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Schweres Erbe Mogontiacum: Der schwere Umgang mit dem römischen Erbe von Mainz

Die Spuren des römischen Mainz reichen 2.000 Jahre zurück. Für die Sichtbarkeit und Erhaltung der historischen Denkmäler ist nicht immer gesorgt. Vieles wird auf den Händen ehrenamtlichen Engagements getragen. Ganz tatenlos ist die Stadt jedoch nicht:

Für die Sichtbarkeit und die Erhaltung des römischen Mainz kämpft die Initiative Römisches Mainz (IRM) schon seit über zwei Jahrzehnten. Deren Vorsitzender Christian Vahl kritisiert aktuell den Umgang der Stadt mit dem historischen Erbe: „Mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen, erreicht man allenfalls die Erhaltung der Denkmäler.“ Das ist dem Vorsitzenden der Initiative zu wenig. „Vieles funktioniert nur, weil es auf den Schultern von Ehrenamtlichen und engagierten Bürgern ruht. Um Mainz als Römerstadt sichtbar zu machen, bedarf es einer gewaltigen Finanzspritze.“ Und selbst die Erhaltung der Denkmäler ist nicht immer gewährleistet. Die Überreste des Aquädukts, die sogenannten Römersteine im Zahlbachtal, weisen Verfallserscheinungen auf. Für Vahls Stellvertreterin, die ehemalige Landesarchäologin Marion Witteyer, eine fatale Situation: „Wenn wir es nicht hinbekommen, unsere Umwelt und historische Überreste zu vereinen, ohne das eines zu kurz kommt, werden die Fundamente der Römersteine irgendwann sehr stark beschädigt sein.“

Dieses Pfeilerfundament hat Gerd Rupprecht einst selbst ausgegraben. Christian-Friedrich Vahl zeigt einen Baum, dessen Wurzeln an das Fundament eines Römersteines stoßen.

Forderung nach einem konkreten Plan

Tatenlos ist die Stadt nicht ganz: Im Haushaltsjahr 2024 wurde auf Grundlage des Stadtratsbeschlusses und dem darauffolgenden Antrag der IRM ein Betrag in Höhe von 25.000 Euro als Sonderförderung bewilligt, zweckgebunden für die „Instandhaltung, Revision, Erneuerung und Sanierung“ der Ausstellung „Isis-Heiligtum“ in der Römerpassage. Passiert ist auch zuletzt etwas am sogenannten Drususstein auf der Zitadelle. Dieser wurde restauriert und konserviert. „Eine tolle Sache“, so Vahl, doch das reiche nicht. Der Initiative gehe es nicht nur um Finanzspritzen und Restaurierungen, sondern um konkrete Pläne. Bestrebungen in der Politik gab es in der Vergangenheit durchaus. Der „Rahmenplan Römisches Mainz“ von 2018 wurde jedoch nie umgesetzt.

Witteyer führt dies auf fehlenden politischen Willen zurück: „Das Geld wurde für andere Dinge ausgegeben. Der Slogan „Mainz als Bio-Tech Standort“ scheint der Politik wichtiger. Bei der letzten Oberbürgermeisterwahl habe ich mich geärgert, dass das Thema Römisches Mainz so wenig Einzug in die Wahlprogramme erhalten hat.“. Auch Vahl sieht darin eine Chance: „Wenn wir nach Trier blicken, sehen wir, dass man auch durchaus Geld damit verdienen kann, wenn Touristen in die Stadt kommen, um die römischen Bauwerke zu besichtigen.“ Für ein mögliches Tourismus- Konzept hat Witteyer auch eine Idee parat: „Es muss ein Rundweg geschaffen werden, den Interessierte ablaufen können, um mit Hilfe von Schildern von Monument zu Monument zu kommen.“ Für die Archäologin ist es wichtig, diesen möglichst modern zu gestalten.

Schifffahrtsmuseum geschlossen
Doch Witteyers Konzeptvorschlag würde erst funktionieren, wenn auch wieder die römischen Boote und Schiffe im Mainzer Schifffahrtsmuseum zu sehen wären. Seit 2022 laufen Sarnierungsarbeiten, unter anderem am Dach des Museums. Zudem seien Maßnahmen für Brandschutz und Barrierefreiheit vonnöten, die laut dem Leibniz-Zentrum für Archäologie, kurz LEIZA, finanziell nicht alleine zu stemmen sind. Daher bleibt das Schifffahrtsmuseum voraussichtlich bis Ende 2025 geschlossen.

 

Direktorin Alexandra Busch hofft auf finanzielle Hilfe der Verwaltung: „Die Stadt Mainz hatte 2022 signalisiert, sich an den Kosten als Mitträger des LEIZA zu beteiligen.“ Allerdings wurde das Museumsgebäude vom Land noch nicht an die Stadt rückübertragen, daher sei unklar, ob und in welcher Höhe überhaupt eine Beteiligung möglich wäre. Zudem sind die Kassen mehr als klamm. Einige Fragezeichen kreisen demnach um die Wiedereröffnung, dabei sind die Planungen schon länger abgeschlossen. Doch „erst nach Klärung der Finanzierung der zusätzlichen Kosten für Brandschutz und Barrierefreiheit können die Bauaufträge ausgeschrieben und der Museumsausbau gestartet werden“, so die Generaldirektorin. Sicher ist hingegen eine rundum erneuerte Ausstellung. Finanziert wird diese Ausstellung aus dem Aktionsplan II für die Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft von Bund und Land. Mit Hilfe von modernen, interaktiven Medien sollen die Besucher an den archäologischen Objekten Erkenntnisse darüber gewinnen, wie zentral der Faktor Mobilität für den Menschen ist. Die neuen Medien spielen eine wichtige Rolle bezüglich der Zukunftsplanung, ganz nach dem Gusto von Marion Witteyer, die sich so etwas für die ganze Stadt wünscht: „Visuelle Elemente würden das Römische Erbe der Stadt in der Gesellschaft wieder sichtbarer machen.“

Römisches Theater Foto: Sascha Kopp / VRM Bild

Kulturleben im Römischen Theater wieder möglich
Nicht nur sichtbar, sondern auch betretbar ist inzwischen das Römische Theater am Südbahnhof. Konzerte, Theateraufführungen und Preisverleihungen wurden dort wieder unter anderem von der IRM veranstaltet. Die Stadt nennt das Theater ein „archäologisches Denkmal von nationalem Rang“. Im Mittelpunkt stünde daher die wissenschaftlich fundiert Präsentation, was durch Führungen und Ausstellungen im Info-Container möglich ist. Jedes Jahr werden in Abstimmung mit der Denkmalpflege mehrere Pfeiler des Theaters konserviert, um das römische Mauerwerk dauerhaft zu erhalten. Doch auch das dauert.

 

Archäologen in Mainz mit Stefanie Metz (35) eine neue Chefin. Portrait Stefanie Metz Foto: Sascha Kopp / VRM Bild

Verschwundene Mauern und neue Funde in der Oberstadt
Marion Witteyer sieht trotz Kritik den Umgang mit dem historischen Erbe der Stadt auf einem guten Weg: „Heutzutage wird bei Bautätigkeiten in der Regel strikt darauf geachtet, dass archäologische Funde gemeldet werden, damit diese dann gesichert werden können.“ Auch Witteyers Nachfolgerin Stephanie Metz hebt als Leiterin der Direktion Landesarchäologie, Außenstelle Mainz, diese Bedeutung hervor: „Gemäß Denkmalschutzgesetz ist auf den Erhalt von Denkmälern hinzuwirken. Wo dies nicht gelingt, ist eine Dokumentation der kulturellen Hinterlassenschaften zwingend erforderlich. Auch im Vorfeld von großen und drängenden Baumaßnahmen“, so Metz, die im vergangenen Jahr ihre Stelle antrat.
In Bezug auf die jüngsten Ereignisse rund um den geplanten TRON-Bau in der Oberstadt wurde an der Einhaltung dieser Grundregeln jedoch Kritik laut. Mitte des Jahres machte die „Unsichtbare Römergarde“, die sich für das römische Erbe in Mainz und Rheinhessen engagiert, einen interessanten Fund in Nähe des geplanten sechsstöckigen Gebäudes auf Facebook publik: Gegenüber der Baustelle, wo 2027 die von den Biontech-Gründern Ugur Sahin und Özlem Türeci gegründete Forschungseinrichtung stehen soll, stieß die Garde auf Reste einer Mauer: „Wir leben nicht nur im Schatten des Doms, sondern auf römischen Mauern“, postete Christian Vahl. Den Facebook-Post bereue er, sagt er heute, denn schon kurze Zeit später, waren die Mauerreste verschwunden. Dass die Garde einer interessanten Fährte nachgegangen ist, steht mittlerweile außer Zweifel: Am 26. August wurden hier spektakuläre neue Funde in Mainz enthüllt. Die GDKE bestätigt, dass es sich um Teile der römischen „Canabae“ handelte. Diese bezeichnet die zivile Lagervorstadt, die um das Legionslager angesiedelt war. Damit ist auch das Rätsel um die Statue gelöst, die an der TRON-Baustelle ans Tageslicht gekommen ist.

Herausragend ist auch eine Grabinschriftenstele, die vor dem Legionslager stand und auf eine Grabkammer mit Gewölbedecke ausgerichtet war. Die Tatsache, dass hier ein Römer repräsentativ inmitten der zivilen Siedlung vor dem Legionslager bestattet war, ist außergewöhnlich.“, so Innenminister Ebling. Der Fund einer Sandsteinstatue aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. ist nicht weniger spektakulär. „Die Götterstatue zeigt einen Genius, einen persönlichen Schutzgeist, und wurde wohl in einer obergermanischen Bildhauerwerkstatt erschaffen. Stilistische Parallelen zu der Statue der römischen Göttin Salus aus der Neustadt sind auffällig.
Der Bereich des Römerwalls in der Oberstadt ist mit das „sensibelste Gebiet“, was das römische Erbe in Mainz betrifft, ist Vahl überzeugt. „Das Gebiet wurde schon einmal teilweise ausgegraben. Dabei hat man den Anfängerfehler gemacht und es um 1920 wieder zugeschüttet“. Die Funde liegen daher sehr viel flacher, weshalb grundsätzlich Vorsicht geboten sei. Schon nach ein bis zwei Metern könne man auf römische Schicht treffen. Ob im Falle der TRON-Baustelle mit der erforderlichen Sensibilität vorgegangen werde, bezweifelt Vahl. „Normalerweise haben Archäologen nach einem Fund zwischen zwei und sechs Monaten Zeit, um in Ruhe Forschungsarbeit zu leisten.“ Dies sei vorbildlich am Zollhafen geschehen, als vor einigen Jahren 45 beinahe unversehrte Amphoren (Gefäße) auftauchten.

Restauration Blussus-Stein
Auch für Stephanie Metz ist die Forschung von zentraler Bedeutung: „Wir erforschen elementare Fragen der Menschheitsgeschichte: Wie hat das Zusammenleben in ländlichen und städtischen Gemeinschaften funktioniert? Wie ging man mit knappen Ressourcen um? Welche Auswirkungen hatten vernetzte Handelsbeziehungen für Wirtschaft und Wohlstand? Wie mobil waren die Menschen und wie konnten sie sich in der Fremde arrangieren? Welche Auswirkungen hatten Pandemien oder der Klimawandel in früheren Zeiten? Die Herausforderungen stellen sich damals wie heute.“ Dies zeigt sich auch am Blussus-Grabstein, dessen Restaurierungsarbeiten im Landesmuseum zu sehen waren. Der beidseitig verzierte Grabstein ist 1848 in Mainz-Weisenau gefunden worden. Die Szene zeigt die älteste römische Schiffsdarstellung nördlich der Alpen. „Der Stein hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, die Spuren hinterlassen hat. Umso mehr freut es mich, dass wir dank der Unterstützung durch den Verein der Freunde des Landesmuseums den Blussus-Stein mit modernsten Methoden reinigen, restaurieren und zugleich wissenschaftlich auf die ursprüngliche Farbfassung untersuchen lassen können“, so Museumsdirektorin Birgit Heide. Besucher konnten zuschauen, wie Restauratoren sowie Forschende der Uni Mainz und Glasgow an dem Stein arbeiteten.

Erbe ins öffentliche Bewusstsein rücken
Die Öffentlichkeit an Projekten wie diesen teilhaben zu lassen, spielt in der Ausrichtung des Landesmuseums eine zentrale Rolle. Dies ist für Direktorin Heide auch im Zusammenhang der Bewahrung des römischen Erbes in Mainz fundamental: „Wichtig ist die wissenschaftlich bezeugte und damit fundierte Präsentation und Vermittlung der römischen Exponate und Denkmäler, um so auf die Bedeutung des römischen Erbes fachgerecht hinzuweisen. Mainz hat alleine durch seinen militärischen Hintergrund, aber auch den Status als Hauptstadt der Provinz Obergermanien eine bedeutende Stellung in römischer Zeit innegehabt. Dies ist für die Öffentlichkeit umso spannender, je näher wir bei der Präsentation an das Original herankommen“. Davon, dass die Öffentlichkeit ein großes Interesse an der römischen Geschichte hat, zeugen Veranstaltungen wie das Römerfest im Landesmuseum. Der Aufmarsch der I. Römer-Cohorte Opladen zog ein Wochenende lang Gäste in den Innenhof: Vorführungen und Erläuterungen brachten den Besuchern den römischen Alltag näher. „Es wäre sehr gut vorstellbar, solche Römerfeste mit weiteren Beteiligten wie der Stadt Mainz auch auf anderen Plätzen zu veranstalten, die dann auch durch museumspädagogische Aktivitäten und Angebote verstärkt werden“, so Heide. Neben Vorträgen, thematischen Führungen und Workshops ist für das Frühjahr 2025 ein weiterer Aktionstag geplant. Derzeit zeigt das Museum die Ausstellung „Steinerne Teppiche – Römische Mosaikböden aus Stadtvillen in Mainz“. Nach Unterbrechung wegen Aufbauarbeiten werden dort ab dem 9. Oktober fast alle erhaltenen römischen Mosaikreste gezeigt, die in Mainz gefunden wurden.

Wiedererkennungseffekte schaffen
Geht es um Ideen, das römische Erbe im Stadtbild sichtbarer zu machen, hat Birgit Heide viele Vorschläge: Vor allem digitale Stadtführungen oder Rekonstruktionen einzelner Bauwerke in bestimmten Zeitabschnitten zu schaffen, will die Museumsdirektorin erreichen. „Auch die Aufstellung von Repliken an ihrem ursprünglichen Fundort wäre denkbar. Unerlässlich sind Info-Tafeln an allen noch sichtbaren Denkmälern, aber auch an heute nicht mehr sichtbaren römischen Resten, wie zum Beispiel dem Mithras-Heiligtum am Ballplatz.“ Essenziell sei außerdem eine einheitliche Beschilderung mit Wiedererkennungseffekt, um den Weg zu den Orten zu finden. Auch ein gemeinsames Logo, das für das gesamte römische Mainz steht, könnte sich Heide vorstellen. Stephanie Metz plädiert für eine bessere Sichtbarkeit römischer Großdenkmäler. Dass dies nur in Zusammenarbeit zwischen der Stadt und der Denkmalfachbehörde GDKE erreicht werden kann, ist die feste Überzeugung von Metz und Heide. „Dabei sollte der Blick auch über das römische Erbe hinaus reichen und die wertvolle Kulturgeschichte über ihre Epochen hinweg gesamtheitlich thematisieren“, so Metz, deren Bestrebung es ist, „eine bessere Aufarbeitung und Zugänglichkeit der vorhandenen Informationen über das noch im Boden verborgene Erbe im Stadtgebiet zu erreichen“. Gerade diese Informationen schlummerten oft in verschiedenen Archiven. „Es wäre ein Fortschritt – sowohl für die Planung und Umsetzung von Bauprojekten in Mainz als auch für die Bewahrung des im Boden verborgenen Erbes sowie eine städtebauliche Entwicklungsplanung –, wenn diese Informationen in einer digitalen Plattform zusammengefasst würden und anschließend den städtischen Behörden als auch der Denkmalfachbehörde zur Verfügung stünde.“

Text: Alexander Weiß und Leonard Rosch

Fotos: Stephan Dinges

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