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Tim Gemünden und IHK-Chef fordern Bürokratie-Abbau für das Baugewerbe

Wie bürokratische Hürden den Wohnungsbau hemmen und wie mehr Pragmatismus ihn voranbringen könnte, erklärte Bauunternehmer Tim Gemünden heute in Mainz. Bis ein Projekt zur Baureife gelange, vergingen oft Jahre. Jahre, die auch Geld für Planung & Co. kosten. Diese Kosten trieben die Mieten weiter in die Höhe. Daher schlägt Gemünden u.a. ein vereinfachtes Verfahren vor.

An die 200 Wohnungen auf dem Rodelberg (Foto: Lunkenheimer)

„Es ist eine einfache Rechnung: Wenn man Wohngebäude höher baut, kann man auf gleicher Grundfläche mehr Wohnraum schaffen“, so der Molitor-Geschäftsführer Gemünden beim Pressetermin im Wohnquartier „Am Rodelberg“ in der Oberstadt. 200 Wohnungen sind auf hier entstanden, 25 Prozent davon gefördert. Gerne hätte Gemünden noch zwei Geschosse drauf gepackt und das mittlere Gebäude des insgesamt 10teiligen Wohnensembles höher gebaut: „Hier hätten ohne weiteres 20 Wohnungen mehr entstehen können.“ Dass die Stadt Mainz diese Planung für das mittlere Gebäude abgelehnt hat, kann er nicht nachvollziehen: „In Zeiten von Wohnraumknappheit zählt doch letztlich jede Wohnung mehr – noch dazu, wenn es auch um sozial geförderten Wohnraum geht.“

 

Bürokratie abbauen
Zudem zögen sich Baurechtsschaffungsprozesse immer mehr in die Länge, so Gemünden: „Zeiträume von 7 bis 10 Jahren seien keine Einzelfälle.“ Ein großes Hemmnis für die zügige Baurechtschaffung sei insbesondere die Vielzahl an immer neuen, von den Behörden geforderten Gutachten. Teilweise seien es um die 25 Gutachten (Lichtimmission, Schallschutz, Verkehr, Artenschutz, Baumgutachten, Entwässerung etc. – die Auflistung ließe sich auf 25 – 30 verschiedene Gutachten vervollständigen). Das Problem: Muss nach behördlicher Prüfung eines Gutachtens ein Aspekt der Bauplanung geändert werden, wirkt sich diese Änderung möglicherweise auf alle weiteren Gutachten aus, die entsprechend überarbeitet werden müssen. In der Regel gehe der Gutachten-Marathon dann wieder von vorne los. Doch nicht nur die Behörden, sondern auch Stadträte erschweren mitunter die Baurechtsschaffung. „Besonders schwierig wird es, wenn Stadträte Verordnungen und Satzungen beschließen, die sich inhaltlich widersprechen“, so Gemünden. Zusätzlich brisant: Die zeitlichen Verzögerungen in der Baurechtschaffung verlangsamen nicht nur die Bereitstellung von dringend benötigtem Wohnraum, sie verursachen auch erhebliche Kosten, die sich kostentreibend auf die späteren Mietpreise auswirken. Beim Projekt „Am Schützenhaus“ in Hartenberg-Münchfeld (wir berichteten) habe die Bürokratie bereits vor dem Baustart ohne jeden produktiven Mehrwert 13 Prozent der Gesamtkosten für das Projekt verursacht, so der Molitor-Chef. Zum Vergleich: Die Lohnkosten für die Rohbaufachkräfte schlagen dagegen gerade mal mit 2 % zu Buche.

Baulandmobilisierungsgesetz nutzen
Einen weiteren wichtigen Hebel, um den Wohnungsbau voranzubringen, sieht Gemünden im 2021 erlassenen und zeitlich befristeten Baulandmobilisierungsgesetz auf Basis des §31 (3) BauGB: „Dieses Gesetz ist eine Riesenchance für Städte wie Mainz, die mit einem angespannten Wohnungsmarkt zu kämpfen haben.“ Das Gesetz ermöglicht eine vereinfachte Baurechtschaffung: Wo ein gültiger Bebauungsplan vorliegt, können die Kommunen pragmatisch mit möglichen Abweichungen umgehen. In Städten wie Hamburg konnten so innerhalb kurzer Zeit bereits über 1.000 Wohnungen im vereinfachten Verfahren genehmigt werden. Auch die Stadt Mainz solle sich die Chancen, die das zeitlich befristete Baulandmobilisierungsgesetz bietet, zunutze machen, so Gemünden und verweist erneut auf das Bauvorhaben „Am Schützenhaus“: Dort hat die J. Molitor Immobilien GmbH gemeinsam mit Partnern im März den Bauantrag für ein Quartier mit 126 sozial geförderten Mietwohnungen eingereicht. Es geht um acht Wohngebäude mit einer moderaten Höhe von bis zu vier Vollgeschossen und Dachgeschossen. Doch anstatt das Baulandmobilisierungsgesetz für das Vorhaben zur Anwendung zu bringen, strebt die Verwaltung ein neues Bebauungsplanverfahren an. „Wenn es für die Stadt Mainz eine klare Priorität ist, rasch bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, kann das nur eines bedeuten: Das Baulandmobilisierungsgesetz muss jetzt pragmatisch zur Anwendung gebracht werden“, unterstreicht Gemünden und nimmt dabei auch OB Haase beim Wort: Der habe die zuständige Verwaltung beauftragt, bis spätestens März 2025 die Baugenehmigung für das Wohnquartier „Am Schützenhaus“ zu erteilen.

Wohnungsbau im vereinfachten Verfahren: Best practice „Hildegardis“-Quartier
Dass auch vereinfachte Verfahren zu einem schnellen, positiven Ergebnis führen können, habe sich in der Vergangenheit bereits am Bauvorhaben Hildegardis-Quartier gezeigt. Zwischen dem so genannten Werkstattverfahren im Januar 2018 und dem positiven Bescheid der Bauvoranfrage im Mai desselben Jahres vergingen gerade mal vier Monate. Innerhalb von 4 Jahren (inklusive Rückbau), konnten so 442 Wohnungen entstehen, 25 % davon sozial gefördert. Gleich drei Gebäude des Hildegardis-Quartiers wurden 2023 in die Auswahl für den Tag der Architektur aufgenommen – darunter auch ein Gebäude mit einem Anteil an sozial geförderten Wohnungen. Für Gemünden ist ein ergebnisoffenes Werkstattverfahren das zielführendste Format, um zügig Baurecht zu schaffen. „Anstatt einen jahrelangen Papierkrieg und Gutachtenmarathon zu starten, setzen sich beim Werkstattverfahren alle Beteiligten an einen Tisch“, so Gemünden und ergänzt: „Bei einem Baurechtsverfahren gilt es ja immer, unterschiedliche Belange unter einen Hut zu bekommen und miteinander abzuwägen. Aber gerade das geht im persönlichen, ergebnisoffenen Austausch am besten. Beim Hildegardis-Quartier haben wir mit so einem Format innerhalb von vier Stunden eine Einigung über die Grundzüge erzielt. Mit einem Bebauungsplanverfahren hätte es Jahre gedauert. Hier hatten wir seinerzeit Glück im Bauamt.“

Bezahlbarer Wohnraum: Standortfaktor für die Wirtschaft
Angesichts dieser Entwicklungen sei es ein Gebot der Stunde, den stagnierenden Wohnungsbau in Mainz kraftvoll voranzubringen – so auch Günter Jertz, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen: „Der Fachkräftemangel ist zum Top-Faktor für die Entwicklung von Unternehmen geworden. Vor diesem Hintergrund wird bezahlbarer Wohnraum immer stärker zum Standortfaktor für die Wirtschaft. Denn: Unternehmen brauchen Fachkräfte – und Fachkräfte brauchen Wohnraum. Hier gibt es dringend Handlungsbedarf: So sind unserem IHK-Fachkräftereport zufolge nur rund 20 Prozent der befragten Unternehmen mit der Verfügbarkeit von Wohnraum an ihrem Standort zufrieden. Lange Genehmigungsverfahren hemmen die gesamte Standortentwicklung – neben dem Abbau von Bürokratie ist es deshalb entscheidend, eine dienstleistungsorientierte und pragmatische Mentalität in kommunalen Verwaltungen zu etablieren: Unternehmen müssen zu Schlüsselkunden für die Verwaltungen werden.“

Tag der Architektur „Am Rodelberg Mainz“

Im Rahmen des Tages der Architektur kann das Wohnquartier „Am Rodelberg“ am Samstag 29. Juni von 10 bis 14 Uhr besichtigt werden.

Am Fort Hechtsheim 15 – 19, 55131 Mainz

2 responses to “Tim Gemünden und IHK-Chef fordern Bürokratie-Abbau für das Baugewerbe

  1. Unglaublich, da reden die Politiker das ganze Jahr von Aufstockung niedriger Gebäude und dass in Zukunft höher gebaut werden solle und dann wird gerade dieser Wunsch der Baufirma Gemünden von der Stadt abgelehnt.

  2. Na ja, die Geschichte vom barmherzigen Samariter? Es geht auch um Mehreinanhmen beim Verkauf von 20 weitere Wohnungen. Bei solche Großprojekte wird immer eine ‚Maximalhöhe‘ gefordert, gut dass es Überprüfungen und Anpassungen gibt.

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