Direkt zum Inhalt wechseln
|

Mainzer Leerstands-Agentur „Schnittstelle 5“ löst sich auf

Lange nichts gehört von der einst sehr aktiven Leerstands-Agentur „Schnittstelle5“. Wie sensor nun erfuhr, ist der Verein in Auflösung begriffen. Der Tropfen auf den heißen Stein war das verfrühte Aus im GB1, dem Leerstand an der Großen Bleiche 1. Den hatte die Schnittstelle5 zuletzt an Künstler und Kreative vermittelt. Vereinssprecherin Nicola Diehl: „Nachdem uns die Stadt den Raum GB1 sehr plötzlich gekündigt hat, war die Luft raus. Wir haben über ein Jahr dafür gekämpft, dass wir die Räume bekommen. Nach sechs Monaten war dann ohne Vorankündigung Schluss. Das frustriert schon – und jetzt stehen die Flächen immer noch leer.“ Ähnliches in einem weiteren ehem. Schnittstelle-Leerstand, dem Allianzhaus: Nach einem Jahr erfolgreicher Zwischennutzung musste der Verein raus. Einer von zwei Räumen steht heute immer noch leer.

Doch von vorne: Leerstand beleben, Kulturarbeit ermöglichen – das war das Ziel der ehrenamtlich arbeitenden Schnittstelle5 – Raum für Stadtentwicklung und urbane Projekte e.V., die 2013 ihre Arbeit in der Altstadt am Kirschgarten 1 (ehemals „Ehrenamtsagentur“) aufgenommen hatte. Der gemeinnützige Verein stellte sich der Herausforderung in Mainz Leerstand und Kulturschaffende zusammenzubringen, um Zwischennutzungsprojekte umzusetzen. Und war damit sehr erfolgreich, erhielt mit dem Brückenpreis 2014 sogar eine Landesauszeichnung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Für ihr Projekt erhielt der Verein auch Unterstützung von Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse und Thomas Will, Geschäftsführer der Wohnbau GmbH. Eigentümer und Kulturraumsuchende sollten beraten und zusammengebracht werden. „Zwischennutzung könnte hier in Mainz das Problem der knappen Lebens- und Arbeitsräume lindern. Durch unsere Zusammenarbeit mit der Schnittstelle5 möchte ich weitere Immobilienbesitzer anregen, sich für solche Projekt zu öffnen“, so Grosse damals.

Und es passierte auch einiges: ob Leerstände im Allianzhaus, ungenutzte Bankfiliale, alte Trinkhallen, oder leerstehende Ladenlokale – oft schaffte es die Schnittstelle leere Räume zu vermitteln und zu beleben. Alle so überlassenen Räume wurden mehrfach genutzt: Beim Leerstand Allianzhaus waren es mehr als 30 Nutzer. Das letzte große Ding war dann das GB1 an der Großen Bleiche 1. Hier hat die Stadt die Immobilie gekauft und temporär der Schnittstelle überlassen. Die wiederum brachten Künstler und jede Menge Events rein in die zwei Stockwerke – bis zu einer Neuvermietung hieß es. Das Ende kam früher als angedeutet. Wenige Tage vor der Kündigung im Februar 2019 hatte ein Sprecher der Stadt sich gegenüber Medien noch so geäußert: „Die Zwischennutzung wird mit dem Beginn des Hochbauprojekts enden. Vor Ende des Jahres wird aber vermutlich nichts passieren.“ Jedoch mussten im März diesen Jahres Verein und Zwischennutzer das GB1 nach nur sechs Monaten Nutzung räumen. Passiert ist seitdem wenig. Das Gebäude steht noch leer. Da der gesamte Münsterplatz umgestaltet werden soll, werden sich die Planungen hinziehen. Laut OB Ebling sollen die Abrissarbeiten im nächsten Jahr beginnen.

„Das war am Ende keine glückliche Kommunikation“, so Nicola Diehl. „Ohne Zugang zu Leerständen macht unsere Arbeit wenig Sinn. Wir mussten daraufhin alle Anfragen von Raumsuchenden absagen“. Der letzte Tropfen auf den heißen Stein führte schließlich dazu, dass der Verein sich entschieden hat, aufzuhören. Dazu komme auch die Situation der Vereinsmitglieder. Neben Beruf und Familie fehle aktuell auch die Zeit, neue Leerstände zu öffnen. Es sei nach wie vor mühsam, diese zu aktivieren.

„Es ist für uns jetzt einfach die richtige Zeit, um aufzuhören. Wir blicken auf all das zurück, was wir erreicht haben. Über ein Jahr haben wir das Allianzhaus bespielt, von der Kindertheatergruppe über Ausstellungen, auch von vielen Abschlussjahrgängen der FH Mainz, bis hin zu Konferenzen. Auch das GB1 mitten in der Stadt war ein toller Ort – leider nur für kurze Zeit. Wir konnten eine ehemalige Bankfiliale zwischennutzen; haben dafür gesorgt, dass die ehemalige Trinkhalle am Lessingplatz wiederbelebt wird. Viele Kulturschaffende haben durch uns Räume für ihre Projekte gefunden, das ist toll“, so Diehl. Es gibt zudem mit Initiativen wie „Substanz der Stadt“ engagierte Leute, die sich auch bemühen, Räume zur Kunst- und Kulturnutzung zu öffnen und bereitzustellen.

„Seitens der Stadt hätten wir uns gewünscht, dass der Zwischennutzungs-Gedanke stärker in die Prozesse der Verwaltung implementiert wird. Das haben wir in Gesprächen mit der Stadt von Beginn an betont. Hier ist definitiv noch Luft nach oben“, so Diehl.

Die Schnittstelle hat ihren Vertrag für ihren Büroraum am Kirschgarten bei der Wohnbau gekündigt. Aktuell gibt es also keine Leerstands-Agentur mehr in Mainz. Wer sich berufen fühlen sollte – vielleicht ist jetzt noch Zeit etwas weiterzuführen, was als gute Sache anfangen hat.