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Neue Kita-Öffnungszeiten: Stadt passt Betreuungskonzept an

In den städtischen Kitas von Mainz sind derzeit Öffnungszeiten von 7 bis 17 Uhr üblich, womit sie im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich lange Betreuungszeiten anbieten. Um diese Diskrepanz auszugleichen, führt die Stadt Mainz ein neues, bedarfsorientiertes Konzept für Kita-Öffnungszeiten ein. Konkret bedeutet dies, dass die Regelöffnungszeiten in einem Teil der städtischen Kitas von zehn auf 8,5 Stunden täglich reduziert werden (7:30 bis 16 Uhr). Dennoch bleiben 22 der 62 Einrichtungen bei den bisherigen zehn Stunden, um den Bedarf von Familien mit längeren Arbeitszeiten abzudecken.

Sozialdezernent Dr. Eckart Lensch: „Damit schaffen wir mehr Planungssicherheit für Familien, eine Entlastung des Personals und zusätzliche Kita-Plätze“. Ziel sei es, die vorhandenen Fachkräfte gezielter in den Kernzeiten einzusetzen, um eine effizientere Betreuung zu ermöglichen.

Oberbürgermeister Haase: „Wir wollen verlässliche Betreuungszeiten bieten und gleichzeitig mehr Kita-Plätze schaffen. Durch die neue Regelung bleibt in jedem der 15 Stadtteile mindestens eine Kita mit einer zehnstündigen Betreuung bestehen. So können wir flexibel auf die Bedürfnisse der Familien eingehen.“

Wichtig für Eltern: Die neuen Öffnungszeiten betreffen nur Kinder, die künftig in eine städtische Kita aufgenommen werden. Für bereits betreute Kinder bleiben die bestehenden Vereinbarungen bestehen. Die Umstellung erfolgt schrittweise über einen Zeitraum von etwa 3,5 Jahren.

Fachkräftemangel und flexible Betreuungszeiten stellen Kitas vor Herausforderungen

Trotz erfolgreicher Maßnahmen zur Personalgewinnung und -bindung in den vergangenen zwei Jahren bleibt die Deckung des Personalbedarfs in den Mainzer Kitas eine große Herausforderung. Krankheitsbedingte Ausfälle, Fortbildungen, Mutterschutz und unbesetzte Stellen führen immer wieder zu Einschränkungen bei den Betreuungszeiten und belasten sowohl die Kinder als auch deren Familien. Gleichzeitig übersteigt die Nachfrage nach Kita-Plätzen weiterhin das verfügbare Angebot, sodass der gesetzlich verankerte Betreuungsanspruch (§ 24 SGB VIII) nicht für alle Mainzer Kinder erfüllt werden kann.

Besonders die sogenannten Randöffnungszeiten – vor 8 Uhr und nach 16 Uhr – sind personell aufwendig: Jede Kita benötigt dafür mindestens vier Fachkräfte, um Früh- und Spätschichten abzudecken. Dennoch zeigt sich, dass in diesen Zeiten häufig nur wenige oder gar keine Kinder anwesend sind. Dies bindet Personal, das während der stark frequentierten Kernzeiten von 8 bis 16 Uhr fehlt.

Ergebnisse aus mehreren Befragungen, darunter die Elternbefragung 2023 zur Kita-Bedarfsplanung des Instituts für sozialpädagogische Forschung Mainz (ism) gGmbH, belegen diesen Trend. Viele Eltern buchen mehr Betreuungsstunden, als sie tatsächlich benötigen – oft aus Sorge um unvorhersehbare berufliche Verpflichtungen oder mangels genauer Informationen zur Flexibilität der Betreuungszeiten.

Die Erhebungen zeigen deutlich, dass der Bedarf an Betreuung in den Randzeiten gering ist:

  • 76,7 Prozent der städtischen Kitas öffnen um 7:00 Uhr, doch nur 5,1 Prozent der Kinder werden zu dieser Zeit gebracht.
  • 70 Prozent der Kitas schließen um 17:00 Uhr oder später, aber lediglich 3,5 Prozent der Kinder werden so spät abgeholt.

Um diesen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, hat das Amt für Jugend und Familie die geplanten Anpassungen der Öffnungszeiten ausführlich mit den Kitateams und Elternausschüssen diskutiert. Ziel ist es, die Personalressourcen gezielter einzusetzen, die Betreuung während der Hauptzeiten zu stärken und gleichzeitig die Bedürfnisse von Familien mit Randzeitenbedarf nicht aus den Augen zu verlieren.

Stadtelternausschuss sieht viele „Aber“

„Stunden aufstocken, flexible Arbeitszeit, Dienstplanwechsel – das wird für zukünftige Elterngenerationen in Mainz schwierig mit dem Kitaplatz vereinbar sein. Aber immerhin steigt die Chance, überhaupt einen Kitaplatz ergattern zu können.“ So hin und hergerissen
beschreibt die Vorsitzende des Stadtelternausschusses (StEA) Mainz, Nora Egler, die Position der Elternvertretung zum neuen „bedarfsorientierten Konzept“, das die Stadt Mainz am 18.03.2025 in der Arbeitsgruppe Kindertagesförderung des Jugendhilfeausschusses zur Abstimmung stellte.
Das bisher verbreitete Angebot von Betreuungsverträgen mit 9 Stunden an 5 Tagen die Woche (rund um 7-17 Uhr) entspricht einem standardisierten Berufsleben für Vollzeitarbeitende mit 8 Stunden (8-16 Uhr) und beinhaltet mit einem zugedrückten Auge gerade noch ausreichend Spielraum für eine Fahrtzeit zwischen Arbeitsplatz und Kita auf notorisch verstauten Straßen in der Rhein-Main-Metropolregion. Schon in diesem Modell sollte man keine Berufe mit „außergewöhnlichen“ Arbeitszeiten oder Schichtarbeit haben, wenn man nicht über ein Netzwerk an Mit-Betreuenden verfügt.
In der Lebensrealität passen Eltern sich dem Kita-Angebot an – nicht umgekehrt, wie es in einer modernen Arbeitswelt sein sollte. Mit den Kürzungen aus dem Konzept wird die Vereinbarung von Beruf und Familie für viele Familien nur möglich sein, wenn ein Elternteil, meist die Mutter, (dauerhaft) in Teilzeit arbeitet. Das Thema Gleichstellung hängt direkt mit dem Angebot an Kinderbetreuung zusammen.
Dabei möchte quasi niemand sein Kind 5 Tage die Woche über 10 Stunden in der Kita lassen – je jünger das Kind, desto weniger. Aber dynamische Modelle – z.B. nur an bestimmten Wochentagen mehr Betreuung in Anspruch zu nehmen, an anderen Tagen weniger – werden
in der Bedarfsabfrage der Stadt nicht abgefragt oder im Betreuungsvertrag angeboten. Aus diesem Grund sehen Eltern gar keine andere Möglichkeit, als einen sehr weiten Bedarf Jahre im Voraus anzumelden. Nur so können alle Eventualitäten und Einzeltage abgedeckt werden.
So melden die Eltern natürlich Bedarfe an, die sie effektiv später gar nicht fünf mal die Woche brauchen. Es wundert Egler daher auch nicht, dass die Stadt in der Evaluation der Auslastung feststellt, dass die Randzeiten im Abgleich mit den geplanten Bedarfen seltener
nachgefragt werden .“Das ist aber nicht Schuld der Eltern, sondern der Abfrage“ möchte Nora Egler festgehalten wissen. „Denn WENN man Randzeiten benötigt, kann man das in der Abfrage nicht angeben. Geschweige denn, wenn sich Umstände über die Jahre ändern ….“,
lässt Egler vielsagend den Satz offen.

An der Stelle von Ausweitungswünschen oder Änderungen hält das Konzept sogenannte Härtefallregeln vor. Egler sieht diese kritisch: „Härtefallregelungen gegenüber der Verwaltung darzulegen, stellt für viele Eltern im Alltag eine sehr hohe Hürde dar. Umso mehr
für Nicht-Muttersprachler. Dazu müssen dann wieder Bestätigungen von Arbeitgebern vorgelegt werden etc. Es wird noch mehr Bürokratie geschaffen“. Eine effizientere und flexiblere Gestaltung der Bedarfsabfrage wäre in den Augen des StEAs dabei so einfach wie zielführend, um das Personal gezielter einzusetzen. „Leider gibt es in städt. Kitas immer noch keine Tools, wie moderne Kita-Apps sie anbieten. In denen gibt man Wunschzeiten für die kommende Woche an, so dass die Kita ihr Personal planen kann, Überstunden abbauen, Dokumentationsstau abbauen, etc. oder eben gewünschte Betreuungszeiten abdeckt.“ Stattdessen fährt die Kita das Betreuungsangebot für die einzelne Familie weiter zurück und zwingt Eltern oder zumindest einen Elternteil im Teilzeitjob zu verharren oder schafft weitere Verwaltungsakte.
„Die Lebens- oder Berufsrealitäten der Eltern dürfen sich zukünftig auch nicht dauerhaft ändern, weil sonst ein kompleter Kitawechsel nötig wäre“, merkt Egler kritisch mit Blick auf das Konzept an, das jeweils Kitas im Stadtgebiet mit kürzeren und längeren Betreuungszeiten vorsieht. „Da sehen wir klare Nachteile für die kommenden Eltern und deren Kinder.“
Der StEA sieht aber auch die Vorteile der Anpassungen und schätzt die Bemühungen der Stadt diesbezüglich. Denn durch die Umverteilung von Betreuungszeit hin zu Kernzeiten der Arbeitswelt werden am Ende mehr Kitaplätze für Familien geschaffen. „Besser ein zeitlich
beschränkter Kitaplatz als gar keiner“ gilt gemäß Egler vor allem dann, wenn man die Perspektive der Eltern als Arbeitnehmer verlässt und an die Kinder und Eltern denkt, die bisher trotz Rechtsanspruch keinen Platz erhalten konnten. Dass diese Kinder nun (früher) am Bildungs- und Betreuungssystem teilhaben können, ist ein klares Plus der Neuerung.
Der StEA erwartet zudem, dass die Konzentration der Betreuungskräfte auf die Kernzeiten zu weniger Betreuungsausfall und Schließungen führt. Offen bleibt aus Sicht des StEAs, ob sich die Attraktivität der Stellen für Erzieher durch weniger Arbeitszeit am Rand wirklich
erhöht, wie es sich die Stadt von der Maßnahme erhofft. Egler weiß aus dem Austausch mit Erziehern, dass „Randzeiten, in den kaum bis keine Kinder da sind, im Kitaalltag gern genutzte Zeiten sind, in denen Vor- und Nacharbeiten passieren, Portfolios mit viel Hingabe
entstehen, aufgeräumt und sortiert wird, der nächste Tag geplant wird ..eben alles das, was, im normalen Ablauf nicht stattfinden kann“.
„Es werden endlich mehr Plätze geschaffen. Jedoch gibt aus unserer Sicht sehr viele „Aber…““ fasst Egler die Position der Elternvertretung zum vorgelegten Konzept der Stadt zusammen, weswegen der StEA nicht uneingeschränkt für dieses Konzept stimmen konnte und sich in
der Abstimmung enthielt. „Wir werden sehen, wie sich das Konzept mit der Realtität der Familien verträgt und als deren Interessensvertreter die Umsetzung und regelmäßige Evaluation hinsichtlich unserer Bedenken begleiten“ so Egler.
Der StEA wünscht sich durch mehr Personal insgesamt mehr Betreuungszeiten, vor allem flexiblere Planungen und entsprechende Möglichkeiten, mit der Kita zu kommunizieren und gemeinsam zu planen. Die Umsetzung soll nicht mit einer Zunahme der bürokratische
Aufgaben einhergehen. Lohnenswert sei es, der Vielzahl und dem Ausmaß an Dokumentationspflichten im Alltag der Erzieher*innen Betrachtung zu schenken, um hier ebenfalls ein Plus an Betreuungszeit freisetzen zu können. „Und über die Betreuung hinausgehende frühkindliche Bildung haben wir da noch gar nicht gesprochen“ schließt Egler mit einem Augenzwinkern

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