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Uni-Professoren attackieren Staatsanwalt – Akademischer Beistand für Café Balance


von Monika Nellessen (Artikel aus der Allgemeinen Zeitung)

Gegen zwei Mitarbeiter des Café Balance ermittelt die Staatsanwaltschaft – nun steht den Beschuldigten die geballte Kompetenz aller Lehrstuhl-Inhaber für Strafrecht der Johannes Gutenberg-Universität zur Seite. Prof. Dr.Dr. Michael Bock, Prof. Dr. Volker Erb, Prof. Dr. Knud-Christian Hein, Prof. Dr. Michael Hettinger und Prof. Dr. Jan Zopfs sowie Dr. Christoph Schallert übernehmen die Verteidigung der Sozialarbeiter. (Foto: A. Coerper)

„Praxisnäher kann strafrechtliche Ausbildung nicht sein“

Federführend sind Erb, Zopfs, Hein und Schallert, die anderen unterstützen sie dabei. In die Arbeit seien Studierende im Rahmen eines Seminars zum Betäubungsmittelstrafrecht einbezogen, erklärt Schallert: „Praxisnäher und aktueller kann strafrechtliche Ausbildung nicht sein.“

Den Suchtberatern wird vorgeworfen, Drogenhandel im „Balance“ geduldet beziehungsweise gefördert und Café-Besucher vor Polizeikontrollen gewarnt zu haben. Wie Hein der AZ schildert, sei er erschüttert gewesen, als er von der Durchsuchung der Drogenhilfe erfuhr. Der Professor für Sozial- und Strafrecht an der Hochschule Darmstadt und Lehrbeauftragte der Uni Mainz: „Mit ähnlichen wie den in diesem Verfahren erhobenen Vorwürfen könnte man alle niedrigschwellig arbeitenden Einrichtungen der Drogenhilfe bundesweit dichtmachen.“

Dort wo Schwerstabhängigen geholfen werde und diese sich länger aufhielten, seien Drogen in kleinen Mengen zum Eigenkonsum „schon denklogisch“ nicht fern. In Fällen schwerster Abhängigkeit gebe es kaum eine andere Chance der Hilfe, als Abhängigkeit zunächst zu akzeptieren und elementarste Unterstützung zu leisten, fügt Kriminologe Prof. Bock hinzu.

„Café Balance mehrfach mit Studierenden besucht“

Prof. Zopfs ergänzt: „Wir kennen das Café Balance seit Jahren, haben es begleitend zur Vorlesung Betäubungsmittelstrafrecht mehrfach mit Studierenden besucht.“ Man sei stets „beeindruckt“ vom niedrig schwelligen Angebot für Schwerstabhängige gewesen, in dem „mit einer Vielzahl konkreter Maßnahmen dafür Sorge“ getragen werde, „dass in der Einrichtung eben gerade keine illegalen Geschäfte der Abhängigen untereinander stattfinden“.

Auf Basis bisheriger Informationen sei davon auszugehen, dass sich die Vorwürfe gegen die Mitarbeiter als haltlos erwiesen. Unabhängig von der strafrechtlichen Substanz sei der Durchsuchungsbeschluss „unzulänglich begründet und die Art und Weise seiner Durchführung inakzeptabel und unverhältnismäßig“, greifen Erb und Hettinger die Staatsanwaltschaft frontal an, welche das Café Balance von über 100 Beamten auf Drogen durchsuchen ließ. Die Professoren bereiten Beschwerden gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts und die Leitung des Polizeieinsatzes vor.

Der Leitende Oberstaatsanwalt Klaus-Peter Mieth bekräftigte, es gebe Anhaltspunkte, dass im öffentlichen Bereich der Drogenberatung mit Rauschgift gedealt worden sei. Der Vorwurf des illegalen Drogenhandels richte sich gegen eine 29-jährige Frau und einen 47-jährigen Mann, beide Besucher des Cafés, die inzwischen in Haft sitzen. Den Balance-Mitarbeitern werde nicht vorgeworfen, mit Drogen gehandelt zu haben, betonte Mieth. Wohl aber werde gegen sie wegen des Straftatbestands des „Verschaffens von Gelegenheit“ ermittelt.

Oberstaatsanwalt: „Kein rechtsfreier Raum“

Was in einer Drogenhilfe erlaubt sei, sei vom jeweiligen Gesetzgeber vorgegeben. So seien die Vorgaben in Hessen, wo es Druckräume in Drogenhilfen gibt, andere als in Mainz. Hier seien Rauschgift-Konsum und Dealen auch in der Drogenhilfe verboten. Mieth: „Ich weiß um die schwierige Arbeit der Suchtberater, aber das Café Balance ist kein rechtsfreier Raum.“