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Mutti macht’s – Mütter und der berufliche Wiedereinstieg von Frauen nach der Schwangerschaft

Die Gutenachtgeschichte gibt es bei Familie Skako schon nachmittags um 15 Uhr: „Denn ich habe zwei Kinder und zwei Jobs“, erzählt Sanja Skako. Die 32-Jährige ist vor drei Jahren samt Mann und kleiner Tochter aus Kroatien nach Mainz gekommen. Sie ist gelernte Erzieherin und hat in der Heimat keinen Job gefunden. Inzwischen hat die junge Mutter noch einen zweieinhalbjährigen Sohn; ihr Mann ist wieder in die Heimat zurückgekehrt. Sanja ist wild entschlossen, es in Deutschland zu schaffen. „Es war so schwer am Anfang“, sagt sie rückblickend. Vor einem Jahr hatte sie noch nicht einmal eine Wohnung, keine Arbeit, kein Geld, dafür aber zwei kleine Kinder und Hartz IV. Nun hat sie, wenn die Kinder vormittags in der Kita sind, einen Minijob in der Kinderbetreuung und arbeitet abends Teilzeit in der Gastronomie. Ohne ihren Bruder und die Schwägerin, die um die Ecke wohnen und auch die Kinder betreuen, würde das nicht funktionieren. Daher also die Gutenachtgeschichte am Nachmittag. Das tägliche Vorlesen ist Sanja wichtig. „Anders geht es gerade nicht“, bedauert die Zweifachmama die Situation. Sobald sie für die Kinder einen Hortplatz bis 17 Uhr gefunden hat, möchte sie auch wieder zum Deutschkurs gehen. Denn erst wenn die erforderlichen Deutschkenntnisse nachgewiesen werden können, wird ihre Erzieher-Ausbildung anerkannt.

Alte Rollenbilder sind tief verankert

Die Motivation, nach der Elternzeit wieder zu arbeiten, ist völlig unterschiedlich. Probleme beim Wiedereinstieg haben aber viele Frauen. Die eine will nach der Familiengründung karrieremäßig dort weitermachen, wo sie aufgehört hat. Die andere muss ihre Familie alleine ernähren. Die nächste würde zwar gerne länger zu Hause bleiben, doch das alleinige Einkommen des Mannes reicht nicht aus. Wieder eine andere nutzt die Familienphase, um beruflich neu durchzustarten – und findet dann keine (Teilzeit) Stelle. Als Konsequenz nehmen viele Frauen Jobs an, für die sie überqualifiziert sind, oder machen sich (in der Not) selbstständig. Wie gut es Frauen gelingt, einen neuen Job zu finden, hängt in besonderem Maß auch von ihrer familiären Situation ab. Das hat eine Auswertung der Arbeitsagentur ergeben. Am deutlichsten zeigen sich die Unterschiede in der klassischen Familienkonstellation: verheiratet und ein oder mehrere Kinder. Hier gelingt es Männern drei Mal häufiger, eine neue Stelle zu finden als Frauen. Die Quote lag 2017 bei 32 zu 9 Prozent. Sogar alleinerziehenden Männern gelingt der Sprung besser. „Die Zahlen machen deutlich, dass alte Rollenbilder nach wie vor sehr verbreitet sind“, weiß Heike Strack, Chefin der Mainzer Arbeitsagentur. In den meisten Partnerschaften verdient der Mann immer noch mehr. Es hat also oft ökonomische Gründe, dass die Frau den Großteil der Elternzeit in Anspruch nimmt.

Was, wenn das Kind mal krank ist?

Als Mutter zweier kleiner Kinder fühlte sich Annelies Degryse bei der Jobsuche regelrecht diskriminiert: „Mein Mann wurde beim Vorstellungsgespräch noch nie gefragt, was er macht, wenn seine Kinder mal krank sind“, sagt die gebürtige Belgierin, die 2015 durch einen Jobwechsel ihres Mannes nach Mainz kam. „Ich könnte das nicht, nur mit den Kindern zu Hause zu sein und nirgendwo Anschluss zu finden.“ Nach einer langen verzweifelten Durststrecke hat die promovierte Philosophin eine Teilzeitstelle als Office-Assistant bei einem Mainzer Biotech-Unternehmen gefunden – mit Aufstiegsperspektive. Dabei geholfen hat ihr das Coaching der „Perspektive Wiedereinstieg“, ein Programm des Bundesfamilienministeriums und der Arbeitsagentur. Die Unterstützung durch Projektleiterin Uta Galle-Hahn stellte sich für die 39-Jährige in dieser Phase als Glücksfall heraus. Ihr Blog „wonderoftheday.com“, in dem sie über ihre Erfahrungen als arbeitssuchende Mutter und Akademikerin im Ausland schreibt, hat ihr ebenfalls geholfen – und überzeugte auch ihren jetzigen Chef. Zu Galle-Hahn in die Beratung kommen vor allem Frauen, die schon länger Familienzeit haben und keine richtige Anbindung an den Arbeitsmarkt mehr. Die Diplompädagogin hilft, „Rückkehr-Gespräche“ vorzubereiten und gibt Tipps, gegenüber Arbeitgebern zu argumentieren. Denn rechtlich seien Frauen durch das Rückkehrrecht eigentlich gut aufgestellt. In der Praxis sieht das allerdings anders aus. „Handfeste Verhandlungen mit dem Arbeitgeber sind daher wichtig“, weiß sie. Wenn eine Frau sagt, sie hätte gerne einen stufenweisen Wiedereinstieg, werde dem oft nicht entsprochen.

Zu wenig Kita-Plätze – trotz Rechtsanspruch

„Beim ersten Kind geht man noch ganz naiv an die Sache ran nach dem Motto: Ich hab doch Anspruch auf einen Betreuungsplatz.“ Nach dem dritten Kind weiß Daniela Bublitz, dass ohne massiven Druck gar nichts geht. Eine gute Betreuungssituation ist für die Gründerin des „Business Moms e. V.“ der Dreh- und Angelpunkt, wenn es um den Wiedereinstieg nach der Elternzeit geht. Das böse Erwachen erfolgt nicht selten schnell nach der Geburt. Bereits dann wollen viele Unternehmen schon wissen, wann denn die Rückkehr geplant sei. Die Business Moms verstehen sich als Inspirationsnetzwerk für berufstätige Mütter und Wiedereinstiegsmütter. Die Mitglieder treffen sich regelmäßig, um sich gegenseitig bei ihrem beruflich-familiären Balanceakt zu unterstützen, und sie fordern eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Denn neben dem Jobangebot ist ein weiteres Problem das Finden eines geeigneten Betreuungsplatzes für das Kind. Die Situation, nicht nur in Mainz, ist nach wie vor unbefriedigend: Trotz geltenden Rechtsanspruchs gibt es zu wenige Kitas und Krippen, von Personal ganz zu schweigen. Wenn man dann einen der heiß begehrten Plätze ergattert hat, können die Wiedereinstiegspläne noch an den Öffnungszeiten scheitern. Das führt dazu, dass Berufspendlerinnen ihre eigentlich tollen Jobs in Frankfurt schweren Herzens kündigen müssen. „Die Mainzer Unternehmen tun zwar einiges für die Vereinbarkeit, wenn man aber bis zum Tag X noch keine Betreuung gefunden hat, dann wird es schwer“, weiß Bublitz.

Mittelständler seien da ihrer Erfahrung nach flexibler. „Bei uns in Belgien gibt es von morgens bis abends Betreuungsangebote. Da arbeiten alle Frauen“, berichtet Annelies Degryse. Auch woanders werden Rund-um-die-Uhr-Betreuungen gefeiert, mit all ihren Vor- und Nachteilen. „Wenn ich hier sage, ich möchte direkt wieder arbeiten, sagen andere Mütter: Die armen Kinder.“ Gesellschaftlich durchgesetzt hat sich die Rund-um-die-Uhr-Betreuung noch nicht. Für Daniela Bublitz ist das auch ein emotionales Thema. Nicht immer lässt eine Mutter ihr Kind mit gutem Gefühl in der langen Betreuung zurück: ein Loslass- Prozess, mit dem auch die Mutter klarkommen muss. „Wenn dann noch das zweite Kind kommt, entsteht ruckzuck eine Lücke von fünf bis sechs Jahren“, sagt Bublitz. Und dazu kommt: Viele Frauen möchten am liebsten erst einmal wieder in Teilzeit arbeiten. Doch vor allem für Akademikerinnen sind oft Vollzeitstellen ausgeschrieben. Dennoch glaubt sie: „Als Berufserfahrene kann ich unter Umständen in einer 20-Stunden-Woche genauso viel leisten wie eine Berufsanfängerin in einer Vollzeitstelle.“ Ein Trumpf, den Frauen ausspielen sollten.

Familiengründung = Karriereknick

Für Anna Wirges stellte sich die Freiberuflichkeit als Weg heraus, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Die 34-Jährige ist gelernte Physiotherapeutin und arbeitete bereits vor der Geburt ihrer heute fünfjährigen Zwillinge als Yogalehrerin. Nach der Geburt stieg sie stundenweise wieder ein und stockte peu à peu auf. Inzwischen ist sie Leiterin eines Yogastudios und weiß es zu schätzen, ihre Zeit frei einteilen und auch von zu Hause arbeiten zu können. Dass die Kinder nur halbtags in die Kita gehen, war eine bewusste Entscheidung: „Ich habe meine Kinder gern nachmittags bei mir. Das ist ein Luxus für mich.“ Für Anna bietet die Freiberuflichkeit nur Vorteile. Ihr Mann führt einen Handwerksbetrieb und kann auch schon mal um 15 Uhr zu Hause sein. Doch für den Großteil der Frauen ist eine Familiengründung zumeist mit einem Karriereknick verbunden. Uta Galle-Hahn beobachtet das bei ihren Klientinnen. Über 50 Prozent der Ratsuchenden sind sehr gut bis hoch qualifiziert. Wenn die Frau sagt, dass sie nach der Elternzeit in Teilzeit wieder einsteigt, wird die Karriere vom Arbeitgeber oft nicht mehr mitgedacht. „Kein Arbeitgeber denkt daran, dass man als Führungskraft auch in Teilzeit arbeiten kann“, kritisiert Galle-Hahn. „Dass diese versteckte Ungleichheit existiert, ist verrückt.“ Sie rät daher dazu, das Thema frühzeitig in der Familie zu besprechen und auch die Kinder in die Pflicht zu nehmen. Denn Kommunikation bleibt auch hier das A und O.

Text Katja Marquardt Fotos Katharina Dubno