Text: Michael Bonewitz
Fotos: Michael Grein
Als vor 22 Jahren die „Erste Mainzer Gasthausbrauerei“ im „Eisgrub“ in der Weissliliengasse 1a sozusagen vor den Augen ihrer Gäste aus Hopfen, Malz und Braugerste ein Bier braute, staunte so mancher Gast. Das Bier schmeckte irgendwie anders, es sah anders aus und es hieß anders: „Helles Märzen“.
Inzwischen haben sich das Eisgrub-Bräu und seine naturtrüben Biersorten längst als fester Bestandteil der Mainzer Gastro-Szene etabliert. Ob im Steinkrug, am laufenden Meter oder als Turm zum Selbstzapfen – das direkt in der Kneipe gebraute Bier hat seine Fangemeinde. Übrigens: Der Begriff Märzenbier wird heutzutage vor allem im süddeutschen Raum für Lagerbiere verwendet. In Österreich ist Märzen sozusagen das „Standardbier“. Im englischen Sprachraum wiederum steht Märzen für das typische Oktoberfestbier.
Allerdings führt die Bezeichnung „Erste Mainzer Gasthausbrauerei“ ein wenig in die Irre. Denn Mainz war in früheren Jahrhunderten nicht nur von Weinstuben geprägt, sondern eben auch von Gasthausbrauereien. Über 200 sollen es in der wechselvollen Geschichte unserer Stadt gewesen sein und bis zu 30 Brauereien gleichzeitig. Davon ist heute freilich nicht mehr viel zu sehen.
Das große Brauerei-Sterben der unzähligen Hausbrauereien setzte bereits im 19. Jahrhundert ein, als sich eine Aktiengesellschaft auf dem Kästrich gründete, die später unter dem Namen „Mainzer Aktien Brauerei“, kurz MAB, über 100 Jahre nicht nur den Mainzer Biermarkt beherrschte, sondern sogar zur größten Bierbrauerei in Westdeutschland aufstieg.
1967 erwarb schließlich die Binding-Brauerei die Mehrheit an der MAB. Viele fürchteten schon damals das Aus der traditionsreichen Mainzer Biermarke. 1983 war es dann so weit, sämtliche Brau-Anlagen wurden abgerissen und das Gelände an einen Investor veräußert, der auf dem Kästrich eine moderne Wohnanlage errichtete. Die Marke MAB verschwand im Archiv der Binding AG, die bereits 1952 von Oetker gekauft worden war und 2002 in Radeberger Gruppe umfirmiert wurde. Sie ist der größte Braukonzern in Deutschland.
Zur Freude vieler Mainzer erlebte das MAB vor einigen Jahren eine Renaissance. Seit das Proviant-Magazin 2004 eröffnet wurde, findet man dort exklusiv das traditionsreiche Mainzer Bier wieder auf der Getränkekarte: in der klassischen Form „urig, vollmundig“ und als Märzen „im Geschmackmalzbetont, aber süffig“. Gastwirt Manfred Wappel bevorzugt es frisch gezapft im Steinkrug mit historischem Logo. Ausgeschenkt wird das MAB übrigens auch auf dem Mainzer Oktoberfest. Nur gebraut wird es eben nicht mehr in Mainz, sondern bei Binding in Frankfurt.
Alter Meister in neuer Schule
Kurioserweise wurde der letzte Braumeister der Mainzer Aktien Bierbrauerei, der 1983 die Kellergewölbe am Kästrich symbolträchtig abschloss und damit zugleich ein Kapitel Mainzer Braukunst beendete, sechs Jahre später der erste Braumeister im Eisgrub: Burkhardt Kühl, der 22 Jahre den Gästen im Eisgrub-Bräu zeigte, dass er nichts von seiner Braukunst verlernt hat. Vor wenigen Wochen durfte er sich in den Ruhestand verabschieden. Neuer Diplom-Braumeister ist Herbert Qurin.
Eisgrub-Chef Benno Frank ist naturgemäß ein großer Anhänger seines naturtrüben Biers. Neben dem Märzen hell und dem Schwarzbier dunkel wird auch noch ein Eisgrub Gold gebraut. Alle Biere haben unter 5 Prozent Alkoholgehalt und kommen ohne Chemie und Konservierungsstoffe aus, dafür müssen sie frisch getrunken werden.
Rheinhessenbräu auf dem Vormarsch
Den exklusiven Titel, einzige Bierbrauerei in Mainz zu sein, verlor Benno Frank im Jahr 2007. Im Stadtteil Mainz-Ebersheim gründeten zwei Bauern, Vater und Sohn, Peter und Christian Karl, Rheinhessens kleinste Bierbrauerei.
„Die Idee hatte eigentlich mein Vater“, erinnert sich Christian. 130 Tonnen Braugerste ernten sie Jahr für Jahr auf ihren betriebseigenen Ackerflächen, die dann irgendwo in Deutschland zur Bierherstellung weiterverarbeitet wurden. „Warum machen wir eigentlich nicht unser eigenes Bier?“, fragte sich Peter Karl in einer Bierlaune. Fortan versuchten die beiden aus reinem Vergnügen, im Miniaturmaßstab Gerstensaft zu brauen. Der Sudkessel war ein Kochtopf, die Malzmühle Marke Eigenbau, die von einer Bohrmaschine angetrieben wurde. „Unsere Brau-Erfolge waren gar nicht mal so schlecht“, scherzt Peter.
Doch aus Spaß wurde Ernst. Als sie in einer Fachzeitschrift eine kleine Brauanlage entdeckte, schlug Familie Karl zu. Eine winzige Ecke in der riesigen landwirtschaftlichen Maschinenhalle auf dem eigenen Betriebsgelände wurde kurzerhand in eine Mini-Brauerei umgebaut. Das Sudhaus misst rund 40 m², Gärkeller und Lagerraum 15 m² und der Kühlkeller zum Nachgären 25 m². Alles sehr übersichtlich.
2,5 Hektoliter schafft die Anlage in gut zehn Stunden. Zwei klassische Biersorten sind die ersten Produkte: Ein helles und ein dunkles. Kaum verließen die ersten Fässer den Hof, brach in Ebersheim der Bierboom aus. 14 Gaststätten, vier Lebensmittelhändler, zwei Getränkemärkte und sogar ein Restaurant in Schwabenheim beziehen seitdem das Rheinhessen-Bräu. Die Bilanz nach den ersten Jahren: Die Brauanlage ist zu klein. Inzwischen steht schon der Nachfolger im Sudhaus. Die Kapazität wurde vervielfacht und der Brauvorgang dauert nur noch sieben Stunden. Das Geschäft brummt, weil die Qualität stimmt. „Wir produzieren ausschließlich Frischbier, also ungefiltert, das heißt naturtrüb, und ohne irgendwelche Zusatz- oder Konservierungsstoffe“, erklärt Peter, „wir pasteurisieren es auch nicht wie es bei den Industrie-Bieren gemacht wird. Bei uns schmeckt das Bier au sder Flasche noch genauso gut wie aus dem Fass.“ Einzige Eins chränkung: Das Bier ist nur rund sechs Wochen lagerfähig. Für die meisten Kunden offenbar kein Problem, sie trinken es vorher aus. Auf Expansionskurs Inzwischen haben die Brauer sogar ein neues Produkt auf den Markt gebracht: Ein helles Weizen, das regen Absatz findet. Im Gärkeller blubbern nun nonstop in acht Tanks 190 Hektoliter Bier vor sich hin. Das Untergärige braucht etwa vier bis sechs Wochen Reifezeit, das obergärige Weizenbier drei bis vier Wochen. „Wir haben sehr schnell feststellen müssen, dass es nicht reicht, nur Bier zu brauen und zu verkaufen“, erklärt Christian Karl. Die Kunden brauchen Gläser, Biertische, Kühler, Schürzen, Bierdeckel, Anstichfässer, längst existieren sogar ein Rheinhessen-Bräu-Poloshirt und ein kleiner Bier-Laster aus Plastik mit Aufdruck. Der Clou: Als mobiler Partyservice stehen kleine, selbst umgebaute Dreirad-Piaggio als Kühl- und Schankwagen bereit, passend für maximal 300 Liter Fassbier. Wer Großes vorhat, kann sogar einen kompletten Kühlwagen als mobilen Bierstand leihen. Wer Bewegung sucht, der findet Rheinhessen-Bräu inzwischen sogar auf dem Mainzer BierBike, das radelnderweise durch die Innenstadt fährt.
Eisgrub setzt auf Originalität
Für Benno Frank vom Eisgrub-Bräu sind die Bierbrauer aus Ebersheim keine Konkurrenz: „Wir sind ja nach wie vor in Mainz die einzige Gasthausbrauerei und unser Bier findet man im Stadtgebiet auch nur im Eisgrub.“ 400 Liter fließen hier durchschnittlich am Tag durch die Leitungen und Rohre und landen schließlich im Glas oder Krug beim Gast auf dem Tisch. Die 500 Quadratmeter große Kneipe hat nicht nur Platz für rund 180 Gäste, sondern auch für die gesamten Brauanlagen.
Gebraut wird viermal die Woche, die einzelnen Stationen des Brauvorgangs sind gut sichtbar in die Gaststätte integriert und längst eine Attraktion für Touristengruppen. Führungen dauern 20 bis 25 Minuten und werden in verschiedenen Sprachen angeboten, selbst auf Türkisch, Russisch oder Chinesisch. Anschließend wird natürlich das frisch gebraute Bier probiert und dazu bestellen die meisten eine knusprige Schweinshaxe, frisch aus dem Ofen mit Sauerkraut und Brötchen.
Der denkmalgeschützte Keller war vor Erfindung des Kühlschranks im 19. Jahrhundert übrigens ein viel genutzter Eiskeller für die Mainzer Bevölkerung. Das bis zu sechs Meter dicke Gewölbe hielt die Eisstangen lange kühl, später diente das Eisgrub als Luftschutzbunker, war nach dem Krieg Lagerhalle für Weinflaschen und zwischenzeitlich Obdachlosenasyl, bis schließlich Benno Frank die erste Mainzer Gasthausbrauerei eröffnete. Gebraut wird selbstverständlich nach dem Deutschen Reinheitsgebot von 1516.