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Krieger der Neuzeit: Über die neue Lust an harten Kämpfen

Juan Schikorra setzt seinem Gegner im Muay Thai zu

Boxen, Wrestlen, Schlagen, Treten – (fast) alles ist erlaubt bei MMA (Mixed Martial Arts / „Gemischte Kampfkünste“), der Vollkontakt- Kampfsportart. Populär geworden ist MMA Anfang der 90er Jahre durch die Organisation Ultimate Fighting Championship (UFC), des weltweit größten Veranstalters dieser Art von Turnieren und deren Übertragung im TV, geleitet von Dana White. Mittlerweile wird überall auf der Welt geschaut, es ist die am schnellsten wachsende Sportart.

Schikorra bei der Siegerehrung nach dem Kampf gegen Alexander Zait um die deutsche Meisterschaft ISFA

Natürlich geht es auch mal brutal zur Sache, aber gerade dass mehr gekämpft und mehr Action gezeigt wird als beim reinen Boxen ist der Reiz. In Deutschland ist der Markt noch nicht so stark verbreitet und teils auch wegen der Gewalt bzw. des Images verpönt. Dennoch wird auch hierzulande geschaut, wenn Kämpfer aus aller Welt sich technisch den Knock-Out liefern. Dabei bekommt jeder amtierende Champion pro Kampf etwa 40.000 USDollar, sein Herausforderer immerhin 30.000. Wer erst 5 bis 10 UFC-Kämpfe absolviert hat, muss sich pro Kampf mit 5.000 Dollar zufriedengeben. Die Kämpfer bedienen sich sowohl der Schlag- und Tritttechniken (Striking) des Boxens, Kickboxens, von Taekwondo, Muay Thai und Karate als auch der Bodenkampf- und Ringtechniken (Grappling) des Brazilian Jiu-Jitsu, Ringens, Judo und Sambo. Auch Techniken aus anderen Kampfkunstarten werden benutzt. Dass auch im Bodenkampf geschlagen und zum Teil getreten werden darf, ist wohl das Hauptunterscheidungsmerkmal zu anderen Vollkontaktsportarten. Dies führte im Jahr 2010 zum Sendeverbot von MMA-Profikämpfen im deutschen Fernsehen, das 2014 wieder aufgehoben wurde. In Mainz laufen Kampfnächte auch live, zuletzt in der Lokhalle, bald vielleicht in der Rheingoldhalle und am 23. September in der Sängerhalle Saulheim. Veranstalter ist Oliver Baumgärtner vom Muskelkater Mainz. Das Kampfsportstudio ist neben den Trans4mers sowie dem „Suum CuiqueGrappling“ DAS Studio für MMA vor Ort. Oliver hat eine eigene harte Vergangenheit, holt nun aber Jugendliche durch den Kampf von der Straße, um Testosteron in positive Bahnen zu lenken und den Jungs eine Zukunft zu bieten. Im Muskelkater trainieren dabei überwiegend Studenten: „Wir haben früher kleinere Turniere organisiert. Dann hat MMA immer mehr an Fahrt aufgenommen und zurzeit stehen wir in Gesprächen mit der Rheingoldhalle. Zu unseren Turnieren mit Fightern aus ganz Deutschland und dem internationalen Ausland kommen hunderte Gäste“, stellt der tätowierte Muskelmann klar, während seine Hundewelpen auf ihm rumhüpfen.

Bester Kämpfer aller Zeiten
Schon früher bei den alten Griechen war die Frage: Wer ist der beste Kämpfer, der Boxer oder der Ringer? Diese Fragestellung ist die Geburtsstunde von MMA. Nach dem griechischen Mythos führten Herakles und Theseus den Sport bei den Olympischen Spielen ein. Einige Historiker meinen, dass Soldaten das „Pankration“ als eine Art Übung für den Krieg entwickelt hätten. Andere Quellen geben an, dass die Ägypter schon 2600 vor Christus Pankration ausübten. Die Männer durften dabei schlagen, treten und alle Teile ihres Körpers verwenden; außerdem ringen und den Kampf auch am Boden fortsetzen. Von Anfang an gab es sportliche Regeln. Verboten war es, in die Augen zu stechen und zu beißen. Das Ziel war es, den Gegner mit allen Mitteln zum Aufgeben zu bewegen. Die Kämpfe dauerten so lange, bis einer durch Handheben aufgab, starb, oder die Sonne unterging. Die Kämpfer genossen ein hohes Ansehen, da sie Boxen und Ringen beherrschen mussten. Die ersten olympischen Sportler waren keine Amateure, sondern professionelle Kämpfer, die sehr gut bezahlt wurden, keine Steuern zahlen mussten und von der Stadt ernährt wurden. Zu verschiedenen Zeiten mit verschiedenen Namen lebte die Idee, „den besten aller Kämpfer zu finden“, schließlich weiter. Und auch heute noch geht es oft darum, den GOAT (Greatest of all time / den Bock) zu finden. Die modernen MMA-Kämpfe ähneln dabei dem antiken Vorbild. Man kann den Gegner durch Hebel- oder Würgetechniken zur Aufgabe zwingen oder ihn per k.o. kampfunfähig machen. In der Regel wird im UFC drei Mal fünf Minuten gekämpft. Viele Kämpfe werden jedoch vor Ablauf der Kampfzeit entschieden.

Status Deutschland
Der erste MMA-Verband in Deutschland war die Free Fight Association. Diese veranstaltete 1994 die erste reine MMA-Nacht in Deutschland, gefolgt von Veranstaltungen in Österreich und der Schweiz. Da „Free Fight“ als Name irreführend ist (denn es gab immer Regeln), und da man international vom MMA-Sport redete, ging man auch in Deutschland dazu über, diesen Namen zu benutzen. Das Jahr 2000 markierte einen Neubeginn. Die Vorgaben in Sachen Regelwerk, Trainer- und Kampfrichterausbildung berücksichtigen neben der wissenschaftlichen Arbeit auch Studien wie die der Johns-Hopkins-Universität für Medizin. Ebenso wurden die Regelwerke und Erfahrungen verschiedenster Verbände berücksichtigt. Die International Rules of MMA sind seit 2009 Standard bei MMA-Veranstaltungen. Seitdem erhält der Sport in Deutschland ein gesteigertes öffentliches Interesse und verstärkt mediale Aufmerksamkeit. 2014 gründete sich die German Mixed Martial Arts Federation als deutsche Vertretung der International Mixed Martial Arts Federation (IMMAF).

Albin Hundozi und Oliver Baumgärtner (re.) mit dem Siegergürtel im K1, der „Königsklasse des Kampfsportes“

Szene in Mainz
Gründer Oliver Baumgärtner eröffnete 2005 den ersten „Sportclub Muskelkater“ in Mainz. 2014 übernahm Ivan Freidenberg das Gym in der Unteren Zahlbacher Straße, welches im November 2019 nach einer Rundum-Renovierung und einem Imagewechsel neu eröffnete. Das Muskelkater zählt zu den Top Gyms in Deutschland und ist auch über dessen Grenzen hinaus in der Szene bekannt. Mehrere Europa- und Weltmeister sind aus der Schule von Ivan Freidenberg und Oliver Baumgärtner hervorgegangen. Im Zusammenschluss mit den Kampfsportverbänden IFSA, WFCA, WKU, WFMC und anderen Verbänden werden regelmäßig Kampfsportveranstaltungen ausgerichtet und es wird an Meisterschaften teilgenommen. Oliver hat in seiner Laufbahn als Verbandsrepräsentant hunderte Trainer und Kampfrichter ausgebildet und lizensiert. Sein Fokus liegt auf dem Zusammenhalt als Gemeinschaft und den individuellen Bedürfnissen, damit sich niemand ausgeschlossen fühlt. Fairer Sport steht für ihn im Vordergrund: „Von der ganzen Show drumherum halte ich nichts. Mir geht es um den reinen Sport. Von unseren ausgerichteten Kämpfen haben wir bisher um die 75 Prozent gewonnen.“ Oliver scoutet dabei nach Talenten und spricht diese gezielt an, um sie auf Kämpfe vorzubereiten, wie auf die nächste Fight-Night am 23. September in Saulheim. Hier kämpfen auch nationale und WMTitelverteidiger. Wer die Atmosphäre schnuppern möchte, hole sich ein Ticket im Muskelkater.

Text David Gutsche