Direkt zum Inhalt wechseln
|

Sammlerseelen unter sich: Marianne und Horst-Werner Dumjahn

dumjahn4_web
Auf dem Gebiet von Zucker und Eisenbahn lässt es sich prächtig sammeln. Beim Ehepaar Dumjahn entwickelte sich das kleine Hobby zur großen Profession.

Monica Bege, Fotos: Katharina Dubno

Sie trinkt ihren Kaffee ohne, ihr Mann nimmt ein wenig – dabei ist er in jeder Ecke des Bretzenheimer Reihenhauses gegenwärtig: Zucker. Von riesigen weißen Hüten über zahlreiche Würfel, Tüten in Schränken und Vitrinen bis hin zu mehreren mit Vorratsdosen bestückten Regalmetern – hier zuckert es gewaltig. Die Herrin darüber ist Marianne Dumjahn, eine begeisterte Zuckertütensammlerin. 1982 begann es mit harmlosen Urlaubsmitbringseln, heute schlägt eine gigantische Sammlung mit über 400.440 Tüten und Würfeln aus 145 Herren Ländern zu Buche. Stoff, aus dem Rekorde gemacht sind – dreimal stand Marianne Dumjahn damit im Guinnessbuch der Rekorde, letztmalig 2002. Neun Jahre später verkündete der Verlag neues Zahlenwerk. Ein deutscher Sammler hatte satte 6.991 Exemplare zusammengetragen, wurde im Jahr darauf jedoch von einer Amerikanerin getoppt: 9.596 Stück. Weniger Bestmarken, mehr schlechter Witz. „Rekorde kann man nicht unterbieten“, empörte sich die Bretzenheimerin, forschte nach, bekam eine nur schwer verdaubare Erklärung aufgetischt: Die Hamburger Verlagsredaktion sei zwischenzeitlich nach London umgezogen, habe ihr Archiv in Deutschland gelassen und die ses sei derzeit nicht zugänglich. Damit wäre ihr Rekord leider nicht verifizierbar. So enttäuschend dies alles sei, noch einmal wolle sie sich nicht bewerben. Zu viel Papierkram.

Das Zuckerbüro
Doch die Freude an der Verwaltung des großen Schatzes überwiegt und Marianne Dumjahn sortiert die Neuzugänge des letzen Tauschtages in Italien ein. Doubletten, das sind doppelte Exemplare, kommen in die Tauschmaterialkiste. In die anderen Zuckertütchen und Zuckersticks ritzt die 78-Jährige eine dezente Öffnung und entfernt die süßen Kristalle. Fast alle Sammler archivieren ihre Kollektion ohne Inhalt. Dann schweißt sie die leeren Papiere mit einem heißen Rändelrad in einer Plastikhülle ein. An die zweihundert Ordner, proper mit Hüllen gefüllt, nach Ländern sortiert und alphabetisch nach herstellenden Fabriken und Firmen abgeheftet, stehen in den grauen Büroschränken ihres Arbeitszimmers. Sie nennt es das „Zuckerbüro“. Es wirkt überraschend nüchtern und strukturiert. Das muss es auch sein – ohne Ordnung und System behält man nicht lange den Überblick. Den Zucker bekommt ein befreundeter Imker für seine Bienen – sie als Dank ein Glas Honig. Anders läuft’s bei Zuckerwürfeln. Sie bleiben verpackt und lagern in 1.500 Schachteln. „Würfel werden kaum noch hergestellt“, erklärt Marianne Dumjahn und liefert die Begründung gleich mit: teurere Produktion mit zu geringer Werbefläche. Bei ihrem nachweislich ältesten Sammlerstück findet sich auf dieser unökonomisch kleinen Fläche das Herstellungsjahr: 1938 – sozusagen ihre blaue Mauritius in Würfelform.

Die Eisenbahn im Herzen
Blickt man sich im Haus der Sammlerin um, offenbart sich neben dem enormen Zucker-Sortiment eine zweite, nicht minder markante Handschrift: die der Eisenbahn, denn da gibt es noch Ehemann Horst-Werner, ebenfalls eine Sammlerseele reinsten Wassers. Er teilt das Hobby seiner Frau, aber als Spross einer Eisenbahnerfamilie wurzelt seine Leidenschaft im Schienenbett der Bahn. In jungen Jahren begann er Kursbücher, also Verzeichnisse von Fahrplänen, zu sammeln – europaweit. Rund zehntausend gebundene Werke lagern jetzt in Schränken, Schubladen und auch im Keller. Da kann selbst das bundesbahneigene Archiv nicht mithalten. 1974, Dumjahn war noch im Marketing des Frankfurter Verkehrsverbundes tätig, hob er parallel einen Ein-Mann-Buchhandel und Verlag mit dem Schwerpunkt Antiquariat aus der Wiege. „Zu viele amateurhafte Fehler in der Eisenbahnliteratur hatten mich als Leser verärgert. Also verlegte ich in den letzten vierzig Jahren selbst fast fünfzig Bücher“, so Dumjahn. Diese und sein Antiquariat „Dumjahns Handbuch der Eisenbahnliteratur“ sind deutschlandweit bekannt. Bereits 1999 stellte er seinen Katalogversand ein und fuhr mit seiner riesigen Bibliographie auf der digitalen Datenautobahn auf. „Im Internet kann ich wesentlich umfangreicher informieren, erreiche mehr Kunden und nehme Vorbestellungen temporär vergriffener Werke entgegen. Aber zu Katalogzeiten wurde nicht so selektiv wie heute gesucht und es wurden deutlich mehr ungeplante Bestellungen aufgegeben“, stellt der medienaffine Antiquar fest. Der strukturelle Wandel im Antiquariatsbuchhandel, ausgelöst durch das Internet, war enorm. Kunden stöbern und kaufen vermehrt online. Dumjahn, auf ein Nischenthema spezialisiert, war immer Versandhändler. Die schnelle Anpassung und Nutzung neuer Medien war eine weitere wichtige Zutat zu seinem Erfolgsrezept. „Natürlich beeinflussen Internethandel und Angebotsmenge das Preisniveau“, so Dumjahn, „aber schließlich kaufe ich selbst auch online ein“, lässt er wissen. Seiner Datenbank fügt der 79-Jährige täglich neue Einträge hinzu und kommt so seinem selbst gestecktem Ziel „Was man beim Dumjahn nicht findet, das gibt es nicht“ beständig ein Stück näher.

Wichtige Lebensinhalte
Ob das geschäftige Ehepaar nun Zuckertüten, Zuckerdosen, Kursbücher oder Datensätze der Eisenbahnliteratur sammelt, katalogisiert und sortiert – was sie anpacken, das machen sie mit solider Perfektion. Nicht verbissen und zwanghaft getrieben durch die Unvollständigkeit ihrer Sammlungen, sondern lustwandelnd und froh die Fundstücke am Wegesrand auflesend. Selbst gestellte Aufgaben als wertvoller Lebensinhalt. Horst-Werner Dumjahn gaben sie im letzen Jahr Kraft während einer schmerzhaften Krebstherapie. „Ich musste mich doch um mein Antiquariat kümmern“, blickt er zurück. Heute geht es ihm wieder gut. Wenn auch er die Knochen noch spürt und ein paar Kilo an Gewicht hat lassen müssen – Witz, Humor und Enthusiasmus sind geblieben. Und mit dem machen sich Horst-Werner und Marianne Dumjahn morgen früh in ihren Büros wieder an die Arbeit.
www.dumjahn.de