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Schicht um Schicht: Die Hochschulgruppe für interdisziplinäre psychedelische Forschung „HIPF“

Psychedelisch. Das bezeichnet eine Eigenschaft von Psychedelika, deren Einnahme zu einem veränderten Bewusstseinszustand führen können. Dieser ist unter anderem durch die teilweise oder komplette Aufhebung der Grenzen zwischen Selbst und Außenwelt charakterisiert. Der Begriff ging 1956 aus einem Briefwechsel des Psychiaters Humphry Osmond mit dem Schriftsteller Aldous Huxley hervor. Die Psychedelik gewann vor allem seit der Erfindung von LSD einen Aufschwung, auch durch Therapien, geriet aber insbesondere aus politischen Gründen in einen gewissen Zwiespalt. Verwendet werden dabei Stoffe wie z. B. Meskalin, LSD, Psilocybin und Dimethyltryptamin (DMT), denen kein Abhängigkeitspotenzial zugeschrieben wird. Manchmal werden auch Empathogene wie MDMA („Ecstasy“) verwendet, denen ein geringes Abhängigkeitspotenzial anhängt. Renaissance
Der Einsatz von Psychedelika in der Psychotherapie ist umstritten, und die Forschung wird erschwert durch gesetzliche Einschränkungen. Doch nach und nach erfährt die Einstellung einen Wandel und die psychedelische Forschung erlebt eine Renaissance. 2021 etwa wurde an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité eine klinische Studie für Patienten mit therapieresistenter Depression durchgeführt. Ziel war, zu klären, ob die einmalige Gabe von Psilocybin (ein Bestandteil von halluzinogenen Pilzen) in Kombination mit Psychotherapie sicher ist und zu einer Verbesserung von Symptomen führt. Eine weitere Studie zur kombinierten Psychotherapie und Psilocybin-Gabe wird derzeit an der Charité – Campus Mitte und im Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim durchgeführt. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. Auch die Arte-Doku „Heilende Drogen“ behandelt die Thematik, und Länder wie Australien legalisieren Psilocybin und MDMA zu therapeutischen Zwecken.

Forschung in Mainz
In Mainz ist man an der (Er)Forschung interessiert. Die „Hochschulgruppe für interdisziplinäre psychedelische Forschung“ (HIPF) ist ein Forum für die Psychedelik für etwa 20 bis 30 Studierende aus verschiedenen Feldern der Physik, Philosophie oder Psychologie. Die Gruppe will „Psychonauten“ und Wissenschaftler vernetzen, aufklären und eine aktive Kultur des Bewusstseins leben. Ihr Credo: Die Stigmatisierung der Substanzen und damit auch der durch sie hervorgerufenen Bewusstseinszustände stelle ein unnötiges Hindernis für die Wissenschaft und die geistige Entwicklung dar. Als Hochschulgruppe will man den öffentlichen Diskurs um das Thema Rausch und Bewusstseinsforschung enttabuisieren sowie damit eine neue Kultur etablieren. Geht es nach der HIPF, sollte es jedem Menschen freistehen, seinen Bewusstseinszustand im Rahmen der zwischenmenschlichen und gesundheitlichen Grenzen frei zu bestimmen. Grundlage für ein solches Miteinander und diese Kultur des Zusammenlebens sei ein respektvoller Umgang und freundlicher Diskurs miteinander. Die Gruppe trifft sich dazu in regelmäßigen Abständen zum Austausch (Kaffeeklatsch) oder zu Vorträgen an der Uni. Obwohl mehrheitlich studentisch geprägt, kann jeder mitmachen. Über den Newsletter und die Social Media- Kanäle wird informiert, die Vorträge gibt es zum Teil bei YouTube. Wir sprechen mit einem der Gründer – Christian – und einem der drei Vorstände, Simon. „Uns geht es um die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema“, sagt Simon. „Wir rufen nicht zum rechtswidrigen Konsum oder Verhalten auf, möchten aber wohl in der öffentlichen Meinung ein Stigma abbauen. Es geht uns um verantwortungsvollen Konsum und wissenschaftliche Erkenntnisse, um Aufklärung und Austausch.“ Die Gruppe vernetzt sich dazu in Teilen auch mit anderen Städten, wie der HIPF Marburg sowie den Psychedelic Societys und Salons in Leipzig, Berlin oder Hamburg. Auch Themen wie Spiritualität und Meditation spielen im Diskurs eine Rolle. Der Begriff der Psychedelik wird hier also weit gefasst, es geht dennoch um eine kritische, nicht-esoterische Auseinandersetzung mit dem Thema. Bei den Treffen an der Uni – zumeist im Baron – diskutiert man miteinander Safer Use, Cannabis- Legalisierung oder Drug-Checking, aber auch Selbstfindung. Denn um das Bewusstsein zu erforschen, bedarf es nicht unbedingt Substanzen: „Auch bewusstseinserweiternde Techniken wie Meditation und Yoga können solche Zustände auslösen“, schließt Christian.

hipf-mainz.de

Text David Gutsche