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Literatur made in Mainz – Hiesige Autoren und ihre Neuerscheinungen

Von der Vision zur Wirklichkeit: Rafael
Bravo und sein erstes Buch (Foto: Sascha Kopp)

Ein Krimi aus der Altstadt, Mysteriöses zum Thema Salz, Schlagersternchen am Abgrund, Unruhen in Mailand, ein bewegender Briefwechsel während der NS-Zeit, Kafka und eine Ode an die Querflöte – die Themen sind ebenso facettenreich wie die Gattungen, in denen sich die Plots bewegen. Prosa, die in experimentellen Kurzgeschichten mündet, Lyrik und Kinderliteratur stehen zur Auswahl im Kanon der Mainzer Schriftsteller.
Denn der Lohn der Sünde ist der Tod (Rafael Bravo)
Die Liebe zur Literatur begleitet Rafael seit seiner Jugend. Das Krimi- Genre hat es dem Gonsenheimer dabei besonders angetan, weshalb er schon früh mit dem Verfassen von Kurzgeschichten begann. Einmal einen eigenen Roman zu veröffentlichen, war für ihn eine Vision. Ganz nebenbei verlieh er dem Vorhaben über die Jahre hinweg Kontur. Bravo absolvierte zunächst eine kaufmännische Ausbildung beim ZDF, ehe er zur Mainzer Stadtverwaltung wechselte, wo er sich heute im Bürgerservice um Wohnungsangelegenheiten kümmert. Die Arbeit an „Denn der Lohn der Sünde ist der Tod“ war dabei eine Nebenbeschäftigung: redigieren, neu schreiben und immer wieder gegenlesen. Auf die notwendigen Prozesse legte Bravo großen Wert, so dass sein Thriller erst nach neun langen Jahren fertig war. Dass gute Literatur Zeit braucht, weiß er nicht zuletzt von seinem Schriftsteller-Vorbild Andreas Franz, der über eine ähnliche Dauer an seinem Erstlingswerk arbeitete. Sein Krimi spielt in seiner Heimatstadt Mainz, schließlich kennt er hier jeden Winkel, auch wenn für seinen Plot noch Städte wie Köln, Koblenz und Vatikanstadt maßgeblich sind. Erste Hinweise deuten auf ein religiös motiviertes Verbrechen hin – Kommissarin Nadja Heidler stößt zu Beginn auf ein blutverschmiertes Bibelzitat. Exemplare sind auch bei Amazon erhältlich.

Sarah Beicht engagiert sich neben
dem Schreiben für die Literaturszene (Foto: Miriam Spies)

Ein Kreis aus Salz (Sarah Beicht)
Für die meisten Gerichte ist es eine unverzichtbare Zutat, Straßen befreit es vom Glatteis und gegen Rotwein-Flecken auf Tischdecken soll es Wunder bewirken: Es geht um Salz, das seit Jahrhunderten auf vielfältige Weise eingesetzt wird. Verbunden sind damit auch manche Sagen und Bräuche, denen sich die Autorin Sarah Beicht in ihrem Erzählband „Ein Kreis aus Salz“ angenommen hat. Immer noch praktizierte Rituale wie das Verschenken von Salz und Brot zum Einzug in die neue Wohnung oder das Streuen einer Prise über die linke Schulter, um damit den Teufel direkt in den Augen zu treffen, sind Thema ihrer 13 Geschichten, die sich zwischen wechselnden Welten und Geisteszuständen bewegen. Unter anderem tauchen ausgestopfte Affen und Mörderinnen auf, deren ästhetische Wahrnehmung durch Äxte getriggert werden. Die Autorin hat sich dabei auf kein bestimmtes Genre festgelegt, experimentiert und offenbart einen besonderen Blick auf die Eigenheiten menschlicher Beziehungen. Dinge auszuprobieren und sich für die Literatur einzusetzen, ist für Sarah auch abseits ihrer eigenen Poesie, für die sie bereits mit dem Frankfurter Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde, zur Aufgabe geworden. Mit Ingo Bartsch organisiert sie in der Dorett Bar die Reihe „Lampenfieber“. Regelmäßig kommen Autoren auch außerhalb von Mainz in die Bar, um aus ihren Werken vorzulesen. Auch für die Wiesbadener Villa Clementine ist sie in vielen Funktionen tätig, unter anderem kuratiert sie dort das Pendant zur Mainzer Lesebühne „Textkontor“. Außerdem ist Beicht Herausgeberin des Magazins „Lampenfieber“ und steht kurz vor dem Abschluss ihres zweiten Buchs. „Weiße Kreidekreuze“ soll es heißen und im Frühjahr im Verlag „Brot & Kunst“ erscheinen.

 

Kurioses aus dem Schlagerzirkus:
Ingo Bartsch hat den Roman
„Schlagergate“ geschrieben (Foto: Sarah Nina Marzouk)

Schunkelgate – Schlagerkönigin am Abgrund (Ingo Bartsch)
Dass sich der Schlagerzirkus für große Literatur eignet, zeigt Ingo Bartsch in seinem Roman „Schunkelgate – Schlagerkönigin am Abgrund“. Die Handlung ist mindestens so kurios, wie der Musikantenstadl. Auf einer Benefizgala vertauschen Schlagersängerin Larissa Sturm und der immer beschwipste Mortimer Prinz von Weidelsburg ihre Smartphones. Darauf findet er ein pikantes Video der Sängerin, das um Himmels willen niemals in die Öffentlichkeit gelangen soll, schließlich steht ihr tadelloser Ruf auf dem Spiel. Es beginnt eine kuriose Suche nach der Urheberschaft des Videos. War es möglicherweise der geldgierige Ex-Manager des Volksmusiksternchens oder der leicht begriffsstutzige Tänzer Josh? Spätestens ab dem Zeitpunkt, als ein Erpresser die Sängerin tatsächlich unter Druck setzt, ist es vorbei mit der schunkelseligen Stimmung im Schlagerzirkus. Ingo Bartsch, der gemeinsam mit Sarah Beicht die Lese-Reihe „Lampenfieber“ (s.o.) in der Dorett Bar veranstaltet, beherrscht die humorvollen Töne ebenso wie die spannungsreichen und nachdenklichen, was in „Schunkelgate“ am Beispiel der Spaßgesellschaft deutlich wird.

Nicoletta Giampietro beschreibt die
Unruhen im Mailand der siebziger Jahre (Cover: Piper Verlag)

Mit geballter Faust (Nicoletta Giampietro)
In Mailand wuchs Autorin Nicoletta Giampietro als Tochter eines Italieners und einer französischen Mutter auf. Erst 1995 zog sie nach Mainz, wo sie noch heute lebt. Mit dem zeitlichen und räumlichen Abstand verfasste sie den Roman „Mit geballter Faust“, der im Mailand der siebziger Jahre spielt, einem Jahrzehnt, das von politischen Unruhen geprägt war. Für die Protagonistin Giulia öffnet sich am Liceo eine neue Welt. Gemeinsam mit ihren Freundinnen Carmela und Michele treibt es sie in die Stadt, wo die Jugend für eine bessere Zukunft auf der Straße demonstriert. „Mit geballter Faust“ ist der zweite Roman von Nicoletta. Ihr erstes Buch „Niemand weiß, dass du hier bist“ erschien, als sie fast 60 Jahre alt war. Geschrieben hat sie schon immer, es dauerte jedoch, bis sich ein Verlag fand. Was beide Romane eint, sind die realen politischen Hintergründe und die gefühlvolle Art, Freundschaften zu beschreiben, die aus den düsteren Hintergründen leuchten.

Schreie auf Papier
Das Buch „Schreie auf Papier. Die Briefe von Heinrich und Selma Wolff aus Mainz an ihre Söhne Herbert und Helmut in New York 1937–1941“ gibt einen Einblick in das Leben der jüdischen Familie Wolff während des Nationalsozialismus. Der nahezu komplett erhaltene Briefwechsel dokumentiert den Niedergang einer rheinhessischen jüdischen Familie bis zur Deportation und Ermordung. Selma und Heinrich Wolff, eine alteingesessene Familie, die ihren Lebensunterhalt

Schreie auf Papier: Der bewegende
Briefwechsel der Familie Wolff aus Nackenheim (Cover: Nünnerich-Asmus – Verlag & Media)

als angesehene Händler mit Wein und landwirtschaftlichen Produkten verdienten, mussten 1937 ihr Haus und später ihr Land in Nackenheim verkaufen und nach Mainz in die Kaiserstraße umziehen. Zwischen 1937 und 41 schrieb das Ehepaar knapp 190 Briefe an ihre Söhne, die bereits in den USA lebten, um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Regelmäßig berichteten die Eltern von ihrem bedrückenden Alltag und den Versuchen, ebenfalls das Land zu verlassen: „Wir wollten, wir wären bei euch und hätten alles hinter uns. Wir sind manche Tage so unglücklich und können es trotzdem nicht ändern. Man muss aus- und stillhalten.“ Das Buch „Schreie auf Papier“ wird herausgegeben von Raymond Wolff, Martina und Hans-Dieter Graf sowie Hans Berkessel.

Poetry Slam, Spoken Word,
Lyrik und Rap – Multitalent
Artem Zolotarov (Foto: Artem Zolotarov)

Als Kafka lachte & Kafkas Spiegel- Galaxien (Artem Zolotarov)
Bekannt ist Artem Zolotarov vor allem als Poetry Slammer. 2015 gewann er mit seiner Kunst die rheinland-pfälzische Meister Meisterschaft. Wort und Witz sprudeln nur so aus ihm heraus. An seinem Schreibtisch entstehen deshalb nicht nur Poetry-Slam-Texte. Der gebürtige Ukrainer schreibt auch Theaterstücke, Rap-Texte sowie Prosa und Lyrik. „Als Kafka lachte“ heißt sein Debutroman, in dem man der Figur Jurek dabei zusehen kann, wie sie ihr Leben umkrempelt. Den Job gibt er auf, um seinen Traum zu verwirklichen. Schriftsteller will er werden, was sich jedoch als nicht gerade einfach erweist. Denn um seinen Vorbildern Dostojewski, Hesse und Hamsun zu folgen, bedarf es Kreativität und Disziplin. Und dann tritt überdies noch Laura in sein Leben und verdreht dem angehenden Schriftsteller noch den Kopf. Auch ein Gedichtband ist von Zolotarov erschienen: In „Kafkas Spiegel-Galaxien“ sind 25 Gedichte versammelt, die sich um die Themen Heimat, Liebe und Verlust drehen. Illustriert wurden einige von Ariane Bordone, die in ihren Zeichnungen das Thema der „Gedanken- Spiegelungen“ verarbeitetet.

Begeisterung für die Querflöte:
Britta Roscher hat mit Dietmar
Bertram während Corona ein Kinderbuch geschrieben (Foto: Britta Roscher)

Pusten, Prusten, Blubbern, Klappern (Britta Roscher)
Um Kindern Lust aufs Querflötenspiel zu machen, hat die Wiesbadener Musikerin und Pädagogin Britta Roscher gemeinsam mit dem Mainzer Illustrator Dietmar Bertram ein Kinderbuch verfasst: „Pusten, Prusten, Blubbern, Klappern“ lautet der Titel. In der Dschungelgeschichte machen sich vier Tiere auf den Weg durch den Urwald, um ein Konzert zu geben: Natürlich spielen Affe, Elefant, Schlange und Papagei Querflöten in verschiedenen Größen. Das Besondere: Durch QR-Codes im Buch kann man sich die von Britta eingespielten Musikstücke auch anhören. Sie bezeichnet das Querflötenspiel als ihre Berufung. Die verschiedenen Klangfarben machen das Instrument zu etwas Besonderem. Schon lange unterrichtet sie Querflöte im eigenen Musik-Studio und konzertiert in verschiedenen Kammermusikensembles. Während der Corona-Zeit startete sie gemeinsam mit Dietmar Bertram das Kinderbuch-Projekt. „Wenn mit unserem Buch Kinder für Musik begeistert und vielleicht sogar zum Erlernen der Querflöte motiviert werden können, dann ist das der schönste Erfolg“, so Britta. Das Buch „Pusten, Prusten, Blubbern, Klappern“ ist im Verlag Nova MD oder direkt über die Autorin (www. brittaroscher.de) für 15 Euro erhältlich.

Text Alexander Weiß