von Katrin Hummel (F.A.S.), Illustrationen: Jan-Hendrik Holst
Sie lieben nicht nur einander, sondern auch noch andere Partner. Sie reden offen miteinander über ihre Gefühle und besiegen ihre Eifersucht. Wie kann das im Alltag gelingen? Zu Besuch bei zwei Paaren, die seit vielen Jahren polyamor leben.
Ihr Kennenlernen war magisch. Eine gemeinsame Freundin hatte sie einander vorgestellt. „Als ich Marie sah, fühlte ich mich, als hätte ich Drogen genommen, zwischen Schweben und Nicht-richtig-gucken-Können“, erinnert sich Florian Hardenberg, Schauspieler. Und Marie Hardenberg, ebenfalls Schauspielerin, sagt: „Nie zuvor habe ich für jemanden so empfunden, es war eine Begegnung, wo ich sofort wusste: Wir wären ein ganz krasses Paar.“ Die gemeinsame Freundin prognostizierte damals, bei diesem ersten Treffen: „Eure Kinder, die werden so wunderschön aussehen.“ Da hatten Marie und Florian, die in Wirklichkeit anders heißen, noch kein einziges Wort unter vier Augen gewechselt, und doch war eigentlich alles schon klar zwischen ihnen. Sechs Monate lang sahen sie einander danach nicht, weil Florian in Amerika war. Als er zurück nach Deutschland kam, holte Marie ihn am Flughafen ab. Acht Wochen später heirateten sie. Es war als gegenseitige Liebeserklärung gedacht. Aber in Ketten legen wollten sie einander nicht. „Wir fanden es normal, weiterhin alle Gefühle zuzulassen, und hielten es für wahrscheinlich, dass wir uns wieder verlieben würden“, sagt Marie, „wir finden es auch schön, das immer wieder zu tun.“ So beschlossen sie, dass sie nebenbei so viele andere Beziehungen führen dürften, wie sie wollten, und dass sie einander niemals belügen würden. So wie Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir es vorgemacht haben, oder wie Woody Allen in dem Film „Vicky Cristina Barcelona“ es gezeigt hat. So wie der Regisseur Dieter Wedel und der Ex-Kommunarde Rainer Langhans es tun, oder der politische Geschäftsführer der Piratenpartei, Johannes Ponader. Und viele andere Menschen in anderen Ländern.
„Monogamie als emotionale Grundlage“
Auf 20 000 schätzt zum Beispiel die Organisation „Loving More“ die Zahl der Amerikaner, die so leben wie die Hardenbergs. Seit Mitte der neunziger Jahre haben sie ein eigenes Wort für ihre Lebensweise: Polyamorie. Damit setzen sie sich auch verbal von der Monogamie ab, die sich als vorherrschende Lebensform in Deutschland mit der Entstehung der bürgerlichen Ehe und der Kernfamilie erst Ende des 18. Jahrhunderts herausgebildet habe, sagt Marianne Pieper, Professorin für Soziologie an der Uni Hamburg. „Mit dem Ideal der romantischen Liebe erst wurde die Monogamie als emotionale Grundlage der Ehe angesehen“, so Pieper, „und das Sexuelle in das Intime schlechthin umgedeutet, das gegenüber Dritten unbedingt gewahrt werden müsse.“ Polyamoristen indes hängen die Sache mit der Sexualität tiefer – das entscheidende Merkmal ihrer Beziehungen, das ihnen wichtiger sei als alles andere, sei die Ehrlichkeit allen Sexualpartnern gegenüber. Heute, acht Jahre nach der Hochzeit, ist Florian 32 und Marie 34. Die beiden sind ein schönes Paar, haben drei Kinder im Alter von einem, fünf und sieben Jahren und wohnen in einer kleinen Wohnung in einem Fachwerkhaus im Berliner Bezirk Wannsee. Florian hat einen köstlichen salzigen Kuchen aus Nüssen, Orangen und Möhren gebacken. „Man darf auch gern wieder ausspucken“, sagt er und lächelt nett. Die Wohnung hat einen hellen Dielenboden, im Wohnzimmer steht ein Klavier und ein Holztisch mit Bank und Stühlen.
„Mal Schokolade, mal Sex mit einem anderen Mann“
Auf einem breiten Sofa liegen, zwischen Bilderbüchern auf einer bunten Patchworkdecke, die beiden älteren Kinder. Sie haben Fieber, Florian fühlt ihnen die Stirn, kocht Tee und schmiert Brötchen. „Ob er mit einem Kumpel Skat spielt oder mit einer anderen Frau ins Bett geht, ist mir egal. Man sollte das tun, was man will“, sagt Marie. „Mach ich doch auch so: Mal will ich Schokolade essen, mal will ich Sex mit einem anderen Mann.“ Sie meint das nicht so wurstig, wie es klingt. Sie kann das, was sie seit acht Jahren lebt, in vielen überzeugenden Worten darlegen und ist doch nicht der Meinung, dass jeder so leben sollte und könnte wie sie selbst. Im Kern geht es den Hardenbergs darum, ehrlich miteinander zu sein, den anderen in seiner Entwicklung zu unterstützen und ihm die Möglichkeit zu geben, sich zu entfalten. Eifersüchtig sind sie trotzdem manchmal. Zwei Tage nach der Hochzeit zum Beispiel verbrachte Florian eine Nacht mit einer gemeinsamen Freundin. „Ich dachte, er liebt mich gar nicht“, erzählt Marie, „und hatte eine ganz schlimme Nacht.“ Inzwischen aber spürt sie, wie sehr er sie liebt, und er sagt es ihr auch immer, wenn er von einer anderen Frau kommt.
Updates vom Sex mit anderer Frau
Gut auszuhalten ist es immer dann für sie, wenn sie sich nicht als Opfer sehen muss. Vor kurzem zum Beispiel war es ganz leicht zu ertragen: Da wollte die Freundin, die sie vor acht Jahren einander vorgestellt hatte, mit Florian schlafen. „Also habe ich das eingefädelt und zu Florian gesagt: ,Na dann, jetzt hopp!’“, erzählt Marie. Florian reicht derweil der einjährigen Tochter, die aufgewacht ist und die er nun auf dem Arm hält, ihr Fläschchen und fügt hinzu: „Als ich dann dort war, bekam Marie zwischendurch telefonische Updates, wie weit wir miteinander waren.“ Marie lächelt. Sie konnte ihm das gönnen. Als er am nächsten Tag nach Hause kam, roch sie an ihm und fand es schön, ihn und ihre Freundin zu riechen. Weil sie beide so gern mag. Sie fände es auch schön, wenn die beiden in Zukunft immer mal wieder Sex miteinander hätten. „Die Freundschaft zwischen ihnen ist dadurch erst rund geworden“, sagt sie. Und präzisiert: „Ich finde das ein bisschen albern mit dieser Sexualität, sie ist ein Teil einer menschlichen Beziehung, aber ein kleiner Teil.“ Es ist auch nicht so, dass jeder von ihnen ständig andere Beziehungen hat. Vor ein paar Jahren, da war der älteste Sohn drei, war Marie aber mal vier Monate lang mit jemandem zusammen, den sie dann auch im Beisein des Kindes geküsst hat. Der Sohn hat das so hingenommen. Erklärt haben sie den Kindern bislang nichts. „Die finden es normal“, sagt Florian. Die beiden älteren Kinder sind jetzt auch aufgewacht und sitzen zwischen den Eltern auf der Bank am Tisch. Beide werden immer wieder liebevoll gestreichelt, ganz still sitzen sie da und hören zu, während ihr Vater erzählt, dass er auf diese andere Beziehung ihrer Mutter eifersüchtig war. Dass es ihm schlecht ging, wenn sie bei dem anderen schlief, während er die Kinder hütete.
„Weil ich eben nicht perfekt bin“
Also wollte er den anderen Mann kennen lernen, diese andere Liebe seiner Frau. Danach ging es ihm besser. „Der Mann ist groß, hat lange blonde Haare, ein breites Kreuz und was Beschützendes. Ich habe gemerkt, dass Marie von ihm was bekommt, was ich gar nicht geben kann oder will, weil ich eben nicht perfekt bin. Und ich habe gelernt, dass Marie mich so liebt, wie ich bin. Das war eine ganz große Erkenntnis für mich.“ Marie und er haben dann darüber gesprochen, was sie tun könnte, damit es ihm besser gehe: ihn beim Abschied in den Arm nehmen, ihm Schokolade mitbringen. Florian sagt: „Kleine Gesten, die zeigen: Ich bin für dich da.“ Schließlich verliebte der Mann sich in eine monogame Frau und beendete die Beziehung zu Marie. „Das ist für mich ein ganz großer Schmerz“, sagt sie. Wer polyamor lebt, balanciert „zwischen dem Ideal der Offenheit und dem Respekt vor den Gefühlen der Partner“, sagt die Soziologin Pieper. Diese Offenheit macht glücklich, weil sie emotionale Nähe stiftet, glauben die Polyamoristen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass ein monogames Leben für sie nicht in Frage kommt, „weil es in den meisten monogamen Beziehungen nicht ehrlich läuft“, wie Marie Hardenberg vermutet. Ihre eigenen Eltern, obgleich geschieden, hätten einander zwar nicht angelogen, aber aus der Beobachtung anderer Beziehungen ahnt sie: „Es gibt da keine klaren Konfrontationen. Ich glaube, dass da viele Gefühle unterdrückt werden und dass viele deswegen nicht glücklich sind.“
Viele sagen: „Find ich ja irgendwie toll“
Für sie sei es daher leichter, ihre Eifersucht zu überwinden, als sich einsperren zu lassen. Eifersucht nährt sich in den Augen der Menschen, die so leben wie die Hardenbergs, aus Verlustangst, einem schwachen Selbstwertgefühl und Besitzansprüchen. Florian sagt: „Man muss gucken, was man dagegen tun kann, und sich weiterentwickeln, bis man dem anderen gönnen kann, dass er glücklich ist – auch mit jemand anderem.“ Eine Vorstellung, die den meisten fremd ist, auch im Umfeld derjenigen, die so leben. Viele sagen: „Find ich ja irgendwie toll, aber ich könnte das nicht.“ Manche haben aber auch viel grundlegendere Bedenken. Der amerikanische Kommentator Stanley Kurtz beispielsweise hat die Bewegung mit ähnlichen Argumenten verteufelt wie die Homo-Ehe. Sie trage dazu bei, dass bestehende Ehen instabil würden und immer weniger Paare mit Kindern heirateten. Dadurch wachse die Zahl an Alleinerziehenden, und die Ehe als soziale Institution, die davon getragen werde, dass die gesamte Gesellschaft heterosexuelle, monogame Beziehungen und Heirat als einzige Form des Zusammenlebens fördere, werde in Frage gestellt. Florians Mutter – die nach dreißig Jahren Ehe gerade in Scheidung lebt – sieht die Sache hingegen abgeklärter. Sie hat das Gefühl, in der 1968er Bewegung schon all das ausgelebt zu haben, was ihr Sohn jetzt tut, und ahnt: „Wenn du so alt bist wie ich, willst du nicht mehr so leben!“ Aber das muss nicht so sein. Auch im Alter kann Polyamorie funktionieren, glauben Andrea, 51, und Heiner, 53. Andrea ist Sozialpädagogin, hat sechzehn Halbgeschwister und weiß bis heute nicht, wer ihr Vater ist. Seit achtzehn Jahren ist sie mit Heiner, gelernter Friedhofsgärtner und zurzeit in einer Wiedereingliederungsmaßnahme am Theater, liiert. Wie die Hardenbergs leben die beiden polyamor. Zwar wohnen sie nicht zusammen, haben keine gemeinsamen Kinder und sind nicht verheiratet, aber sie sehen sich als Paar und begegnen einander mit einer ruhigen Vertrautheit, die keinen Zweifel daran lässt, dass sie zusammengehören.
„Wie ein Wikinger, so groß und stark“
Heiner hat allerdings seit zwei Jahren auch noch eine Beziehung zu Beate, einer 54 Jahre alten Schauspielerin, die auch eine Bekannte von Andrea ist. Soll das so weitergehen bis ins hohe Alter? „Wenn ich siebzig bin, sehe ich mich als Pflegekraft für meine beiden Frauen zwischen zwei Wohnungen hin- und herpendeln“, sagt Heiner, der auch mal als Altenpfleger gearbeitet hat. Er meint das ernst. Neulich war Andrea mal eine Woche im Krankenhaus, da hat er Beate die ganze Zeit über nicht gesehen, weil er jeden Tag bei Andrea war. Es ist ein sonniger Morgen in Dortmund, Heiner – lange braune Haare, schwarze Cargohose, schwarzer Pullover – hat Brötchen geholt, Andrea, blonder Stufenschnitt, viel Kajal und lange silberne Ohrringe, trägt ein lilafarbenes Strickkleid zur schwarzen Leggins und hat Kaffee eingeschenkt. Sie sitzen nebeneinander am Frühstückstisch in Andreas schmaler Küche mit den lachsfarben und rot gestrichenen Wänden und erzählen von ihren Lieben, während in der Wohnung nebenan die Waschmaschine rumort und in der Wohnung obendrüber jemand saugt. Andrea hat zurzeit keinen anderen Mann als Heiner, aber früher, da war es immer nur sie, die jemand Zweites wirklich von Herzen liebte, während Heiner sechzehn Jahre lang nur Affären hatte. Sie liebte einen verheirateten evangelischen Pfarrer, einen verheirateten Nachbarn, dann vier Jahre lang einen Familienvater mit Haus und Kindern und „ganz vielen Verpflichtungen“, den sie bei einer Partnerbörse im Internet kennen gelernt hatte und der aussah „wie ein Wikinger, so groß und stark“. Sie hat Tränen in den Augen, als sie von ihm spricht. Heiner guckt sie mitfühlend an und streichelt tröstend ihr Bein.
Manchmal dritteln sie eine Pizza
Irgendwann begann dieser Mann, Andrea genauso anzulügen, wie er seine Frau anlog – es war für sie das Ende der Beziehung. Heiner, der immer von der Beziehung gewusst und sich, wie er sagt, sogar für Andrea gefreut hatte, sagt: „Dieser Mann war eben doch nicht so souverän, wie Andrea gedacht hat.“ Er fing sie damals auf in ihrem Liebeskummer und stand ihr Rede und Antwort, wenn sie ihn fragte: „Sag mal, du als Mann: Warum sind Männer bloß so?“ Seine Liebe zu Beate hat er vor zwei Jahren auf einer Party, zu der Andrea ihn nicht begleiten wollte, entdeckt. Andrea gönnt ihm das und hat schon mal mit dem Gedanken gespielt, einen Familienkalender mit drei Spalten zu kaufen, „damit ich den Überblick über uns drei behalte“. Darüber, was Heiner und Beate tun, wenn sie nicht dabei ist, denkt sie nicht nach. Und sie hat auch nie gedacht: „Wär’ ich doch bloß mit zu der Party gekommen, dann wäre das nicht passiert.“ Eine gegenseitige Verpflichtung zur Monogamie, das würde sie einschnüren, da müsste sie zu viel von sich selbst aufgeben. Klassische Zweierbeziehungen sind in ihren Augen überbewertet. „Es ist bei uns mehr als Liebe und Sex: eine ganz tiefe Freundschaft. Beate hat mal gesagt: ,Andrea und Heiner, das ist eine Institution.’“ Jetzt machen sie manchmal was zu dritt, auch wenn das nicht die Regel ist. Dann berührt keiner keinen, und manchmal dritteln sie eine Pizza. Nachdem seine Mutter gestorben war, hat Heiner die beiden Frauen mit zu einem Familientreffen gebracht. Seine Geschwister trugen es mit Fassung. „Da kommt mal ’ne Frage, wie das denn geht. Es ist eine Mischung aus Neid, Ehrfurcht und Unverständnis“, sagt er. Er selbst mag solche Gespräche: „Ich mache was, was andere nicht machen.“ Am Abend, als das Familientreffen zu Ende war, blieben die drei in der leeren Wohnung der Mutter zurück. Heiner übernachtete in der Küche, Andrea im Wohnzimmer und Beate im Schlafzimmer. Am Morgen pendelte Heiner mit Kaffee von Zimmer zu Zimmer. Beate, die bei dem Gespräch am Küchentisch zwar nicht dabei, aber trotzdem zu einem Gespräch bereit ist, sagt: „Es war die geschmackvolle Lösung.“
„Ich mag keine Verantwortung“
Beate bezeichnet sich als „abschnittsmonogam“, sie kann sich nicht teilen und braucht viel Raum für sich allein. Polyamorie ist ihr fremd, „aber ich finde sie nicht degoutant“, erklärt sie. Eifersüchtig sei sie nicht, denn sie sei ja die zweite Frau gewesen, die hinzugekommen sei. Wenn sie aber die erste Frau gewesen wäre und dann eine zweite dazugekommen wäre – damit hätte sie Schwierigkeiten. Manchmal stellt sie sich deswegen vor, dass die Dreierkonstellation für Andrea schwerer ist als für sie selbst. „Aber sie steckt ihr Revier schon ab“, hat Beate beobachtet, „sie hat mir einmal gesagt, wenn sie in ein Kibbuz nach Israel gehen würde, dann würde Heiner da mitgehen.“ Wenn man Andrea auf Beate anspricht, will sie von Konkurrenzgedanken aber nichts wissen. „Ich mag sie und habe Vertrauen zu ihr. Und ich empfinde es als Bereicherung, dass sie da ist, weil ich jetzt zum Beispiel nicht mehr die einzige bin, die sagen muss: ,Heiner, geh doch mal zum Friseur.’“ Auch Beate sagt, dass sie es gut findet, dass es Andrea gibt: „Es ist so befreiend, nicht so viel Verantwortung übernehmen zu müssen in einer Zweierbeziehung. Bei meinen anderen Männern musste ich nach zwei Jahren immer gehen, weil es mir zu viel wurde. Meine Mutter war Alkoholikerin, ich mag keine Verantwortung.“
„Er wird nichts verpasst haben, wenn er fünfzig ist“
Heiner kann das so stehen lassen. Er wirkt wie ein äußerst verständnisvoller Mann, der die Erfahrung gemacht hat, dass sich alle Probleme lösen lassen, wenn man sie nur offen anspricht. Die einzige Gefahr, die er bei seiner Dreierkonstellation sieht, ist, dass er gedanklich bei der einen Frau ist, während er mit der anderen schläft. Deswegen verbringt er meist einen Tag allein zu Hause, bevor er – tief erfüllt von der Dankbarkeit über sein reiches Leben – von der einen Frau zur anderen wechselt. Dankbar für die Freiheit, die ihnen der jeweils andere lässt, sind auch Marie und Florian Hardenberg. Marie ist davon überzeugt, dass sich die lange Leine, die sie Florian lässt, als stabilisierend bewähren wird. „Es gibt keinen Grund für ihn, nicht zu mir zurückzukommen.“ Auch nicht, wenn sie älter wird und eine junge Frau ihn lockt? „Er wird nichts verpasst haben, wenn er fünfzig ist, und muss deswegen auch nicht gehen.“ Und wenn ihr jemand viel Geld und ein Leben in Luxus in Aussicht stellen würde? Auch das ist schon geschehen. Da war dieser berühmte Schauspieler, zehn Jahre älter als sie, mit dem sie ab und zu ins Bett ging und der sie einlud, eine Woche mit ihm in einem teuren Hotel im Ausland zu verbringen. Er warf mit großen Namen um sich, er sagte zu ihr: „Marie, du brauchst einen Mann, der dich beschützt und versorgt, der dir was bietet und nicht wie Florian noch ein viertes Kind von dir will.“ Sie wäre wahnsinnig gern mit ihm gekommen, aber Florian sagte, das würde ihn verletzen. Sie hat dann in sich hineingehorcht und gemerkt, dass sie den anderen Mann nicht liebt und Florian nicht verletzen will. Also hat sie auf die Reise verzichtet. Aber vielleicht wird sie weiterhin ab und zu mit diesem Mann schlafen, denn sie mag ihn sehr gern. Florian sagt: „Ich krieg dann von ihrer Fröhlichkeit was ab, wenn sie nach Hause kommt.“ Es klingt souverän.
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