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Urban Gardening: Grüne Flecken für die Stadt


von Vanessa Renner & Nicola Diehl
Fotos: Isabel Jasnau

Urban Gardening nennt sich ein Trend, in der City selbst zu gärtnern: eigenes Gemüse, biologischer Anbau und zufriedene Ruhe ist die Motivation dahinter.

Es grünt, blüht, wächst und gedeiht im urbanen Raum. Die Freude am Gärtnern, an feuchtkühler Erde zwischen den Fingern, reifen Tomaten und einem Salat aus Eigenanbau wollen sich immer weniger Menschen entgehen lassen. Urban Gardening beschreibt ein Phänomen, das in jüngster Zeit immer mehr Städte erfasst. Grüne Fleckchen und Flecken, bewirtschaftet von Stadtgärtnern, erobern Asphalt und Beton. Mathias Vinnepand blinzelt in die Sonne, dann blickt er zufrieden über ein kleines Erdbeerfeld. Die dunkelroten Früchte sind reif. „Toll, wenn man sich keine Gedanken machen muss, woher die Erdbeeren kommen und sie nicht erst minutenlang waschen muss“, freut er sich und steckt sich eine der Früchte in den Mund.

Gemeinschaftsgemüse aus dem Gonsbachtal
Das Erdbeerfeld gehört zur „Feinen Krume“, ein Gemeinschaftsgarten im Gonsbachtal. Auf rund 800 Quadratmetern hacken, jäten, gießen und ernten hier seit über einem Jahr 60 Stadtgärtner. Das zunächst kleine Projekt wuchs zu einem großen Gemeinschaftsgarten durch die Kooperation mit den beiden Initiativen „Mainz im Wandel“ und der „Food Coop“ – eine Einkaufsgemeinschaft an der Uni Mainz für ökologische, regionale und fair gehandelte Produkte. Die Initiative „Mainz im Wandel“ versteht sich als Teil der weltweiten Transition-Town-Bewegung, die seit 2006 versucht, Städte nachhaltiger und lebenswerter zu gestalten. Das bedeutet: Reduktion von fossilen Energieträgern in der Stadt sowie die Stärkung der Regional- und Lokalwirtschaft. Eine wichtige Rolle spielen hier auch landwirtschaftliche Prinzipien, die ähnlich effizient funktionieren wie natürliche Ökosysteme – so auch die Feine Krume.
Unter den Gärtnern sind Studenten wie der 24-jährige Geograf Mathias, aber auch Landwirte oder Architekten. Egal also ob Jung oder Alt, Profigärtner oder Einsteiger – jeder ist willkommen. „Das Schöne ist, dass wir voneinander lernen können und verschiedene Menschen ihre Ideen und Vorschläge für den Garten einbringen“, sagt Mathias. So wachsen neben Erdbeeren auch Tomaten, Auberginen, Chili und verschiedene Sorten Kartoffeln in der Feinen Krume. Am Eingang ragt eine Reihe von Salatköpfen, bereit zur Ernte, aus der Erde. Obstbäume, Kräuter und selbst ein Bambuspflänzchen lassen sich bei einem Rundgang durch den Garten entdecken. Dazwischen leuchten gelbe Blüten. „Auf jeden Fall ist das irgendetwas Essbares, aber was?“, rätselt Mathias. Auch Simon Krafft, der sich mit Mathias zum Unkraut jäten verabredet hat, weiß nicht weiter. Der 26-jährige Mathe- und Philosophiestudent betrachtet grübelnd die Blüten: „Wir sind zwar beide von Anfang an dabei, aber wir lernen immer wieder viel dazu.“

Lehrreich, fair und nachhaltig
Starre Regeln oder Verpflichtungen gibt es in der Feinen Krume nicht. „Der Garten hat immer offen“, lacht Simon, „jeder kann sich, wie und mit welchem Zeitaufwand er will, einbringen.“ Darüber hinaus tauschen sich die Stadtgärtner über einen Mail-Verteiler aus, berichten über Neuigkeiten und verabreden sich, wenn größere Gartenaktionen anstehen, oder auch „nur“ zum gemeinsamen Kochen. So bunt gemischt die Gruppe der Gärtner ist, was sie eint, ist die Wertschätzung der Natur, die sie bewirtschaften, und der Nahrungsmittel, die sie anbauen. „Ich will nicht Teil der Wirtschafts- und Konsummaschinerie sein, die die Natur zerstört“, betont Mathias, „das, was ich esse, soll nicht unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt oder mit Pestiziden behandelt sein. Viele beklagen sich über die Nahrungsmittelindustrie und behaupten gleichzeitig, dass sie nichts ändern können. Das stimmt aber nicht. Wir können vieles selbst gestalten.“

Natürlich Erholen zwischen Kohl und Liebstöckel
Im Gegensatz zur Feinen Krume bewirtschaftet Sebastian Buhl (32 Jahre) seine 400 Quadratmeter Stadtgrün in Wiesbaden-Dotzheim in Eigenregie: „Ich wollte zwei Dinge, einerseits meine eigenen Lebensmittel produzieren und andererseits einen Ort zum Abschalten.“ Das ist ihm gelungen: Verwunschen an einem Hang gelegen und von den Nachbarsgärten fast unbemerkt, hat Sebastian sich seinen eigenen kleinen Wildgarten groß gezogen, mit Gemüse, Obst, Kräutern, Grill und seit diesem Sommer sogar mit einem eigenen Wohnwagen. Drei Mal in der Woche ist er hier – zum Gießen, Werkeln, Mulchen und Ernten. Für Sebastian ist das Gärtnern aber weit entfernt von Arbeit: „Wenn der Tag mal richtig blöd läuft und ich schon morgens genervt bin, gehe ich am Nachmittag in den Garten, rupfe ein bisschen Unkraut, esse zwischendurch ein paar Walderdbeeren und schon ist alles irgendwie wieder gut.“ Tatsächlich riecht es zwischen Vogelgezwitscher, Blumen und unzähligen Kräutern nach Entspannung. Allein drei verschiedene Minzsorten kämpfen mit Liebstöckel und Sellerie um die Aufmerksamkeit unserer Geruchsorgane. Ganz zu schweigen von der Pracht der hoch gewachsenen, gelb blühenden Senfpflanze, roten Erdbeeren, Kohl, Möhren und zwischendurch der zarte Hauch einer Spargelpflanze. „Das ist mein erster Spargel in diesem Jahr, mal sehen, ob er was wird“, beschreibt Sebastian seine Gartenphilosophie. So liest er sich viel an und weiß, dass er Blattläuse mit Marienkäfern bekämpfen kann und Schnecken von Igeln gefressen werden. Grundsätzlich soll sich der Garten auf natürliche Weise regulieren. Brennesseljauche als Dünger und Kompost als Nährstoff für den Boden sind seine Haupteingriffe. Ansonsten nimmt er alles, wie es kommt. Und weil am Nachmittag endlich die Sonne vor die Wolken tritt und noch zwei kleine Bier vor dem Wohnwagen warten, wird er heute auch einfach mal hier übernachten. So einfach kann Urlaub sein. Erdbeeren zum Frühstück sind auch schon da.

Wer jetzt Lust bekommen hat – Die Feine Krume freut sich über Mitgärtner!
Kontakt: transition-mainz@web.de oder
www.ttmainz.de

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