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Mainzer Bier zum Anfassen: Zu Besuch bei Eulchen und Kuehn Kunz Rosen

Bierstadt Mainz? Kaum vorstellbar, in Zeiten von Marktfrühstück und Jutebeuteln. Und doch war die Stadt in einer lange vergangenen Zeit einer der wichtigsten Bierstandpunkte in Deutschland. Am Ende des 19. Jahrhunderts tummelten sich gleich mehrere Dutzend Brauereien in der Rheinmetropole, unter anderem die Mainzer Aktien Brauerei, die zwischenzeitlich als eine der größten Produktionsstätten hierzulande galt. Doch nach und nach verschwanden all jene Brauereien und Braustuben, in denen man ein echtes Mainzer Bier genießen konnte. Manche überlebten die Kriege nicht; bei der Aktien Brauerei wurde schließlich infolge einer Kooperation mit Binding in den 80ern der Betrieb eingestellt. Nur wenigen sind diese Namen heute noch ein Begriff.

Dabei produzierte sogar Schöfferhofer ursprünglich in der Innenstadt, erklären Philip Vogel und Leonidas Lazaridis. Die beiden ehemaligen Mainzer Studenten brauen seit 2013 unter dem Namen „Eulchen“ ihr eigenes Bier. Zunächst in ande ren überregionalen Brauereien eingemietet, wird dieses nun an einem geschichtsträchtigen Ort hergestellt: auf der Kupferbergterrasse – hier haben die beiden Betreiber gut eine Million Euro für die großräumige, etwa 1000 qm umfassende Produktionsstätte investiert. Mit einer 10 Hektoliter großen Brauanlage werden sie pro Jahr etwa 600.000 Flaschen verschiedener Sorten abfüllen. Der Brauerei- Ausschank ist ab jetzt mittwochs bis samstags ab 17:30 Uhr geöffnet. Doch die neue Eulchen-Brauerei ist nicht der einzige Ort, an dem der Bierstadt Mainz neues Leben eingehaucht wird.

Craft Beer made in Mainz

„Mainz hat, was die Bierwelt angeht, Nachholbedarf“, sagt Wendelin Quadt von Kuehn Kunz Rosen (KKR). Mit seinem Geschäftspartner Hans Wägner bildet er den Kopf der zweiten unabhängigen Brauerei. Man setzt auf regionales Bier – manche nennen es Craft Beer. Die aufwendig gestalteten Flaschen stehen in dem ein oder anderen Supermarkt und auch vielen Gastronomien. Dass die Brauerei ihren eigenen schicken Schankraum und immer wieder Feste vor Ort hat, darf immer noch als kleiner Geheimtipp bezeichnet werden. Unweit vom Winterhafen in der Weisenauer Straße 15 befindet sich ihr Reich auf dem Gelände des alten Rohrlagers. In direkter Nachbarschaft befindet sich das Künstler-Kollektiv PENG und das Mainzer Fanhaus samt Kneipe Kick‘n‘Rush. Für diese haben Wendelin und sein Geschäftspartner seit März den Getränkebetrieb übernommen. Aber auch bei KKR selbst lassen sich neben verchromten Tanks und Abfüllmaschinen im denkmalgeschützten Gebäude von Mittwoch bis Samstag mehrere Sorten Bier genießen. Die fast nicht vorhandene Abtrennung zwischen Schankraum und Brauerei ist dabei ganz bewusst gewählt – Bier hautnah erleben lautet die Devise. Auf der Karte stehen etwa zehn verschiedene Fassbiere: die meisten von Kuehn Kunz Rosen selber, einige aber auch von anderen kleinen Brauereien. Eine Speisekarte gibt es auch: Flammkuchen und andere zum Bier passende Kleinigkeiten können verköstigt werden. Es ist ein liebevoll eingerichtetes Plätzchen fernab vom Trubel der Innenstadt. Für gewöhnlich entspannt in diesem Ambiente ein bunt gemischtes Publikum, welches Wendelin selbst nur mit Mühe beschreiben kann.

Ein Bier-Imperium entsteht

Auch das Publikum von Eulchen ist mittlerweile gut durchmischt. Denn neben der Brauerei betreiben sie auch noch den Schlossbiergarten und die alteingesessene Kneipe „Klingelbeutel“ in der Altstadt. Doch der Schankraum in der Brauerei auf dem Kupferberg ist nun das Herzstück: „Es hätte ein kleiner Ausschank werden sollen. Jetzt ist es etwas größer geworden“, gibt Philip zu, kann aber den Stolz über den imposanten Raum nicht verhehlen. Den beiden Gründern lag es am Herzen, so viel wie möglich vom historischen Charme des Gebäudes mitzunehmen, weswegen sie im Zuge der Bauarbeiten teils zugemauerte Teile und Tore freigelegt haben. Eine riesige Ansammlung leerer grüner Flaschen erinnert an die Sektkellerei, die hier einst ihren Sitz hatte. Gleichzeitig wollte man dem neuen Saal einen eigenen Stempel aufdrücken, was dem Duo mit einer großen Tafel in der Mitte des Raumes oder kleinen Details wie hübsch verkupferten Lampen gelungen ist. „Altes zu bewahren, aber auch in unsere Zeit zu übersetzen und ein bisschen neu zu interpretieren“ sei ein Motto, welches sich in den letzten Jahren für Eulchen, nicht zuletzt bei den Bieren, bewährt hat. Insgesamt zwölf Zapfhähne stehen bereit, was bedeutet, dass sich das Eulchen-Sortiment weiter ausweitet. Saisonale Biere wie ein Frühlingsbock sollen ebenso angeboten werden wie Spezialanfertigungen und Biere, die sich vom bisherigen Repertoire unterscheiden. Auch Kooperationen sowie Kreationen anderer Brauereien sollen durch die Zapfleitungen fließen. Im Sommer ist ein Außenbereich geplant. Wie bei den Kollegen von Kuehn Kunz Rosen werden auch hier Snacks angeboten. In Kooperation mit dem benachbarten Restaurant gibt es eine kleine, auf die Biere abgestimmte Karte.

Bierstadt Mainz!

So ist es schön zu beobachten, dass die beiden Braustuben von Eulchen und Kuehn Kunz Rosen das alkoholhaltige Lieblingsgetränk der Deutschen wieder in die Innenstadt zurückholen. Zwar gibt es auch Selbstgebrautes im Eisgrub und Aktien-Bier im Proviantamt, doch sind die anderen beiden mittlerweile in etwas höheren Dimensionen unterwegs. Wem der Verzehr eines kühlen Bieres im Angesicht der Produktionsstätte als Erlebnis hingegen nicht reicht, der kann in beiden Brauereien Führungen belegen sowie an speziellen Veranstaltungen teilnehmen, die das Bier und seine Produktion noch genauer beleuchten. Doch auch ohne derartige Events wird es so schnell nicht langweilig. An den Kupferbergterrassen wird an einem kleinen Kulturprogramm geschraubt, welches den Raum noch besser in Szene setzen soll. Bei KKR freut sich Wendelin aber vor allem auf den Sommer, in dem es hin und wieder zu BBQs im Außenbereich kommen soll, um noch mehr Besucher in Kontakt mit den neuen Bieren zu bringen. Noch nie hat es geschadet, die lokale Szene abseits von Massenindustrie zu unterstützen. Erst recht nicht, wenn man Mainz damit zumindest wieder ein wenig zur Bierstadt machen kann.

Text Till Bärwaldt Fotos Domenic Driessen