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Schwitzende Bauern: Der trockene Sommer in Mainz und seine Folgen

Sven Schmitt ist unzufrieden. Der Finther Obstbauer pflückt eine Zwetschge von einem seiner Bäume und hält sie neben eine Schablone aus Kunststoff. „Normalerweise sollte die jetzt zwischen 35 und 40 Millimeter im Durchmesser haben“, sagt er, „die hier haben gerade einmal 30.“ Was nach einem kleinen Unterschied klingt, wird ihm in den nächsten Wochen Einbußen bei der Ernte bringen. Insgesamt schätzt er den Ertrag seiner Zwetschgenbäume auf 20 Prozent geringer als im Vorjahr. Grund: die Trockenheit.

Verbrannte Äpfel

Nicht weniger schwer trifft es seine Äpfel. Die Ernte steht in wenigen Wochen an. „Apfelbäume wurzeln flach, gerade mal 50 Zentimeter“, sagt Sven Schmitt. Im sandigen Finther Boden trocknen sie bei ausbleibendem Regen also schnell aus. Die Früchte sind zudem nicht nur kleiner, sondern auch blasser. Um eine knackige Röte zu entwickeln, brauchen sie einen „Kältereiz“, einen Temperaturunterschied, der bei der anhaltenden Hitze nicht gegeben war. Doch damit nicht genug: Die starke Sonneneinstrahlung hat bei vielen Äpfeln für Verbrennungen gesorgt. Erhebliche Teile der Ernte landen mit fauligen braunen Stellen in der Tonne. „Am schlimmsten war es aber für unsere Arbeiter. Bei der Hitze hält man es hier draußen kaum aus.“ Obwohl für Sven Schmitts Obst das Schlimmste vorüber ist, hat er mit den Folgen zu kämpfen. Die Bäume sind nachhaltig geschädigt und werden auch im nächsten Jahr weniger Früchte tragen. Bereits 2017 machte ihm das Wetter zu schaffen, damals in Form von Sturm und Hagel. „Gegen diese Extreme müssen wir uns wappnen.“ Eine Süßkirschanlage ist bereits überdacht, andere werden künstlich bewässert. Bei den Zwetschgen würde sich der Aufwand nicht rechnen, dafür bringen sie nicht genug Umsatz. Die insgesamt 55 Hektar Anbaufläche des Familienbetriebs künstlich zu bewässern würde 400.000 Euro kosten.

Jahrhundertjahrgang beim Wein?

Was dem Obstbauern schadet, ist des Winzers Glück. Manch einer spricht bereits von einem „Jahrhundertjahrgang“. Doch stimmt das wirklich? Die Winzer stehen in der Tat besser da. Weinreben wurzeln bis zu zehn Meter tief und sind gegen Trockenperioden gut gerüstet. Die Hitze trägt zu einem vollen Aroma bei. Die Trauben enthalten mehr Zucker und Alkohol. Gleichzeitig geht jedoch die Säure zurück, die der Wein ebenfalls benötigt, um einen ausgewogenen, frischen Geschmack zu entwickeln. „Hitze ist gut, Trockenheit aber nicht“, erklärt Marcus Clauß vom Weingut Zehe-Clauß in Hechtsheim. Besonders die jungen Reben brauchen viel Wasser. Bekommen sie es nicht, fallen ihre Blätter zu früh und die Trauben bleiben klein und schlaff. Sorge bereiten ihm vor allem die jungen Silvanerreben. Und letztendlich hat die Hitze seinem Wein doch noch mehr geschadet als genutzt, da er in der Gesamtmenge erheblich weniger Trauben ernten kann.

Die Lese ist dank des beschleunigten Wachstums in diesem Jahr besonders früh. Manche Weingüter schenken bereits den ersten Federweißer aus. Marcus Clauß wartet noch etwas und hofft auf trockenes Wetter. Wenn es kurz vor oder während der Lese regnet, sind die Trauben anfälliger für Pilzerkrankungen. „Im Grunde ist es jedes Jahr dasselbe“, relativiert Clauß, „die Qualität des Weines entscheidet sich in den letzten Wochen vor der Lese.“

Rheinhessische Landwirtschaft verschont

Neben Wein und Obst werden in Mainz vor allem Getreide und Zuckerrüben angebaut. Den frühen Weizen hat die Hitzewelle kaum betroffen. Die Zuckerrüben ließen hingegen traurig ihre Blätter hängen. „Die brauchen dringend Wasser“, sagt Andreas Köhr vom Bauern- und Winzerverband Rheinland- Pfalz Süd. „Da werden wir in diesem Jahr keine Spitzenerträge erzielen. Aber alles in allem ist das eine sehr widerstandsfähige Frucht.“ Ein Wermutstropfen war der Raps, der im Frühjahr unter den Temperaturschwankungen gelitten hatte. Im Vergleich stehe Rheinhessen trotzdem gut da, so Köhr, während es der Landwirtschaft im Rest von Deutschland sehr schlecht geht. Der Deutsche Bauernverband fordert bereits jetzt eine Milliarde Euro Finanzhilfen vom Bund.

Trockene Innenstadt, tote Fische

Nicht zuletzt in der Stadt ächzen Mensch und Tier unter den Temperaturen. Parks und Wiesen sind vertrocknet. Der Rhein führt seit Wochen Niedrigwasser. Während auf eine Bewässerung der Rasenflächen verzichtet wird, werden die Grünanlagen der Innenstadt mit 12.000 Litern Wasser täglich versorgt. Anwohner können die Bäume in ihren Straßen selbst gießen. Die Feuerwehr warnt vor einer erhöhten Waldbrandgefahr. Der Mainzer Wasserverbrauch schießt so durch die Decke. Auch die Fische sind in Bedrängnis. Der Stand des Altrheins ist von 3,20 Metern auf zwei Meter gefallen. Viele Pflanzen, die das Wasser mit Sauerstoff versorgen, liegen auf dem Trockenen. „Besonders ältere Fische überleben das oft nicht“, sagt Hans Jürgen Oehl vom Angelsportverein Gonsenheim. Zwar gab es in Mainz kein drastisches Fischsterben wie in anderen Regionen Deutschlands, doch einige tote Tiere wurden bereits angespült. Problematisch sind vor allem die Seitenarme mit wenig Strömung. Die kritische Schwelle von 28 Grad hat die Wassertemperatur mancherorts bereits überschritten. „Teilweise haben wir 30 Grad gemessen“, sagt Oehl besorgt, „bis sich das wieder einpendelt kann es Wochen dauern.“

Klimawandel wird sichtbar

Im Großen und Ganzen ist die Region mit einem blauen Auge davongekommen. Die Ernteausfälle sind ärgerlich, aber nicht existenzgefährdend, die Temperaturen unangenehm, aber nicht lebensbedrohlich. Doch Experten warnen: An Sommer wie diesen werden wir uns gewöhnen müssen. Heftige Hitze- und Dürreperioden wechseln sich mit Starkregen und Stürmen ab. Extreme, für die auch Bauern und Winzer nicht gerüstet sind. Die Erfahrungen der Mainzer Landwirte bestätigen den Eindruck. Die Weinlese hat sich in den letzten 20 Jahren stetig verfrüht, ebenso die Getreide- und Obsternte. Wenn das Wetter in kommenden Jahren so unberechenbar bleibt, werden auch die rheinhessischen Bauern bald auf Unterstützung angewiesen sein.

Text Ida Schelenz Fotos Domenic Driessen