Direkt zum Inhalt wechseln
|

Mainzer auf La Palma – Ein Bericht von Wolfi Klein (inklusive Vulkanausbruch)

Überall auf der Welt leben Mainzer und verbreiten gute Laune. Die Sonne im Herzen, den Schoppen in der Hand. Das wollten wir auch erleben und sind für zwei Wochen auf die Insel La Palma aufgebrochen. Endlich Urlaub. Ich hatte keine Ahnung, wo ich da lande, wollte nur meinen Freund Benny besuchen, den ich von früher aus dem Quartier Mayence kenne…


Benny Peter war in seiner Jugend Tauchlehrer im spanischen Cadaqués, dementsprechend immer braungebrannt und locker drauf. Das kam natürlich gut an bei den Mädels in unserer Kneipe und so wurde er der Mittelpunkt und Chef der leichten Unterhaltung. Deshalb dachte ich jahrelang, er wäre ein waschechter Spanier. Dass er aus Mainz-Gonsenheim stammt, habe ich erst Jahre später erfahren. In der Grundschule saß er neben einem süßen Gonsenheimer Mädchen, der Bettina, die er erst 30 Jahre später wiedersah und sich in sie verliebte. Eine späte Gonsenheimer Liebesromanze nahm ihren Lauf. Das Resultat: Die hübsche Marie und Auswanderung auf La Palma.

Anfang 2021, nach dem ersten Lockdown, erwarben sie auf La Palma eine kleine Pension und begannen diese in eine Ferienanlage umzubauen. Was sie da geschafft haben, kann man nicht genug loben. Ich habe mich sehr wohlgefühlt und werde sicherlich Stammgast. Was ich vorher nicht wusste, aus meinem Zimmer blickte ich auf einen ständig rauchenden großen Berg, dem Tajogaite-Vulkan. Entstanden aus der Eruption 2021 des Cumbre Vieja. Es wurde mir glaubhaft versichert, dass die vielen kleinen Erdbeben nicht vom Vulkan stammten, sondern von meinem Rotweinkonsum und ich hier – nur 500 Meter vom Vulkan entfernt – total sicher sei. Auch das tiefe Brummen in der nächtlichen Stille der Insel würde nicht aus dem Inneren des Vulkans kommen, sondern von meiner allerbesten Ehefrau.

Am 19. September 2021 knarrte und knurrte der Boden im ganzen Dorf. Der Vulkan bekam ‚Wehen‘, die Erde wellte sich und viele Erdbeben erschütterten die Insel. Dann wurde es still, die Vögel hörten auf zu zwitschern, kein Hund bellte und die Routine der Menschen wurde unterbrochen. Mit einem furchtbaren Knall stieg eine hohe Rauchsäule in den Himmel. Es regnete Steine. Alles wurde von einem beißenden, schwarzen Rauch eingehüllt. Dann spuckte es aus dem Erdloch einen mächtigen
Lavastrom, der alles unter sich begrub. Auf seinem langsamen Weg ins Meer nahm er alles mit, was ihm im Weg stand. Mit sechs Kilometern pro Stunde flossen zwei Lavaströme im Zeitraffertempo den bewaldeten und bebauten Hang hinunter. Einige Häuser wurden mitgerissen, andere blieben stehen, verbrannten oder wurden von der sich erhärteten Lava erdrückt. Nach drei Monaten war endlich Schluss. Die meisten Menschen konnten nur ihr nacktes Leben retten. Die meisten lagen beim Ausbruch am Strand, befanden sich in der Arbeit und flüchteten um nicht erschlagen zu werden. Asche bedeckte den ganzen westlichen Teil der Insel. Diese musste unter Zeitdruck
schnell von den Dächern beseitigt werden. Sobald diese sich mit Regenwasser vermischte, wurde sie steinhart und schwer. Das hätte weitere Häuser zum Einsturz gebracht. Nachbarn, Freunde und sogar Fremde packten mit an und schaufelten um die Wette. 2000 Häuser, Schulen und Kirchen wurden vernichtet. Benny schickte seine Familie nach Gonsenheim und blieb alleine da. Die Gase die
aufstiegen, waren zu gefährlich. Was sie mit viel Schweiß & Fleiß aufgebaut hatten, drohte vergraben zu werden. Die Lava nahm keine Rücksicht, sie begrub viele Existenzen. Wort wörtlich: Es gab täglich Steinregen, Erdbeben und jede Menge schwarze Asche. Benny verfolgte die täglichen Evakuierungen mit gemischten Gefühlen. Zwei Lockdowns in Deutschland und jetzt das. Mit einem Schlag mittellos?

Verbrannte Träume?
Nicht mit Benny. Er wurde zum echten Palmero. Er schaufelte jeden Tag einen halben Meter Asche aus seinem Grundstück. Tag und Nacht mit der Schaufel in der Hand. Das Zeug erstickte alles Leben. Die ganzen Pflanzen drohten zu sterben, die neuen Dächer einzustürzen. Wie Phönix aus der Asche erstrahlte Pequena Maravilla fünf Monate nach dem Ausbruch wieder. Neben der kleinen Ferienanlage von Bettina und Benny befindet sich der der Mirador de Tajuya. Das ist der Aussichtspunkt von Tajuya mit dem besten Ausblick auf den Vulkan. Von hier aus filmten sämtliche TV-Teams aus aller Welt täglich die Eruption und berichteten live. Noch immer pilgern täglich zahlreiche Besucher hin, um den beeindruckenden, neu entstandenen Berg zu bewundern.

Vom Mirador de Tajuva kann man in die Ferienanlage von Bettina und Benny einsehen. Eines Tages klopfte einer der vielen Katastrophen-Touristen an sein Tor und fragte Benny mit gezückter Filmkamera, wann es endlich losgeht: „Hat er heute schon gespuckt?“, fragte er voller skrupelloser Sensationslust.
„Wer?“
„Na, der Vulkan?“
Benny hätte dem sensationsgeilen Touristen am liebsten die Kamera aus der Hand geschlagen, doch er war zu müde dazu: „Ich möchte Sie aufmerksam machen, das wir um unsere Existenz kämpfen und keine Nerven für euch schaulustigen Idioten haben.“
Mittlerweile hat sich der Gonsenheimer die Ruhe und Gelassenheit der Palmeros angeeignet und lächelt mich an: „Aber vergessen werde ich es nie.“
Ich diesen Urlaub auch nie.
Danke Bettina y Benny!

Hette und Wolfi Klein, die fanden es hier fein.
Wir kommen gern erneut, hoffen das es euch freut.

www.lapalma-maravilla.com

Auswandern oder flüchten?

Kaum haben sie ein paar Falten,
wandern sie aus, unsere Alten,
wer Geld hat und noch fit,
für den ist La Palma der Hit.

Der Rest nach Ungarn, Rumänien, Slowakei.
dort haben sie noch Pflegeplätze frei,
das Leben ist nicht so teuer wie hier,
sie lernen die Sprache und auch Klavier.

Auch nettere Pfleger soll es dort geben,
vielleicht müssen die einfach weniger heben,
dadurch haben sie weniger Stress
und sagen öfter zu den Alten: Yes.

So wurde sogar einer der Alten gefragt:
Gibt’s Probleme? Ob irgendwas hackt?
Die Alten waren zuerst sehr erschreckt:
Wir haben uns dran gewöhnt: Jetzt ist’s perfekt“.

Wer noch nicht extrem dement,
kann erleben manches Event,
man lebt eigentlich ganz gesund
und kommt so langsamer auf’n Hund.

Hauptsache man bleibt in Bewegung
und zeigt auch sonst so manche Regung,
dann ist der Geist noch sehr gesund
und das Leben bis ins Alter schön bunt.

Wolfi

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert