraten habe. Hickel gab außerdem zu bedenken: „In diesem Prozess geht es nicht darum, den Angeklagten als Totschläger abzustempeln, sondern seine Tat abzuurteilen.“

Die Emotionen seien am Rande des Prozesses zu Unrecht hochgekocht, stellte Hickel fest. Es habe sich um ein fatales Zusammentreffen zwischen Täter und Opfer „zur falschen Zeit am falschen Ort“ gehandelt: Christine R. habe sich an jenem Abend ohne ihren Freund nochmal „auf die Rolle“ begeben, Drogen und Alkohol konsumiert und sich anderen Männern in eindeutiger Absicht genähert. Das rechtfertige keineswegs die Tat, aber: „Sie hat ein gefährliches Spiel gespielt.“ Hickel warnte davor, aus der vermeintlichen Emotionslosigkeit seines Mandanten voreilige Schlüsse zu ziehen, vielmehr habe er die Tat offenbar nur verdrängt: „Es wird ihn aber immer wieder einholen. Er hat nicht nur das Leben von Christine R. zerstört, sondern auch große Teile seines eigenen.“

Wie in einem Strafprozess üblich, gehörte das letzte Wort vor der Urteilsverkündung dem Angeklagten selbst: Er bereue die Tat und sei keineswegs emotionslos, sagte Jörg S. Acht Monate Gefängnis seien nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Seitdem er sich am Abend des 26. August der Polizei in Mainz stellte, befindet sich der 32-Jährige in Untersuchungshaft.