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Tanz‘ den Lindy Hop


von Nicola Diehl
Fotos: Frauke Bönsch

In rote Strumpfhosen gehüllte Frauenbeine schwingen durch die Luft. Dazwischen tänzeln ausgelatschte Chucks und Cordhosen über den Parkettboden. Ab und an wird geschnipst und gesteppt, starke Männerarme werfen Tänzerinnen in die Luft. So geht es jeden Mittwochabend zu, wenn sich die Mainz-Wiesbadener Truppe „Deca-Dance“ zum gemeinsamen Lindy Hop-Tanzen in den Agenturräumen von Scholz & Volkmer in Wiesbaden trifft. Rund vierzehn Tanzbegeisterte zwischen 25 und 45 Jahren lassen regelmäßig die 30er Jahre aufleben. Ganz ohne Vereinsmeierei, einfach nur aus Spaß an der Bewegung und Musik. Denn Lindy Hop ist weit entfernt vom verkopften Standardtanz, der an steife Etikette erinnert. Sein Ursprung liegt im New York der 1930er Jahre, wo Lindy Hop als eine Mischung aus Charleston, Stepptanz und Swing entstand.

Improvisation als wesentliches Element

„Lindy Hop funktioniert nur, wenn sich die Tanzenden auf die Musik einlassen. Du musst die Musik aufnehmen und in Bewegung umsetzen“, weiß Kathrin Riebel von Deca-Dance. Denn letztlich geben Melodie und Rhythmus den Takt an und entscheiden über Tanzschritte, Posen sowie Richtungswechsel. Feste Tanzschritte sucht der Laie vergeblich. „Es geht um Improvisation und Freiheit. Kein Tanz im Lindy Hop gleicht dem anderen“, erklärt Kai Unger, der nicht nur Lindy Hop tanzt, sondern zusammen mit Janet Seifert auch die passende Mode entwirft: Vecona Vintage heißt das kleine Wiesbadener Label mit tanzbarer Mode im Stil der 20er bis 40er Jahre. Eingehüllt in Charleston-Kleid, Marlene-Hose, Matrosenrock und Arbeiter- oder Collegehose fühlen sich die Träger den 30er Jahren recht nahe.
Auch Humor gehört zum Lindy Hop. Tanzfiguren wie der Schuhputzer, „Spank the baby“ (eine Art Popoklappser), die Vogelscheuche oder der „Shorty George“ werden im wilden Wechsel in die Tanzbewegungen integriert. Das sieht ulkig aus und sorgt hin und wieder für ein Grinsen auf den Gesichtern. Ein Minimum an Konzept gibt es beim Lindy Hop jedoch schon: Ein Tanzpaar besteht aus einem Leader und der meist weiblichen „Followerin“. „Der Leader tanzt die Musik und führt, der Follower macht die Sache schön“, fasst Andreas Schickert die wichtigste Regel im Lindy Hop zusammen. Die Wiesbadener haben sich das Tanzen selbst beigebracht. „Am Anfang haben wir uns einen Lehrer gebucht und auch jetzt machen wir ab und an einen Kurs, aber so richtig was lernen kannst du nur beim Tanzen.“

Stetig wachsender Trend

Aber nicht nur in Wiesbaden zeigen sich immer mehr Menschen begeistert von Lindy Hop. Auch in Mainz und dem Rest Europas flammt der Tanz seit den 80er Jahren wieder auf. Grund dafür ist die erwähnte Frische und Freiheit des Tanzgefühls, vor allem aber auch die Musik, die gute Laune erzeugt und das Bein nicht stillhalten lässt. „Der Trend wächst ständig weiter, zu unseren Veranstaltungen kommen jedes Jahr mehr Leute“, beschreibt Andreas die Entwicklung. Neue Musikrichtungen wie der Elektroswing sowie die lässige Stimmung auf den Veranstaltungen tragen dazu bei.
Die Wiesbadener Gruppe besteht seit fünf Jahren. In Mainz organisieren sie seit Anfang 2011 jeden dritten Freitag im Monat die 7 o‘clock Jump-Swingparty im Café 7 Grad neben der Kunsthalle. Für Neulinge und Interessierte lohnt es sich, die kleine kostenlose Einführung in der ersten halben Stunde ab 19 Uhr mitzumachen. Im Sommer verlagern die Lindy Hopper die Tanzfläche auch gerne mal ins Freie. So haben sie im vergangenen Jahr den Neroberg oder den Platz vor dem Biebricher Schloss zum Tanzparkett auserkoren. Einmal im Jahr steht außerdem die große Deca-Dance-Veranstaltung an. In diesem Jahr findet sie vom 3. bis 5. Februar statt im Walhalla Theater und der alten Jugendstilturnhalle des Turnvereins Biebrich. Mehr Informationen dazu unter www.deca-dance.net. Die nächste Swing-Nacht im 7 Grad Café in Mainz steigt am 24. Februar.