Wie am Rande des Termins des Aufbaus der neuen Salzbachtalbrücke in Wiesbaden bekannt wurde, soll die Osthälfte der Schiersteiner Brücke nun doch früher in Betrieb genommen werden als geplant: Im Sommer 2023 wird der Verkehr über beide Brückenhälften fließen, auch wenn der Abschnitt bis zum neuen Schiersteiner Kreuz dann noch eine Baustelle ist.
Auch in Richtung Mainz wird nach der Brückenfertigstellung gebaut werden. Der parlamentarische Staatssekretär des Bundes-Verkehrsministerium, Oliver Luksic, lässt verlauten, dass es beim sechsspurigen Ausbau dieses Abschnitts des Mainzer Rings bleiben wird und dass Mainzer Wünsche, es bei einem vierspurigen Ausbau zu belassen, in Berlin nicht gehört werden. Wiesbadens Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Die Grünen) nannte es richtig, dass Ländergrenzen beim Ausbau des Autobahnnetzes keine Rolle mehr spielen. Der Mainzer OB Michael Ebling und Verkehrs- und Umweltdezernentin Janina Steinkrüger machten sich dagegen in einem Schreiben vor einigen Monaten an Bundesminister Volker Wissing zum geplanten Ausbau der Bundesautobahn 643 am Mombacher Sand für eine „4+2“-Lösung stark und appellierten von der vorgesehenen „6+2“-Variante Abstand zu nehmen.
CDU und FDP unterstützen Ausbau
Die Wiederholung falscher Argumente macht sie nicht besser, sagt dagegen die Gonsenheimer Ortsvorsteherin Sabine Flegel (CDU). Es genüge eben nicht, wenn man die Verkehrswege „auf Kante näht“. Jede Störung auf der A 643 verursache ein veritables Verkehrschaos in den anliegenden Ortsteilen wie in Gonsenheim aber auch in Mombach. Betrachte man die Berechnungen im Detail, so stelle sich heraus, dass die Vorteile der „kleinen“ Lösung gering, die Nachteile aber groß sind.
So rechnet auch Wolfgang Oepen, Gonsenheimer FDP-Vorsitzender und Ortsbeiratsmitglied vor, dass der Unterschied der beiden Lösungen beim Flächenverbrauch nur 400 m² im FFH-Gebiet und weitere 600 im Naturschutzgebiet betrage.
Nur mit der sechsspurigen Lösung werde das Naturschutzgebiet die dringend erforderliche Grünbrücke erhalten können, die eine fast ebenso große Fläche umfasse, wie für die Spuren zusätzlich verbraucht würden, meinen beide Politiker. So werde der Landschaftsverlust fast wieder ausgeglichen und zugleich die Verbindung zwischen den beiden Teilen des Naturschutzgebietes wiederhergestellt. Ebenfalls nur mit der sechsspurigen Lösung könne es einen Lärmschutz für die Anwohner der Autobahn geben.
Auch an den verkehrlichen Argumenten der Stadtspitze lassen Flegel und Oepen kein gutes Haar. „Wenn es das Ziel von Ebling und Steinkrüger ist, den Verkehr aus der City zu verdrängen, muss man dafür alternative Routen schaffen.“ Oepen verweist auch auf die aktuelle Beschlusslage seiner Landespartei, mit der Forderung, dass möglichst viele Mobilitätsformen nebeneinander Raum haben müssen, um ein möglichst breites Angebot zu haben und um Engpässe zu vermeiden. Flegel zitiert dabei auch noch Stellungnahme der CDU-Arbeitnehmerorganisation CDA aus dem Februar 2022 und warnt: „Jeder Stau auf der Autobahn kostet die Berufspendler wertvolle Lebenszeit, die für Familie verloren ist.“
Schon seit den ersten Diskussionen über den Ausbau des Mainzer Ringes hat sich die CDU immer dafür eingesetzt, eine leistungsfähige Verkehrsverbindung außerhalb des Stadtbereiches zu schaffen, um die Innenstadt endlich zu entlasten. „Es waren SPD und die Grünen, die diese Entlastung der Ìnnenstadt seit Jahrzehnten immer wieder blockiert haben und aktuell weiter blockieren.“ Zu einer funktionierenden Verkehrswende gehört es, diejenigen Strecken, die im ÖPNV, zu Fuß oder per Fahrrad zurückgelegt werden können – und die liegen vor allem im hochverdichteten Siedlungsbereich der Kernstädte – vom Individualverkehr zu entlasten, und für diejenigen Verbindungen, die nicht vom schienengebundenen ÖPNV angeboten werden können, leistungsfähige Straßen vorzuhalten. Eine ideologische Anti-Auto-Politik führt nicht zu einem umweltfreundlicheren Verkehr, sondern zu mehr Stau, mehr Feinstaub und mehr CO2, so Oepen und Flegel.
Zur Leistungsfähigkeit des Straßennetzes gehöre es nun mal auch, dass die Straßenverbindungen noch funktionieren müssen, wenn es zu Unfällen, Straßenschäden oder Baustellen kommt. Insofern müsse immer eine gewisse Reserve vorgehalten werden. „Es wird nicht funktionieren, PKW-Fahrer durch vorsätzlichen Stau auf den ÖPNV zu zwingen, wie es sich manche Grüne in ihren Träumen ausmalen“, ergänzt auch der CDU-Fraktionsvorsitzende im Gonsenheimer Ortsbeirat Mathias Huber „Stau kostet Geld, Nerven und gefährdet die Gesundheit“. Vielmehr funktioniere der Umstieg auf den ÖPNV nur, wenn dafür die nötigen Mittel bereit gestellt werden. So sieht es auch Oepen, zumal trotz aller Anstrengungen der Verkehrspolitik die Zahl der zugelassenen PKW in Mainz immer weiter wächst: Die Verkehrsinfrastruktur müsse immer als Einheit geplant werden: Ein Gegeneinander von Straßenbau- und ÖPNV dürfe es nicht geben. Nicht jede ÖPNV-Verbindung kann über separate Bahnkörper abgewickelt werden. Deswegen wird auch der ÖPNV unattraktiv, wenn die Busse im unnötigen Stau hängen bleiben, so Flegel. Und Oepen ergänzt mit Blick auf die Zukunft: Im Bund werde versucht, CO2-freien Individualverkehr voranzubringen. Spätestens wenn das funktioniert, verliere das CO2-Argument gegen das Auto jeden Wert.
Die Ankündigung des Staatssekretärs findet daher die volle Unterstützung, auch der Mainzer FDP-Stadtratsfraktion. Die so intensiven wie langwierigen Prüfungen der verschiedenen Ausbauvarianten hätten schlussendlich als Ergebnis den bereits skizzierten vollumfänglichen Ausbau als beste Variante gezeigt. Der immer wieder vorgebrachte Einwurf, mit zwei zusätzlichen Spuren sei ein nicht vertretbarer Flächenverbrauch verbunden, habe schlussendlich nicht überzeugen können: „Die Eingriffe durch einen sechsspurigen Ausbau sind gegenüber anderen Lösungen weniger gravierend, zumal auch auf den Natur- und Landschaftsschutz Rücksicht genommen wurde. Nur mit einem vollumfänglichen Ausbau können wir Gonsenheim und Finthen vom Durchgangsverkehr entlasten und den Lärmschutz für die Anwohnerinnen und Anwohner von Mombach gewährleisten“, sagt FDP Vorsitzender David Dietz. „Wenn es gelingen soll, dass wir die Stadt mit weniger Autoverkehr belasten, dann ist eine Stärkung der Autobahn- und Zubringertrassen rund um Mainz unumgänglich“, so der Freidemokrat. Die zuständige Autobahn GmbH sei daher nun gefordert, das Vorhaben schnellstmöglich umzusetzen.
SPD Mainz: A 643-Ausbau unverantwortlich
Als nach wie vor unverantwortlich bezeichnet die Mainzer SPD den geplanten sechsspurigen Ausbau der A 643. Gleichzeitig übte die Partei Kritik am Wiesbadener Verkehrsdezernenten Andreas Kowol (Grüne). „Ein neues Argument hat das Bundesverkehrsministerium nicht vorgelegt, es hat nur seine bekannte Haltung wiederholt“, erklärten die beiden SPD-Vorsitzenden Mareike von Jungenfeld und Christian Kanka. „Unsere Ablehnung bleibt also unverändert. Wir wollen nicht, dass das Naturschutzgebiet, das von der Autobahn durchschnitten wird, weiter geschädigt wird.“
Verblüfft und empört zeigten sich von Jungenfeld und Kanka von Äußerungen des Wiesbadener Verkehrsdezernenten Andreas Kowol, der den Ausbau ebenfalls für notwendig hält: „Das ist gerade für einen Grünen-Politiker eine völlig unverständliche Haltung“, so die beiden SPD-Vorsitzenden. „Wir brauchen dringend effizientere und umweltschonendere Formen der Mobilität. Der Ausbau gerade dieser Autobahn gehört nicht dazu.“ Allerdings habe die Stadt Wiesbaden auch den Bau der Citybahn abgelehnt, ein Projekt, das die Mobilität im westlichen Rhein-Main-Gebiet wesentlich vorangebracht hätte. Insofern sei das Plädoyer für den Autobahnausbau nicht verwunderlich. „Aber dass dies ein führender, in politischer Verantwortung stehender Repräsentant der Grünen auch so sieht, ist irritierend“, so von Jungenfeld und Kanka.
Kanka, der auch Ortsvorsteher in Mainz-Mombach ist, appelliert an alle Verantwortlichen bei der Betrachtung der Notwendigkeit eines Ausbaus realistisch zu bleiben. „Das würde bedeuten, dass man die Lage nach aktuellem Stand beurteilt und nicht den Stand von vor zehn Jahren als Begründung heranzieht. In der Zwischenzeit hat sich verkehrstechnisch einiges getan, so dass es keine Notwendigkeit für einen sechsspurigen Ausbau gibt.“
Mainzer GRÜNE gegen den sechsspurigen Ausbau
Mit Unverständnis reagiert auch der Kreisverband von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mainz auf Aussagen des Wiesbadener Verkehrsdezernenten Andreas Kowol (GRÜNE), wonach der Ausbau der A643 auf sechs Spuren alternativlos sei.
Dazu sagt Jonas König, Vorsitzender der Mainzer GRÜNEN: „Die A643 verläuft durch ein Naturschutzgebiet von europäischem Rang. Jeder Quadartmeter ist schützenswert. Eingriffe müssen also auf das mindeste beschränkt werden. Wir als GRÜNE in Mainz setzen uns, gemeinsam mit einem breiten Bündnis, dafür ein, den Ausbau auf maximal 4+2 Spuren zu begrenzen. Eine Lösung, bei der zu Stoßzeiten trotzdem sechs Fahrstreifen zu Verfügung stehen könnten. Herr Kowol irrt, wenn er denkt, die Wiesbadener Verkehrsprobleme ließen sich im Naturschutzgebiet Mainzer Sand lösen. Die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt, dass mehr Straßen zu mehr Verkehr führen. Damit werden die Verkehrsprobleme in Wiesbaden größer statt kleiner. Zudem erwarten wir von Bundesverkehrsminister Wissing, dass er sich an den Koalitionsvertrag hält und den dort angestrebten Infrastrukturkonsens im Dialog mit den Umwelt- und Naturschutzverbänden umsetzt. Statt mehr Straßen zu bauen, dazu noch mit dem Stil einer Basta-Politik, wie man sie von den CSU-Vorgängern kennt, braucht es substanzielle Verbesserungen des Schienenverkehrs, als Rückgrat der Verkehrswende.“
Petition gestartet
Eine Initiative Mainzer Umwelt- und Verkehrsinitiativen und -Verbände startete im März eine Online-Petition (http://www.openpetition.de/!keina643ausbau) und Unterschriftenaktion „Kein Ausbau der A 643 im Naturschutzgebiet“, um das Planfeststellungsverfahren auszusetzen (wir berichteten).