Direkt zum Inhalt wechseln
|

Staatstheater stellt neue Spielzeit 2017/18 vor: fast 50 Premieren und Wiederaufführungen

„Man darf nicht alles glauben, was man sieht“ ist in großen Lettern auf dem Jahresheft 2017/18 des Staatstheater Mainz zu lesen. Leitmotivisch steht das Zitat aus Molières Tartuffe über der neuen Spielzeit und mag als Aufforderung verstanden werden, den Dingen mit Kreativität und offenem Geist auf den Grund zu gehen.
Gemeinsam mit Ina Karr (Chefdramaturgin Oper), Jörg Vorhaben (Chefdramaturg Schauspiel), Honne Dohrmann (Tanzdirektor) und Generalmusikdirektor Hermann Bäumer hat Intendant Markus Müller heute das Programm der kommenden Saison am Staatstheater vorgestellt.
Oper
Das Programm im Musiktheater spiegelt den Leitgedanken
der Spielzeit in besonderer Weise: Mit Georg
Friedrich Händels Saul, Wolfgang Amadeus Mozarts La
clemenza di Tito und Giuseppe Verdis Don Carlo kommen
drei mächtige Werke auf die Bühne des Großen
Hauses, in deren Zentrum der Kampf um Macht, die
Frage nach der richtigen Herrschaftsform und der
immer noch revolutionäre Wunsch nach größtmöglicher
Gedankenfreiheit im Zentrum stehen. Wie sehen
wir die Welt, wie wollen wir sie politisch gestalten
– und wer hat dabei warum das Sagen? Diese hoch
aktuellen Fragen, die wir heute mit den Stoffen verbinden,
zeigen, dass große Kunst ihre Wirkung zu unterschiedlichen
Zeiten auch ganz unterschiedlich entfaltet
und wir immer wieder neue Dimensionen entdecken.
Die alttestamentarische Geschichte um den König Saul
etwa lesen wir dieser Tage, unter dem aktuellen Eindruck
von Machtanmaßung und willkürlich anmutendem
Missbrauch politischer und gesellschaftlicher
Institutionen und Begriffe, völlig neu. Und wenn der
Marchese di Posa in Don Carlo fordert, das gesamte
System in Frage zu stellen, um wirkliche Gedankenfreiheit
zu erlangen, kann es gegenwärtiger kaum mehr
werden. Lydia Steier wird unter der musikalischen
Leitung von Andreas Spering Saul inszenieren, Katrin
Sedlbauer La clemenza di Tito (musikalische Leitung
Samuel Hogarth) und Hausregisseurin Elisabeth Stöppler
nimmt sich in bewährter Zusammenarbeit mit Generalmusikdirektor
Hermann Bäumer des Don Carlo an.
Als Koproduktion mit den Schwetzinger SWR-Festspielen
kommt im Mai 2018 die Uraufführung Argo von
José M. Sanchez-Verdú auf die Bühne des Kleinen
Hauses. Die Antike und die Geschichte des Mittelmeers
bilden den Referenzpunkt des Komponisten. Und wir
können dieses Meer, das seit jeher ein mythischer
Raum der Begegnung und Bewegung und Sehnsuchtsort
zugleich ist, heute gar nicht mehr anders denken als
in Verbindung mit Katastrophen, mit Flucht und Tod.
Regie führen wird Sabrina Hölzer, das Dirigat liegt bei
Hermann Bäumer.
Die Reihe Hörtheater in der Regie von Anselm Dalferth
setzt sich in der Uraufführung Marsch Manipulation mit
der heute virulenten Frage nach Rhetorik und manipulativen
Mechanismen von Sprache und Musik auseinander
und in Sonnenkönige (ebenfalls eine Uraufführung)
mit dem Zwiespalt zwischen Selbstüberschätzung und
Demut. Auch in der Regie von Anselm Dalferth wird
die Deutsche Erstaufführung von Rued Langgaards
Antikrist entstehen – ein faszinierendes Werk, das den
Egoismus und Materialismus der Moderne radikal mit
spirituellen und moralischen Grundsätzen anzweifelt
und den Glauben an das Göttliche als Lösung propagiert.
Die musikalische Leitung liegt bei Hermann
Bäumer.
Wie sehr Politik die Kunst beeinflussen und vereinnahmen
kann – so sehr, dass sie Künstler*innen verhindert
und vertreibt – zeigen die Comedian Harmonists, die in
einer Inszenierung von K.D. Schmidt und musikalisch
geleitet von Paul-Johannes Kirschner im Kleinen Haus
auf die Bühne kommen werden.
Doch auch die vermeintlich ‚leichteren‘ Stoffe – wie das
1983 entstandene Musical La Cage aux Folles – gewinnen
plötzlich eine neue Dringlichkeit, wenn wir nämlich
feststellen müssen, dass wir vielerorts eigentlich
bereits für selbstverständlich gehaltene Standards von
Gleichheit und Emanzipation erneut gefährdet sehen
müssen. Christopher Tölle wird mit Paul-Johannes
Kirschner als musikalischem Leiter die temporeiche
Farce im Großen Haus inszenieren.

Schauspiel
Das Schauspiel am Staatstheater setzt in der kommenden
Saison angesichts von 225 Jahren Mainzer Republik
einen Schwerpunkt auf den Weltreisenden, Revolutionär
und Schriftsteller Georg Forster. Eine schillernde
Person, die es in vielen Facetten noch zu entdecken gilt
und an dessen Schriften entlang sich das Thema Demokratie
diskutieren lässt. Aus diesem Anlass haben wir
uns in Weimar und in Belgien Koproduktionspartner
gesucht und Gegenwartsautor*innen zur künstlerischen
Auseinandersetzung angeregt. In West und Ost wurde
Forster sehr unterschiedlich rezipiert und es wird
interessant sein, beides in Mainz miteinander zu
vergleichen. Lokale Themen von überregionaler
Strahlkraft zu setzen, gehört damit weiter zum Profil
des Staatstheater Mainz. Manifestieren wird sich dieser
Ansatz konkret in der Uraufführung ForsterHuberHeyne
von Rebekka de Wit und Willem de Wolf (als Koproduktion
mit De Koe und De NWE Tijd Antwerpen) sowie in Drei
Mal die Welt, einer Stückentwicklung von Jan Neumann
(Koproduktion mit dem Nationaltheater Weimar).
Mit Shakespeares Hamlet (in der Inszenierung des
leitenden Regisseurs K.D. Schmidt), der Deutschsprachigen
Erstaufführung Dinge, die ich sicher weiß von
Andrew Bovell (Regie: K.D. Schmidt) und dem bereits
eingangs zitierten Tartuffe von Molière (Regie: Christoph
Frick) geht es in die Kampfzone Familie, zu erleben
zunächst in Tragödien- und dann in Komödienform.
Das Private ist natürlich auch hier politisch und die
verzweifelte Suche des Dänenprinzen nach Orientierung
in einem Staate, in dem „etwas faul“ ist, ebenso
wie die Verwirrungen der Figuren angesichts des
charismatischen Heuchlers Tartuffe in ihrer Mitte,
kommen uns heute durchaus schmerzlich nahe. Archaisch
wird es in der vielleicht berühmtesten Familie der
deutschen Literatur: Friedrich Hebbels Die Nibelungen
werden in einer Inszenierung von Jan-Christoph Gockel
im Großen Haus zu erleben sein und „Gemetzel“ ist
wohl kein zu blutiges Wort für die Grausamkeiten, die
als Folge von Vertrauensbruch, Vergeltung und ungezügelten
Trieben begangen werden.
Mit Bezug zur Buchmesse in Frankfurt spielt unser
derzeit politisch so unruhiges Nachbarland Frankreich
eine wichtige Rolle im Spielplan. Neben Molière steht
mit Alexandre Dumas ein weiterer Klassiker auf dem
Programm – Niklaus Helbling wird seine ganz eigene
Sicht auf die berühmten Kämpfer im Namen von Ehre
und Liebe unter dem Titel Musketiere! Oder: Das Nachtklavier
des Kardinals zeigen. Darüber hinaus erweisen
wir der Kulturnation unsere Reverenz mit der Präsentation
von acht Autor*innen französischsprachiger
Gegenwartsdramatik in der Lesung SCÈNE 20.
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Arbeit weist
im Schauspielprogramm des Staatstheaters eine große
Kontinuität auf und wird auch in dieser Saison fortgesetzt.
Hans Falladas Kleiner Mann – was nun? handelt
davon, wie schwer es sein kann, überhaupt Arbeit zu
finden und welche existenziellen Ängste das auslöst. In
der Deutschsprachigen Erstaufführung von Stefano
Massinis 7 Minuten. Betriebsrat geht es um den Kampf,
diese zu behalten, um prekäre Arbeitssituationen und
Arbeitsethik. Mit Simon Solberg, der Falladas Roman
für die Bühne übersetzt, und Carole Lorange freuen wir
uns auf zwei weitere neue Regiehandschriften in Mainz.

Auf ganz unterschiedliche Weise regional geht es zu
bei der Stadtraumerkundung Dark Matters. Die Dunklen
Materien der Stadt, die (wie schon in den vergangenen
Spielzeiten In Arbeit: Neustadt sowie In Zukunft:
Mainz) zu einer kollektiven Spurensuche im Urbanen
einlädt, und bei dem vergnüglichen Liederabend Traube
Liebe Hoffnung von Marc Becker.

tanzmainz
Die Pflege von immer weiter erstarkenden und tragenden
Netzwerken, die kontinuierliche Zusammenarbeit
mit international renommierten Choreograf*innen
und die aufmerksame Suche nach spannenden
Nachwuchskünstler*innen prägen weiter das klar
zeitgenössische Profil der Tanzsparte am Staatstheater
Mainz und die Arbeit des Ensembles von tanzmainz.
Mit Sharon Eyal kommt zum zweiten Mal eine Choreografin
nach Mainz, für die der Begriff Weltstar tatsächlich
nicht zu groß ist. Wir freuen uns sehr, dass sie – in
gewohnter Zusammenarbeit mit ihrem Partner Gai
Behar – die Uraufführung Soul Chain als einzige Arbeit
in Deutschland und mit einer deutschen Compagnie
schaffen und damit die Tanzsaison im Kleinen Haus
eröffnen wird.
Guy Nader und Maria Campos haben in der laufenden
Spielzeit mit ihrer Choreografie Fall Seven Times das
Publikum bei jeder der stets ausverkauften Vorstellungen
unseres Doppelabends Magma förmlich aus den
Sitzen gerissen. Grund genug, sie für die kommende
Saison ins Große Haus zu bitten: Impetus heißt die
Uraufführung, in der – begleitet vom Philharmonischen
Staatsorchester Mainz unter der Leitung von Hermann
Bäumer – die 21 tanzmainz-Tänzer*innen eine einzigartige
Mischung aus Contact, Contemporary, Martial
Arts und Akrobatik tanzen werden.
Hauschoreograf Guy Weizman und Roni Haver gehen
2017/18 außergewöhnliche Wege – sie verlassen das
Theater in der Stadtmitte und erobern Rheinhessen.
Nach dem Dance Walk durch die Innenstadt und Shift
in der Christuskirche folgt also der nächstgrößere
Schritt ins Umland. Allerdings ist es noch ein Weg ins
Ungewisse, denn erstmals hat das Staatstheater eine
Spielstätte ‚ausgeschrieben‘ und wir erwarten derzeit
mit Spannung die Bewerbungen aus der Region.
Mit dem tanzmainz festival UPDATE verbindet sich die
Spurensuche nach den Künstler*innen der Zukunft,
nach verheißungsvollen Talenten und spannenden
Produktionsstätten, mit denen wir uns verbinden
können. Staatstheater und freie Szene tun gut daran,
sich zusammenzuschließen, die Choreograf*innen
erhalten die Chance, in hochprofessionellem Umfeld
ihre Arbeiten zu zeigen und das Publikum ist nah am
ästhetischen Puls der Zeit. Zugleich kann die Arbeit der
eigenen Compagnie dadurch nur befruchtet werden,
sowohl durch direkte künstlerische Inspiration als auch
durch den Kontakt mit unterschiedlichen Arbeits- und
Produktionsformen.

justmainz
Das junge Staatstheater bittet auch 2017/18 wieder auf
die Bühne und lädt sowohl mit seinen Theaterclubs als
auch mit zahlreichen Vermittlungsangeboten und
Workshops zum Mitmachen ein.
Auf dem Spielplan für das junge Publikum finden sich
Produktionen aller Sparten und für alle Altersgruppen
– beginnend mit dem Kindermusiktheater Zweieinander
für Kinder ab 3 Jahren oder Gordon Kampes Kannst du
pfeifen, Johanna für alle ab 6 Jahren über Andreas
Denks Tanzstück Hilfe! ab 8 Jahren bis hin zur Uraufführung
Apollo 11 von Thomas Fiedler (ebenfalls ab 8)und
Die Sprache des Wassers von Sarah Crossan ab 12
Jahren.
Das diesjährige Familienstück ist Peterchens Mondfahrt
von Gerdt von Bassewitz.
Zahlreiche Produktionen der laufenden Spielzeit
erfreuen sich so großer Beliebtheit, dass wir auch in
der nächsten Saison eine große Zahl von Wiederaufnahmen
im Programm haben. Diese zeichnen sich
zusätzlich dadurch aus, dass man sie im Heft zum
Leben erwecken kann: Wer sich im App Store für
Android und IOS die App Staatstheater Mainz Move
herunterlädt, kann auf den Buchseiten bewegte Bilder
sehen …
Das Jahresheft 2017/18 liegt ab sofort im Staatstheater
aus und steht natürlich auch auf der Homepage www.
staatstheater-mainz.com.
Im Juni erscheint die justmainz-Broschüre mit dem ausführlichen
theaterpädagogischen Programm und den
partizipativen Angeboten. Ebenfalls in den nächsten
Wochen wird der umfangreiche Konzertspielplan in
einer eigenen Publikation erscheinen.

Auf ganz unterschiedliche Weise regional geht es zu
bei der Stadtraumerkundung Dark Matters. Die Dunklen
Materien der Stadt, die (wie schon in den vergangenen
Spielzeiten In Arbeit: Neustadt sowie In Zukunft:
Mainz) zu einer kollektiven Spurensuche im Urbanen
einlädt, und bei dem vergnüglichen Liederabend Traube
Liebe Hoffnung von Marc Becker.

Das Jahresheft 2017/18 liegt ab sofort im Staatstheater
aus und steht natürlich auch auf der Homepage www.staatstheater-mainz.com.
Im Juni erscheint die justmainz-Broschüre mit dem ausführlichen
theaterpädagogischen Programm und den partizipativen Angeboten.

Ebenfalls in den nächsten Wochen wird der Konzertspielplan in
einer eigenen Publikation erscheinen.

foto: andreas etter