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Stadtwerke korrigieren Unternehmenskurs: MainzRider wird eingestellt, ÖPNV-Ausbau verlangsamt

Mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen und Einsparungen wird die  Mainzer Verkehrsgesellschaft mbH (MVG) dafür sorgen, dass die Defizite des Stadtwerke-Tochterunternehmens in den kommenden Jahren deutlich weniger stark steigen, als noch Ende vergangenen Jahres geplant (wir berichteten). In seiner gestrigen Sitzung präsentierten die Stadtwerke-Vorstände Daniel Gahr und Dr. Tobias Brosze dem Aufsichtsrat eine überarbeitete Mittelfristplanung für den Konzern mit besonderen Einschnitten für den ÖPNV: Manche Pläne wurden ganz gestrichen – auch die Straßenbahnerweiterungen können voraussichtlich nicht wie geplant durchgeführt werden.

Danach rechnet die kommunale Unternehmensgruppe in den kommenden fünf Jahren mit jeweils leicht positiven Jahresergebnissen zwischen vier bis zehn Millionen Euro. Das ursprünglich drohende Minus für die Stadtwerke von kumuliert mehr als 63 Mio. Euro für die Jahre 2026 bis 2028 ist durch die Einsparungen und Einnahmeverbesserungen bei der MVG sowie überarbeiteten Ergebnisbeiträgen der anderen MSW-Tochterunternehmen vom Tisch. Es bestehen allerdings gerade auf der Einnahmeseite in den kommenden Jahren weiter erhebliche Risiken für die Verkehrssparte. Eine stärkere Unterstützung von Bund, Land und Stadt sei für die Verkehrs- und Klimawende unerlässlich.

Mitte Februar hatte Daniel Gahr im Finanzausschuss des Mainzer Stadtrates erstmals öffentlich auf die drohenden finanziellen Überforderungen für die Stadtwerke  hingewiesen, sollte das Defizit des ÖPNV-Bereichs tatsächlich in den kommenden Jahren von zuletzt rund 25 Millionen Euro jährlich auf bis zu 54 Millionen Euro klettern. Für die Stadtwerke sei ein solcher Anstieg nicht mehr alleine zu stemmen. Daher wurde unter anderem die MVG-Geschäftsführung aufgefordert, deutliche Einsparvorschläge vorzulegen und ihre Mittelfristplanung zu überarbeiten. Diese liegen jetzt auf dem Tisch und der Stadtwerke-Aufsichtsrat stimmte der Planung in seiner gestrigen Sitzung zu.

Wo liegen die wichtigsten Einsparpunkte beim ÖPNV?

Die Mainzer Verkehrsgesellschaft wird beim Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs das Tempo drosseln müssen. Ursprüngliches Ziel waren rund 67 Mio. Fahrgäste im Jahr 2028, aktuell sind es 56 Millionen. Der Zuwachs sollte unter anderem durch Angebotserweiterungen und perspektivisch mit dem zügigen Straßenbahnausbau in der Innenstadt sowie zum Heiligkreuz-Viertel erreicht werden. Jetzt muss hier das Tempo gedrosselt werden: Die Betriebsleistung der MVG, also die Zahl der Fahrten, wird bis 2028 nicht wachsen können, sondern auf dem Stand von 2024 konstant gehalten. Die beiden Straßenbahnausbauprojekte werden zügig weiter bis zum Planfeststellungsbeschluss vorangetrieben. Ein automatischer Baustart für die Straßenbahnerweiterungen mit dem Baurecht kann bei den aktuellen finanziellen Rahmenbedingungen aber heute nicht zugesagt werden. Folge: Der ÖPNV wird durch Optimierungen in Netz und Angebot in den kommenden Jahren zwar weiter wachsen, aber lange nicht so stark wie bisher vorgesehen. In der jetzt überarbeiteten Mittelfristplanung rechnet die Mainzer Mobilität nur noch mit etwa 60 Millionen Fahrgästen im Jahr 2028. Gahr: „Im Vergleich zu anderen Städten, die ihren ÖPNV in den kommenden Jahren aus Kostengründen eher reduzieren müssen, peilen wir immer noch ein Plus von etwa vier Millionen Fahrgästen bis 2028 an.“

Hinten angestellt wird in der neuen Mittelfristplanung folgerichtig die Beschaffung von acht zusätzlichen Straßenbahnfahrzeugen für den Ausbau des Straßenbahnnetzes. Nicht gestoppt dagegen wird die gerade angestoßene europaweite Ausschreibung von 22 neuen Straßenbahnen, die als Ersatz für 22 ältere Bahnen in den kommenden Jahren dringend erforderlich sind. Nicht realisiert werden kann zunächst auch ein zweiter Betriebshof der MVG, dieser wäre mit der Beschaffung der zusätzlichen acht neuen Straßenbahnen und dem Ausbau der Busflotte mit alternativen Antrieben unumgänglich. Auch hier laufen aber Standortsuche und Planung weiter, da für einen wachsenden ÖPNV in Mainz hier zusätzliche Kapazitäten erforderlich werden.

Nicht mehr weiter geführt werden kann ab Sommer der „Mainz Rider“ der MVG. Das „Shuttle-on-demand“-Angebot, bei dem Kunden über eine App eines von zehn Elektrofahrzeugen ordern und sich von einem Fahrer oder Fahrerin abends und in der Nacht in fast alle Mainzer Stadtteile befördern lassen können, wurde als Förderprojekt des Bundes eingeführt. Nach dem Start 2020 und Einschränkungen während der Corona-Pandemie ist die Zahl der Fahrten zuletzt zwar auf bis zu 3500 im Monat gestiegen. Das Defizit beim „Mainz Rider“ beträgt aber mehrere hunderttausend Euro im Jahr und ist in der aktuellen Situation nicht darstellbar.

Batteriebusse und Brennstoffzellenbusse sind in der Anschaffung deutlich teurer als Dieselbusse und haben zudem noch eine deutlich geringere Verfügbarkeit und Fahrleistung. Nach den 23 E-Gelenkbussen und den sechs Brennstoffzellenbussen können neue Busse mit alternativem Antrieb auch künftig nur angeschafft werden, wenn es wieder eine umfängliche Bundes- und/oder Landesförderung für die Mehrkosten gibt.

Stichwort Landesförderung

In Gesprächen zwischen dem Stadtwerke-Vorstand und dem Umwelt- und Mobilitätsministerium hat das Land erstmals signalisiert, dass ab 2025 die im Nahverkehrsgesetz Rheinland-Pfalz 2021 verankerte Kofinanzierung des Landes für den lokalen ÖPNV umgesetzt werden soll. Damit wird auch in Mainz ein Teil des jährlichen Defizits im ÖPNV vom Land getragen und das Ergebnis der MVG besser. Daniel Gahr: „Wir sind Verkehrsministerin Katrin Eder dafür dankbar. Allerdings ist die im Raum stehende Übernahme von 15 Prozent des ÖPNV-Defizits durch das Land aus unserer Sicht nicht ausreichend, um die Verkehrswende spürbar vorantreiben zu können.“ Sie werde auch dem Gesetz, das die Finanzierung als „gemeinsame Aufgabe“ der Aufgabenträger und des Landes definiert, nicht gerecht.

Gahr: „Das Einfrieren der Betriebsleistung und der Vorbehalt bei der Umsetzung des   Ausbaus der Straßenbahn sind im Sinne einer Verkehrswende sicher bedauerlich, aber aktuell wirtschaftlich leider notwendig. Als Vorstand müssen wir das Wohl und die Zukunft der gesamten Unternehmensgruppe im Blick haben. Neben den alltäglichen Themen der Daseinsvorsorge stehen wir mit dem Fernwärmeausbau für die Wärmewende sowie der Modernisierung der Trinkwasserversorgung vor enormen Zukunftsaufgaben. Daher wird es in den kommenden Jahren dringend erforderlich, dass uns Stadt, Land und der Bund bei diesen Aufgaben weiterhin bzw. stärker finanziell unterstützen.“

Die jetzt überarbeitete Mittelfristplanung weist nun durchgehend positive Ergebnisse für die MSW-Unternehmensgruppe in den kommenden Jahren aus. Einige Fragen und Risiken sind bisher aber noch nicht abschließend geklärt: Bei einem Wegfall des zweiten Betriebshofes ergeben sich in den kommenden Jahren beispielsweise Kapazitätsprobleme bei der Fahrzeugabstellung und -instandhaltung sowie der Umstellung auf alternative Antriebe auf dem bisherigen MVG-Gelände. Auch die Finanzierung der Auswirkungen des Deutschlandtickets inklusive der bisherigen Ausgleichszahlungen für den Ausbildungsverkehr ist nicht dauerhaft gesichert. Und für Investitionen im ÖPNV-Bereich sind in den MVG-Zahlen Fördermittel eingerechnet, für die gesetzliche Grundlagen bestehen, die aber aktuell noch nicht gesichert sind.