Mit der Ausstellung Monica Bonvicini & Sterling Ruby setzt die Kunsthalle Mainz ihre Serie an Doppelausstellungen fort. Bonvicini und Ruby zählen zu wichtigsten Vertretern einer kritischen Kunst, in der Fragen von Psyche, urbaner Lebenswelt und verstörender Gegenkultur angesprochen werden. In beiden Werken geht es um Potentiale der Freisetzung unter restriktiven Bedingungen. Besonders die Architektur steht im Zentrum. Sowohl Bonvicini als auch Ruby beschäftigen sich mit Räumen. Am deutlichsten wird dies an ihrer Auseinandersetzung mit Gefängnisarchitekturen, die beide Künstler/innen als Gesten von Herrschaft und Repression bearbeiten.
Monica Bonvicini
Bonvicini, die 1965 in Venedig geboren wurde und heute in Berlin lebt, gehört zu den bedeutendsten Künstlerinnen der Gegenwart. Sie nimmt an den Biennalen in São Paulo und mehrmals in Venedig teil, erhält den Goldenen Löwen und den Preis der Nationalgalerie in Berlin. „Ich finde es interessant, darüber nachzudenken, was es heißt, in Räumen zu sein und wie Räume uns beeinflussen“, sagt Bonvicini. Es geht ihr um Fragen der Macht und um psychische Wirkung. Architekturen sind Einfriedungen, in denen sich autoritäre Verhältnisse, Geschlechterrollen und Herrschaftsbeziehungen artikulieren. In Zeichnungen, Videos und raumfüllenden Installationen legt Bonvicini diese Strukturen offen. Sie benutzt Ketten, zerbrochenes Glas, rohe Metallgerüste, Motorsägen, Licht- und Textbotschaften. In der Kunsthalle Mainz sind monumentale Treppen zu sehen, die sich auf den Maler Tintoretto und architektonische Zwecklösungen beziehen. Kunst ist energische Revolte gegen Selbstverständlichkeiten, eine Möglichkeit, soziale Praxis und die Bedingungen von Raum neu zu bedenken.
Sterling Ruby
Die psychologische Verfasstheit von Räumen ist auch Thema von Sterling Ruby. Überreizung, Entladung und Szenarios des Ausbruchs prägen sein Œuvre. Zentral wird der Begriff des Exzessiven. Viele seiner Werke zeigen spontane Gesten und willfährigen Ausdruck. Kartons, die ursprünglich den Atelierboden schützen, werden zu großflächigen Bildcollagen verarbeitet. Tonskulpturen härten wie zufällig in formlosen Zuständen aus. Rote phallische Stalagmiten tropfen wie riesengroße Kerzen von der Decke. Ruby, der 1972 in Bitburg, Rheinland-Pfalz geboren wurde und in Los Angeles lebt, greift die strengen Formen der Minimal Art auf, um sie zu attackieren. Er zeigt Kuben, Sockel und Plattformen und verletzt sie mit anarchischen Angriffen. Dazu benutzt er Graffiti und Fingerabdrucke, Farbspritzer, Camouflagetechniken und zerlaufende Lacke. Zerkratzt, zerschlissen und zerbrochen vermehren sich rationale Ordnungen zu angstbesetzten Ensembles. Ruby verschneidet Street Art mit Aktionismus, Bildmacht und Zerstörungswut, Konstruktion und destruktive Gebärde, Verschwendung und Punk, Kult und Melancholie.