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Situation entspannt sich: Immer mehr Menschen verlassen Flüchtlingsunterkünfte

aus der Allgemeinen Zeitung von Nicholas Matthias Steinberg

Die Situation in den neun bestehenden Flüchtlingsunterkünften in Mainz entspannt sich weiter. Alleine im Jahr 2018 sind laut Stadt bis zum 24. Juni 350 Menschen ausgezogen. Sie zogen in eigene Wohnungen, wurden ausgewiesen oder verließen Deutschland freiwillig, erklärt Claus Hensel, Leiter des Amtes für soziale Leistungen.

Demgegenüber stehen 169 Zuzüge in 2018; darunter der Kommune zugewiesene Personen und Familiennachzügler. 2017 zogen 693 Personen aus, 289 zogen zu. Der rückläufige Belegungstrend setzt sich fort. Aktuell ist in den Unterkünften Platz für 1795 Menschen. 1480 Betten sind belegt – was einer Auslastung von 82 Prozent entspricht. „Immer mehr finden Arbeit, ziehen in eigene Wohnungen“, berichtet Sozialdezernent Dr. Eckart Lensch.
Die Stadt reagierte in der Vergangenheit immer wieder auf die rückläufigen Belegungszahlen. Zuletzt zum 31. Januar dieses Jahres, als die Einrichtung in der Wilhelm-Quetsch-Straße in Bretzenheim mit 65 Plätzen sowie drei Wohnhäuser in der „Housing-Area“ in Gonsenheim mit jeweils 60 Plätzen geschlossen wurden. Im Sommer 2017 hatte die Stadt bereits die Container-Anlage auf der Zitadelle mit 50 Plätzen geschlossen. Ebenfalls geräumt wurde die Unterkunft in der Elly-Beinhorn-Straße in der Oberstadt. Das Allianzhaus ist die neueste Unterkunft. Das Gebäude wurde im April 2017 bezogen. „Wir beobachten die Zahlen natürlich“, erklärt Lensch. Konkrete Pläne, weitere Unterkünfte zu schließen, gebe es aktuell jedoch nicht.

Etwa ein Drittel der Bewohner befinde sich in einem Asylverfahren: Über ihren Antrag wurde noch nicht entschieden oder aber sie haben eine Widerspruchsklage eingereicht und sind geduldet. Rund zwei Drittel der Bewohner sind als Flüchtlinge anerkannt, so Hensel.

„Herausforderungen nehmen nicht ab, sie verschieben sich“

Zuständig für die Unterkünfte ist die Abteilung Allgemeine Hilfen, angesiedelt beim Amt für soziale Hilfen. Vier Kräfte kümmern sich schwerpunktmäßig um die Einrichtungen, berichtet Abteilungsleiter Ralf-Dieter Scheib. Hauptsächlich gehe es um die technische Instandhaltung. Seine Abteilung koordiniert Abläufe, hält Kontakt zu den drei Organisationen Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Stiftung Juvente und Malteser Werke, die die soziale Betreuung übernehmen. Mitarbeiter unterstützen die Bewohner im Alltag, geben Hilfestellungen bei Behörden- und Schulangelegenheiten, aber auch bei Job- und Wohnungssuche. Zudem dokumentieren sie die Situation vor Ort, schreiben Berichte für die Stadt.

In Häusern mit unter 300 Bewohnern sind werktags von 8 bis 17 Uhr Betreuer vor Ort, bei über 300 Bewohnern von 7 bis 20 Uhr. In den Abendstunden und an den Wochenenden übernehmen Objektschützer – zumindest in den größeren Einrichtungen wie dem Allianzhaus, in der Zwerchallee oder in der Housing Area. In kleineren Unterkünften halten Bewohner Nachtwache. „Das sind Wohnhäuser, keine Gefängnisse oder Heime“, sagt Lensch. Dennoch hätten Flüchtlingsunterkünfte einen besonderen Status, gerade in der öffentlichen Wahrnehmung. Deswegen sind sie auch rund um die Uhr besetzt. Zudem gehe es darum, die Hausordnung – etwa die Besuchszeiten bis 21 Uhr – durchzusetzen.

Betreuungsleiter für die von den Malteser Werken betreuten Unterkünfte ist Behrouz Asadi. Er legt großen Wert darauf, dass sich die Menschen integrieren, aber auch als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft gesehen werden. Der Rückgang der Bewohnerzahlen sei zwar spürbar,„aber die Herausforderungen nehmen nicht ab, sie verschieben sich“. Und auch Eigenverantwortung gibt Struktur. Es sei richtig, die Bewohner selbst für Nachtwachen einzusetzen, so Asadi.

Anzahl der Straftaten geht zurück

Auch bei der Polizei haben die Unterkünfte eine besondere Stellung, stehen auf einer Objektschutzliste, auf der bis zu 30 schutzbedürftige Einrichtungen in der Stadt aufgeführt sind, bestätigt Polizeisprecher Rinaldo Roberto. Auch Synagogen zählen dazu. Die Unterkünfte werden aber nur anlassbezogen betreten. In den Jahren 2015 und 2016 fuhren Streifen sie noch explizit an, um Protesten und Übergriffen vorzubeugen. „Wir sind inzwischen nur vor Ort, wenn es um Ermittlungen geht“, so Roberto.

Doch Einsätze bleiben nicht aus. Vor Ort treffen viele Menschen, verschiedene Sprachen und Kulturen aufeinander. In 2017 registrierte die Polizei 99 Straftaten; darunter 38 Körperverletzungen. In zwölf Fällen ging es um gefährliche Körperverletzung mit Gegenständen oder Waffen. Zudem handelte es sich unter anderem um Beleidigung (10), Sachbeschädigung (6) und sexuelle Übergriffe (5). Gegen einen 25-Jährigen wird wegen versuchter Tötung ermittelt: Er soll einen Mülleimer aus einem Fenster des Allianzhauses geworfen haben. Doch die Anzahl der Straftaten geht zurück. In diesem Jahr registrierte die Polizei bis Ende Juni 32 Straftaten.

Foto: Sascha Kopp