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Portrait: Seit zwei Jahrzehnten prägt Psycho-Jones das Nachtleben

Seit über zwanzig Jahren der Mann an den Reglern.

Es ist Freitagabend, etwa 21 Uhr, als der silberne Wagen auf den Hinterhof rollt. Am Steuer: Daniel Jung, Halter des Fahrzeugs – so jedenfalls steht es in den amtlichen Papieren. Für das Publikum in der Bar, ist das aber nur die halbe Wahrheit. Die meisten Gäste kennen ihn vor allem als „Psycho-Jones“. Es ist der Name, mit dem er 1998 erstmals in den Mainzer Clubs und Bars auftrat. „Irgendwann haben mich die Leute einfach nicht mehr mit meinem bürgerlichen Namen angesprochen. Vielleicht passt das auch zu meinem Konzept, das wohl alles ist, außer bürgerlich“. Ein Blick in den Kofferraum offenbart, was damit gemeint sein könnte: „Ich habe mittlerweile ein Prinzip entwickelt: Die schweren, massiven Sachen nach unten, damit nichts verrutschen kann. Dann die leichten Dinge und die Gegenstände, die hochkant aufgestellt werden, zum Beispiel die Schaufenster- und Pappfiguren. Danach alles befestigen, dafür verwende ich spezielle Stoffe.“ Das Kofferraum-Konzept offenbart nicht nur, wie man ein Auto perfekt belädt, sondern auch, wie mehr als zwei Jahrzehnte Nachtleben einen Vollprofi formen.

Ein-Mann-Performance
Ohne Plan ließen sich die Herausforderungen Woche für Woche nicht meistern. Für Psycho- Jones zählt jeder Abend. Die kleinen Auftritte sind für ihn genauso entscheidend wie die großen. Das Wort „Auftritt“ nutzt er häufiger als den Begriff „Auflegen“. Denn definieren lässt er sich nicht alleine über seine Playlist, die zumeist irgendwo zwischen Indie, Sixties, Synthiepop und Britpop angesiedelt ist. Eine wichtige Säule seiner Shows ist die „Visualisierung“. Gemeint ist damit das ganze Drumherum. Denn jeder Abend ist für ihn eine Performance. Und da kommt der Inhalt des Kofferraums ins Spiel: Lavalampen, Dia-Projektoren, Pappfiguren in Lebensgröße (Heidi Klum, Prince William, Bruce Darnell oder Humphrey Bogart, um nur einige zu nennen), die Schaufensterfiguren, Rasseln, Gasmasken und viele weitere Utensilien, bilden den Psycho-Jones-Kosmos. Dann leuchtet und blinkt es wieder von allen Seiten um die Turntables herum. Doch die Vorstellung beginnt erst, wenn aus Daniel Jung Psycho-Jones wird: Ein fancy Anzug, die Frisur gerichtet, manchmal eine Maske, und es kann losgehen. „Ich erinnere mich noch an Zeiten, in denen es eine Sperrstunde in Mainz gab. Die sind zum Glück vorbei. Wie andere Städte lebt Mainz vom Wandel. Da ist Bewegung drin.“

Vom Westerwald zu Depeche Mode
Seine Shows haben sich herumgesprochen. Gerade ist er aus Amsterdam zurück, wo er jeden Monat im „Volkshotel“ auflegt. Neben Berlin und Amsterdam sind auch ein paar Läden in der Schweiz zu festen Adressen für den Musiker aus dem Westerwald geworden. Beschaulich aufgewachsen mit mehreren Geschwistern entdeckte er irgendwann die Liebe zur Musik, als „Soft Cell“, „Tears for Fears“ und „The Cure“ im Radio liefen. Komplett um ihn geschehen war es jedoch, als eine ganz bestimmte Band auf den Plan trat: Depeche Mode. „1987, als ‚Music for the Masses‘ erschien, ging es richtig los: Erstes Album, erstes Poster, erstes Konzert.“ Diese Musik prägte ihn, als er kurze Zeit später seine DJ-Premiere in Montabaur feierte. „Die Location war ein kleiner Indie-Laden, für den die Leute bis zu 100 Kilometer anreisten.“ Zu jeder Depeche- Mode-Platte habe er noch heute „emotionale Flashbacks“: „Plötzlich fallen dir wieder Dinge ein, an die du niemals mehr gedacht hättest.“ Depeche Mode ist auch der rote Faden seiner Autobiografie, die gerade im Entstehen ist. „A Strange Love“, so der Titel des Buches, soll in diesem Jahr erscheinen. Die britische Band ist sein ständiger Begleiter geworden und umgekehrt. Vier Shows besuchte er auf ihrer jüngsten Tour, unter anderem das Abschlusskonzert auf der Berliner Waldbühne. Teile des Auftritts verarbeitete der Regisseur und Fotograf Anton Corbijn in seinem aktuellem Film „Spirits In the Forest“. Als dieser im November in Deutschland anlief, fragte sogar der Berliner Zoo-Palast bei Psycho-Jones an, ob er die Premiere mit seinem „Mute-Mode“-Abend begleiten wolle. „Mute“, steht für das Label, „Mode“, ist der zweite Teil des Bandnamens – die Partyreihe eine Hommage an Depeche Mode. Wie denn der Abend im Zoo Palast war Mr. Psycho-Jones? „Aufwendig – und großartig!“

Alexander Weiß
Foto: Daniel Rettig