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Finanzierung noch ungeklärt: Stadt will 2 Mio. Euro-Buch für Gutenberg-Museum erwerben

Eine Armenbibel (lateinisch Biblia pauperum) erwirbt die Stadt Mainz für 1,85 Mio. Euro. Die Kosten muss die Stadt aber nicht allein schultern, der Großteil soll von Stiftungen und vom Land kommen, für Mainz blieben effektiv „nur“ noch 650Tsd. Euro.
Der Stadtrat hat dem am 17. Mai unter den Prämissen zugestimmt – nun stellt sich heraus: Die Landesmittel waren noch gar nicht gesichert.

In seiner Sitzung am 17. Mai 2023 hatte der Mainzer Stadtrat beschlossen, vorbehaltlich der Förderung durch externe Fördergebende Mittel aus dem Haushalt der Landeshauptstadt für den Erwerb eines seltenen Blockbuchs aus dem 15. Jahrhundert bereit zu stellen. In der Berichterstattung sei an mehreren Stellen der Eindruck entstanden, dass die beantragte Förderung durch die externen Fördergebenden bereits vollständig gesichert sei.

Dies ist nicht korrekt, da mehrere potenzielle Fördergebende, zu denen auch die Kulturstiftung der Länder zählt, ihre Entscheidungsfindung innerhalb der Antragsverfahren noch nicht abgeschlossen und die zuständigen Gremien zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beraten haben.

Richtig ist: Das Gutenberg-Museum steht derzeit mit mehreren externen Fördergebenden in Kontakt, um Möglichkeiten der Förderung abzustimmen und zu sichern. Es ist wichtig, festzuhalten, dass Förderungen durch externe Fördergebende ausschließlich auf Grundlage der Zustimmung der jeweils zuständigen Gremien erfolgen. In diese Entscheidungsfindung fließt der Beschluss des Mainzer Stadtrats als wichtige, formale Grundlage derzeit mit ein. Sowohl die Höhe der Förderungen als auch der zeitliche Rahmen der formalen Abläufe ergeben sich jedoch aus den formalen Konditionen der Fördergebenden. Die Finanzierung des Erwerbs kann daher erst dann als gesichert gelten, wenn die externen Fördergebenden ihre finale Zustimmung gegeben haben. Vor diesem Hintergrund hat die Landeshauptstadt Mainz über die Fördermöglichkeiten in den städtischen Gremien unter Vorbehalt der noch ausstehenden Zusagen berichtet und auch der Stadtratsbeschluss erfolgte unter Vorbehalt der externen Förderungen.

Zum jetzigen Zeitpunkt haben einige Fördergebende, wie die Kulturstiftung der Länder, noch keine verbindlichen Zusagen getroffen. Sobald die Finanzierung des Erwerbs gesichert ist, wird die Landeshauptstadt Mainz die Presse und die Öffentlichkeit entsprechend informieren.

Antiquar Heribert Tenschert („Herr der Bibeln“)

Das Buch sei selten und für das Gutenberg-Museum geeignet und bekommt dort (s)einen Platz neben Gutenberg-Bibeln und zwei weiteren sog. „Blockbüchern“. Die Armenbibel wurde dem Museum von Antiquar Heribert Tenschert („Herr der Bibeln“) zum Kauf angeboten.

Das Buch ist eines der frühesten Exemplare der Blockbuch-Gattung und das einzige im Privatbesitz verbliebene vollständige Exemplar der vorliegenden Ausgabe. Hervorzuheben ist darin der nicht kolorierte Zustand. Dieser „pure“ Eindruck ist ebenso selten wie herausragend. Aufgrund des Sammlungsprofils des Gutenberg-Museums stelle das Blockbuch eine ideale Ergänzung des Bestandes dar. Zwei Blockbücher sind im Museum vorhanden und dauerhaft in der Schatzkammer ausgestellt. Mit einer „Ars Moriendi“ und einer „Apokalypse“ zeigen sie andere Inhalte. Eine „Biblia Pauperum“ als gängigster Titel unter den erhaltenen Blockbüchern fehle für einen repräsentativen Überblick. Von ihrer technischen Herstellung sind die drei Bände verschieden, so dass die angebotene „Biblia“ auch hier eine Lücke schließt.

Die Blockbücher illustrieren die Phase, in der ein weitaus gestiegener Bedarf an Büchern durch Handschriftenproduktion nicht mehr bedient werden konnte. Die Gutenbergsche Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern setzte sich letztlich durch, war aber nicht der einzige Versuch, den Mangel zu beheben. Blockbücher stellen das bedeutendste alternative Experiment dar.

Die „Biblia Pauperum“ soll im geplanten Neubau des Museums dauerhaft neben den beiden Blockbüchern aus der Sammlung sowie neben den Gutenberg-Bibeln (B42) im Kontext der Entstehung des Buchdrucks gezeigt werden. Hierfür ist der Platz in der Schatzkammer unter herausragenden Bedingungen vorgesehen. Vor der Eröffnung des Neubaus wird das neu erworbene Blockbuch in der Interimspräsentation des Gutenberg-Museums im Naturhistorischen Museum ebenso in dem dort eigens eingerichteten Bereich in der Nähe der Gutenberg-Bibeln ausgestellt werden.

Die „Biblia Pauperum“ soll durch ihre Bedeutung und durch die herausragende Qualität die Schatzkammer des Museums bereichern und ein weiteres Glanzlicht setzen.

Die Provenienz des Blockbuchs ist gut dokumentiert:

– Erstmals nachweisbar um 1800;

– 1815: Versteigerung der Sammlung von James Edwards, Lot Nr. 804;

– In den 1830er Jahren kauft der Sammler Beriah Botfield kauft das Blockbuch im Antiquariat Payne & Foss;

– Nach dem Tod von Botfield 1863 kommt seine Sammlung im Besitz der Marquess of Bath

und bleibt fast 150 Jahre der Familie (Schreiber 1902, IV, S. 6)

– 13. Juni 2002 Versteigerung Christie´s London, Lot Nr. 6: Ankauf durch vier Antiquare, darunter Antiquariat Bibermühle / Dr. Tenschert;

Aktueller Besitzer

– Februar 2003 Erwerb alleinig durch das Antiquariat Bibermühle / Heribert Tenschert. Der  begann 1969 ein Studium der Romanistik, Germanistik und Latinistik an der Universität Freiburg bei Erich Köhler, das er jedoch 1977 abbrach, um in Rotthalmünster ein Buchantiquariat zu gründen. Nach erfolgreichem Handel mit bibliophilen Werken der Neuzeit konzentrierte er sich auf mittelalterliche Bücher, insbesondere Stundenbücher.1993 erwarb er die Sulzersche Villa, bekannt als Landgut Bibermühle, bei Stein am Rhein gelegen. 2010 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Freiburg. Auch gedruckte Stundenbücher gehören zu seinem Fachgebiet, er besitzt die größte Sammlung der Welt, ca. 375 Exemplare (Stand 2016).
Tenschert ersteigerte 1988 bei Sotheby’s für eine Million Pfund das Prozess-Manuskript von Franz Kafka, das ursprünglich von Max Brod vernichtet werden sollte. Kurz nach dem Kauf überließ Tenschert dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach das Manuskript zum Einkaufspreis.

Finanzierung

Der Finanzierungsplan des Blockbuchs von 2.000.000 CHF (aufgrund der Kursschwankung der letzten 9 Monate ist der Betrag äquivalent zu Euro berechnen) setzt sich folgend zusammen:

– Kulturstiftung der Länder 750.000 € (noch nicht geklärt)

– Land Rheinland-Pfalz 100.000 €

– Stiftung zur Förderung des neuen Gutenberg-Museums 120.000 €

– Moses-Stiftung 100.000 €

 

BIBLIA PAUPERUM. Blockbuch. Holztafeldrucke in Braun auf Papier

Süddeutschland, gedruckt von in den Niederlanden geschnittenen Holzstöcken, ca.

1460-64.

40 Blätter ganzseitige Holzschnitte mit 200 Einzelbildern, einseitig bedruckt von 20

Holzstöcken zu je einem Doppelblatt, die Bildseiten jeweils einander gegenüberstehend.

Kollation: 1-202 (Blattsignaturen a-v, .a.-.m., n/o, .p./.q., r/s, .t./.u.).

Folio (Blattgröße 276 × 203 mm).

Vergoldeter englischer Maroquinband um 1820 von Charles Lewis, Deckel mit

Filetenrahmen und Eckfleurons, flacher Rücken mit Rückentitel, Ganzgoldschnitt.

Das einzige in Privathand verbliebene Exemplar dieser Blockbuchausgabe der Biblia Pauperum, von der insgesamt nur drei komplette Exemplare bekannt sind. Der Titel Biblia Pauperum findet sich erstmals in einer nicht illustrierten Handschrift von 1398 (München, Clm. 12717). Der Name ist jedoch irreführend, denn das Werk war keineswegs lediglich eine Bilderbibel für die des Lesens unkundigen Armen. Es enthält vielmehr ein komplex aufeinander bezogenes Arrangement von Bildern und Texten, dessen Bedeutung sich nur dem offenbarte, der des Lateinischen mächtig war, um den Kontext der verwendeten Bibelzitate wußte und dem das komplizierte mittelalterliche Konzept der biblischen Typologie geläufig war. Im Zentrum jedes Blattes steht ein Bild aus dem Leben Christi bzw. der Jungfrau Marias; das von zwei „Typen“ aus dem Alten Testament (vornehmlich aus dem Pentateuch und dem Buch der Könige) flankiert wird. Dazu kommen oben und unten vier alttestamentarische Figuren (zumeist König David und drei Propheten), mit Prophezeiungen auf Schriftbändern sowie kurze Paraphrasen aus der Bibel.

Das Standardwerk über die verschiedenen Ausgaben der Biblia Pauperum ist nach wie vor Schreibers „Manuel de l’amateur …“ Band IV. Schreiber identifiziert zehn verschiedene Ausgaben, die er in vier Gruppen einteilt, ohne jedoch eine Reihenfolge der Ausgaben zu etablieren. Die vorliegende Ausgabe VI zählt für ihn zusammen mit den verwandten Ausgaben I und IV zu den frühesten Erzeugnissen, nach einer bisher unbekannten und wohl verlorenen handschriftlichen Vorlage. Neuere Forschungen von Renate Kroll weisen auf die der vorliegenden Edition nahe verwandte Ausgabe IV als die älteste erhaltene Blockbuch-Ausgabe der Biblia Pauperum. Die Ausgabe besteht aus 40 Tafeln, die jeweils als Doppelblätter von 20 Holzstöcken gedruckt wurden. Sie enthält 24 Tafeln (12 Holzstöcke) der Ausgabe IV und 16 neu geschnittene Tafeln (8 Holzstöcke). Die Holzstöcke wurden im Reiberdruckverfahren abgezogen, wobei das Papier auf den mit Tinte eingefärbten Stock gelegt wurde und auf der Versoseite möglichst fest angedrückt wurde (z. B. mit einem Falzbein). Zumeist wurde braune, auf Wasserbasis hergestellte Tinte verwendet, im Gegensatz zur ölhaltigen Druckerschwärze beim Buchdruck. Da die wasserhaltige Tinte auch auf die Rückseiten durchschlug, konnten die Blätter nur einseitig bedruckt werden. Sie wurden mit den Bildseiten zueinander gefaltet und gebunden, wobei fast immer die beiden unbedruckten Versoseiten zusammengeleimt wurden. Dadurch, dass für den Druck keine Presse oder sonstige aufwendige technische Hilfsmittel verwendet wurden, waren die Holzstöcke leicht zu transportieren und konnten an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten abgedruckt werden. Die Holzstöcke sind wohl in den Niederlanden entstanden und zweifelsfrei wurden auch dort Blockbücher von ihnen gedruckt (z. B. das Exemplar der Königlichen Bibliothek Den Haag). Die Wasserzeichen des Botfield-Exemplars weisen jedoch auf einen Druckort in Süddeutschland. Das verwendete Papier entstand in Italien und war für den Export nach Zürich, Süddeutschland (Nürnberg) und weiter nach Wien und auf den Balkan bestimmt. Die Lokalisierung des Druckorts in Süddeutschland ist besonders in Verbindung mit den weiteren dort entstandenen Ausgaben der Biblia Pauperum interessant: zwei deutsche Blockbuch-Ausgaben von Fr. Walther und H. Hurning in Nördlingen (1470) und von Hans Spoerer 1471 (wohl in Nürnberg). Die vorliegende Biblia Pauperum ist daher auch ein hervorragender Zeuge für die Druck- und Verbreitungsgeschichte der Blockbücher. Ein Faksimile dieses Exemplars sowie eine genaue Analyse mit Anmerkungen zum Papier, zur kunst- und buchhistorischen Bedeutung sowie einem Census der bekannten Exemplare, Einzelblätter und Fragmente sollte demnächst in unserer Reihe „Illuminationen” erscheinen, leider hat Prof. Palmer, Cambdridge, aus Altersgründen die Abfassung des Kommentars nicht durchführen können.

Das Blockbuch ist komplett und bestens erhalten. Es ist mit Sicherheit das schönste Exemplar einer Biblia Pauperum auf dem Markt seit fast 100 Jahren. Die Holzschnitte wurden auf starkes Bütten gedruckt und die Abzüge sind, der leicht blassen Tinte zum Trotz, scharf und frisch. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Blätter in früherer Zeit mit den Versoseiten zusammengeklebt waren, was häufig zu Bräunungen oder Verfärbungen des Klebstoffs führte.

Die Doppelblätter wurden getrennt und einzeln auf Falze geheftet. Da der Zwischenraum zwischen den Bildern teils nur 5 mm betrug, ergibt sich ein minimaler Verlust am inneren Rand, der jedoch zumeist nicht über die Einfassungslinie hinausgeht. Die Einfassungs- und Trennlinien sind teils alt mit Tinte verstärkt, ebenso einige Buchstaben; dies wohl zeitlich parallel zur alten Foliierung.