Text: Nicola Diehl
Fotos: Frauke Bönsch
Eigentlich ist es Gabriele Lehnert ja gewöhnt, dass Leute die Tür hereinspazieren und neugierig betrachten, was da so an ihren Wänden hängt. Schließlich ist sie seit 1998 Betreiberin der Mainzer Altstadtgalerie im Kirschgarten 9. Für sensor hat sie nun auch die Tür zu ihrem privaten Zuhause geöffnet und uns gezeigt, dass sogar ihr Kater Moritz gerne Bilder anschaut.
Das verwunschene Haus, in dem Gabriele Lehnert zusammen mit ihrem Mann Karl-Heinz (beide 55) wohnt, finden wir in der Kapellenstraße in Mainz-Gonsenheim – wenn man so will im Villenviertel von Mainz. Hier reiht sich ein Prachtbau an den anderen. Dazwischen alte, massive Bäume, die mit ihren Spitzen schwindelerregende Höhen erklimmen. Kein Wunder: Vor vielen Jahren gehörte das Gebiet rund um die Kapellenstraße noch zum angrenzenden Lennebergwald hinzu. Ende des 19. Jahrhunderst begann die Besiedlung und mittlerweile steht ein Großteil des „Waldvillenviertels“ unter Denkmalschutz. Und wer durch die Straßen spaziert, hat tatsächlich das Gefühl, dass die Häuser Geschichten aus längst vergangenen Tagen erzählen: von gut betuchten Beamten, Kaufleuten und Fabrikanten, die hier in der gesunden Waldluft ihren Müßiggang pflegten.
Heute beugen sich die Kronen der noch übrig gebliebenen Bäume schützend über die hohen Villendächer. Haus Nummer 24 fällt trotzdem auf und hebt sich von den übrigen Häusern ab. Im „Schweizer Stil“ wurde es 1904 erbaut und ist damit eines der ältesten Häuser in der Kapellenstraße. Früher war es ein Mädchenpensionat und das Doppel-X-Chromosom hat sich auch danach durchgesetzt. „Als ich 1992 eingezogen bin, haben drei Frauen das Haus bewohnt. Das war schon was Besonderes damals. Nach und nach kamen dann die Männer dazu“ schwelgt Gabriele Lehnert in der Vergangenheit. Heute leben hier insgesamt vier Parteien verteilt auf vier Stockwerke, unter anderem eine junge Familie und ganz oben zwei Studenten. Man versteht sich gut.
Den Lehnerts gehört das Erdgeschoss. Beim Betreten der Wohnung stehen wir direkt im Kochbereich. Der ist das Zentrum der Wohnung. Von hier aus erreicht man alle anderen Räume. Hier geht Karl-Heinz Lehnert seiner Kochleidenschaft nach und es ist der Ort, an dem beide gemeinsame Zeit mit Familie und Freunden verbringen. Die Liebe zur Kunst fällt erst beim Betreten der weiteren Räumlichkeiten auf: Zahlreiche Bilder bekleiden die Wände und aus allen Ecken und Enden blinzeln filigrane Skulpturen hervor. Innenarchitektur wollte Gabriele Lehnert ursprünglich studieren; das Sofa im Wohnzimmer – ein Designmöbel der „Ligne Roset“ – ist eine Reminiszenz daran. Letzten Endes jedoch hat es sie zur Kunst gezogen. Absolutes Herzstück ihres Mannes ist der Delphinreiter von E. Albrecht Langenberg, der sich optisch unauffällig in die Physiognomie des Ofens einfügt. „Zu Hause entscheidet mein Mann, welche Bilder wir aufhängen“, erzählt Gabriele.
Man hat das Gefühl, dass die beiden sich perfekt ergänzen: einmal zusammen erlebt, ist der Eine kaum noch vom Anderen zu unterscheiden. Beide versprühen viel Lebensfreude, lachen gerne und wirken gleichzeitig sehr bodenständig.
Genauso gemütlich wirkt auch die Wohnung, selbst wenn nicht alles perfekt ist, hier und da ein wenig weiße Farbe von den Altbautüren splittert und der Garten wild und verwunschen liegt. Und ein wenig beißt sich auch die Kunst für Kater Moritz mit der großformatigen Leinwand im Wohnzimmer. Aber gerade das schafft die Wohlfühl-Atmosphäre bei den Lehnerts im Villenviertel von Mainz. Danke für den netten Nachmittag.