Wer das kleine Haus von Selma Kirschner in Mombach betritt, zu dem spricht die Liebe aus jedem Detail: Liebe zur Selbstverwirklichung, Liebe zu Farben und eine Liebe zur Geschichte des Hauses. „1923 wurde es vom Glaserfritz und der Josephine gebaut. Sie waren meine Ur-Ur-Großeltern“, erzählt Selma, während sie den Espressokocher von der Campingkochplatte in der noch provisorisch eingerichteten Küche nimmt. Das Häuschen war damals das erste in der mit Kopfstein bepflasterten Straße, dahinter nur Felder und Wälder. Nach dem Ableben der Großeltern blieb das Haus in der Familie und war schon bald voller Leben. Drei Generationen wohnten darin: drei Kinder, in der Mitte die Eltern und im Erdgeschoss die Urgroßeltern. „Und im Badezimmer das Fräulein Pfeiler“, lacht Selma, eine unverheiratete Studentin mit indischem Freund, war damals bei den Kirschners untergekommen. Knapp 70 Jahre später wurde Selma dann selbst hier geboren. Sie wuchs zunächst in Kastel auf, studierte nach ihrem Abitur Schauspiel und nachdem ein paar Jahre verstrichen waren wurde (ein wenig aus einer Not heraus) die Idee geboren: aus alt mach neu! Die Renovierungsarbeiten konnten beginnen…
Aus grau mach bunt
Selma musste den alten Boden rausreißen, um die schönen Holzdielen freizulegen, diese anschließend abschleifen und lackieren. Es kostet ein wenig Mühe, das Schöne im Alten zu entdecken und es herauszuputzen, und nicht selten ist man überrascht, was unter dem Wohlbekannten zum Vorschein kommt. Selma verlegte auch bunte Fliesen, kaufte gebrauchte Möbel und versah die Wände mit einem frischen, neuen Anstrich. Nun ist kein Zimmer wie das andere, aber doch alles sorgsam durchkomponiert. Es ist die Lust am Gestalten und jedes Zimmer neu zu erfinden. Im Wohnzimmer treffen Türkistöne auf Orange, das Bad ist in graugelb gehalten und im Arbeitszimmer gibt es als Pinnwand die Tafel aus Kork. Nach und nach werden die Zimmer modern, bunt und gemütlich, ohne dass der Charme des Alten verloren geht.
Aus Spiel mach Kunst
Die Renovierungsarbeiten stoppten nur, als sie neben der Schauspiel- eine weitere Ausbildung als Theaterpädagogin in Heidelberg machte. Eingezogen war sie dann trotzdem schon als Bad und Schlafzimmer fertig waren, und auch jetzt renoviert sie immer dann weiter, wenn der Spielplan am Rhein-Neckar-Theater in Mannheim und die theaterpädagogischen Projekte in Heidelberg es erlauben. So wie sie das Haus entwirft, so muss Selma auch ihren Beruf immer wieder neu entwerfen: ein Patchwork-Leben, zusammengesetzt aus verschiedenen Bausteinen. Und alles beginnt mit den Ideen. Dass nichts in festen Bahnen läuft ist natürlich manchmal anstrengend: „Das einzige Ritual ist für mich der Sonntagabend-Krimi.“ Aber so wird es wenigstens nicht langweilig.
Aus leis mach laut
In der Küche hängt noch heute ein alter Spruch: 6 sind geladen, 9 sind gekommen, gib Wasser zur Suppe, heiß alle Willkommen. „Meine Oma hatte, als sie noch lebte, den gleichen Spruch gestickt an der Wand hängen. Er hat mir so gut gefallen, also hat meine Schwester mir dieses Exemplar geschenkt. Jetzt gefällt er mir auch optisch gut.“ Und Gäste sind tatsächlich immer gern gesehen; auch Freunde, die unter der Wohnungsknappheit leiden, konnten in einem hübschen, kleinen Zimmer bereits kurzfristig untergekommen. Erst kürzlich wurde die erste Party gefeiert. Schauspieler aus Heidelberg kamen zu Besuch, der Tisch wurde im letzten Moment in das neue Wohnzimmer gebracht und sofort für alle gedeckt. Es ist wieder Leben eingekehrt in die Hausnummer 52. Danke an die Hausbegründer, auf die der Blick beim Hinausgehen schweift. Eingerahmt hängen sie in schwarz-weiß neben der Eingangstür: Was da ist erhalten. Passt ja auch ganz gut zu dem Vintage-Gedanken unserer Zeit.
Text Lena Frings Fotos Frauke Bönsch