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Kratzer in der Krone – Zoff bei Burger King


von Moritz Eisenach, Illustration: Lisa Lorenz

Burger-King-Mitarbeiter werden drangsaliert. Doch das ist kein Einzelfall. Immer mehr Unternehmen schneiden Arbeitnehmerrechte ein.
„Alle haben Angst“, sagt die Burger- King-Mitarbeiterin. Die Drohkulisse ihres neuen „Kings“ habe auch sie, die sonst so selbstbewusste Frau, beeindruckt. Ihren Namen gibt sie nicht preis und bevor sie das Interview zusagte, erkundigte sie sich über den Autor, um herauszufinden, ob er ein „Spitzel der Holding ist“. Fotos sind nicht erlaubt und während des Gesprächs schaut sie fahrig umher, um zu verstummen, sollte jemand aus dem Management ihrer Filiale erscheinen. Sie hat Angst. Vor den neuen Regeln und Strafen bei Burger King in Mainz.

Das Konglomerat
Aufgestellt hat diese Regeln die Yi Ko Holding GmbH. Das Unternehmen aus Stade ist ein Joint-Venture, zu gleichen Teilen geführt von dem Türken Ergün Yildiz und dem Russen Alexander Kolobov. Über beide ist wenig bekannt, laut Medienberichten betreibt Kolobov mehr als 100 Schnellrestaurants in Russland, neben Burger King auch für die Cafe- Kette Schokoladniza. Er gilt als treibende Kraft der Burger-King-Expansion in Russland. Yildiz betreibt seit mehr als zehn Jahren Burger- Kings in Deutschland. „Er sagt immer, dass er mit uns gemeinsam Erfolg haben will“, sagt die Mitarbeiterin. Doch Zweifel sind berechtigt:. Im Mai erwarb die Holding die Burger King GmbH und somit 91 deutsche Filialen. Jetzt sind Yildiz und Kolobov hierzulande die größten Franchisenehmer. Das bedeutet viel Verantwortung, fast 3.000 Mitarbeiter sind in den 91 Filialen beschäftigt, in Mainz etwa 60. Die neuen „Könige“ fühlen sich aber vor allem für die Gewinnmaximierung verantwortlich. Um diese umzusetzen, haben sie harte Sparmaßnahmen verordnet. „Wir fühlen uns wie Sklaven“, sagt die verängstigte Mitarbeiterin. Man befolge nur noch Befehle und fürchte Strafen. „Wir dürfen nur drei Getränke pro Tag nehmen, egal wie lange die Schicht dauert oder wie heiß es ist.“ Für weitere verlange Yildiz den vollen Preis, „Kaffee ist verboten“. Eigene Getränke könnten zwar mitgebracht, aber nicht kühl gelagert werden. Außerdem „gibt es keine Feiertags-, Nacht- oder Mehrarbeitszuschläge mehr“, führt die Frau fort, „und die Betriebsräte dürfen ihre Arbeit nur noch in der Freizeit machen“, würden dafür also nicht mehr bezahlt. „Auch das Gehalt kommt nicht mehr pünktlich.“ Je länger das Geld auf dem Konto des Arbeitgebers liege, desto mehr Zinsen verdiene die Holding. Auch die Vertragsstruktur solle geändert werden. „Befristete Verträge werden nur zu neuen Konditionen verlängert.“ Das bedeutet: Löhne deutlich unter Tarif und ein Verbot, sich im Betriebsrat zu betätigen. Auch gebe es weniger Urlaub. „Da jetzt auch die Samstage als Arbeitstag gelten, reichen die 24 Urlaubstage nur noch für vier, statt wie bisher fünf Wochen.“ Die Filialleiter sollen hart bestrafen. „Wer sich widersetzt, bekommt eine Abmahnung. Die zweite kann schon die Kündigung sein.“

Gewerkschaft empört
Guido Noll von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ist empört: „Die gesamte Betriebsvereinbarung wurde gekündigt. Das ist rechtlich nicht tragbar, aber die ignorieren das einfach.“ Die Beschäftigten seien verschüchtert und würden bei der NGG um Hilfe bitten. „Sie müssten sich nicht an die Verbote halten, da gibt es Fristen und Gesetze“, sagt Noll. Aber das sei Menschen in Existenzangst kaum begreifbar zu machen. Inzwischen regt sich Widerstand. Die Betriebsräte sind alarmiert, existieren aber nur in 39 der 91 von Yi Ko übernommenen Restaurants. „Streik ist nicht ausgeschlossen“, heißt es aus ihrem Dunstkreis. Zudem hat die NGG ein überregionales Treffen organisiert, um zu besprechen, wie man zu fairen Arbeitsbedingungen kommen kann. „Wir wollen den Beschäftigten und den Betriebsräten die Angst nehmen“, sagt Noll mit Blick auf die Ergebnisse des Treffens, „über rechtliche Schritte denken wir nach.“

Gesamtwirtschaftliches Problem
Die Zustände bei Burger King machen auf dramatische Weise deutlich: Die „Wirtschaftskrise“ kommt immer mehr auch in Deutschland an. Noch weitere Mainzer Unternehmen tragen ihre Probleme auf dem Rücken der Mitarbeiter ab. Etwa die Logistik-Tochter der Bahn, Schenker Rail, hat starke Auftragsrückgänge zu verbuchen und erwägt die Einführung von Kurzarbeit und Arbeitszeitkonten. Die Dienstleistungsgewerkschaft verdi berichtet von Tarifverhandlungen im Einzelhandel. Mitte Juni rief sie zu Warnstreiks auf, damit die Beschäftigten von Real nicht ohne Lohnerhöhungen ins nächste Jahr gehen müssen. Vor der dritten Verhandlungsrunde war Real schließlich dazu bereit, Löhne und Gehälter anzuheben, wenn die Mitarbeiter im Gegenzug zu stark verschlechterten Arbeitsbedingungen „Ja“ sagen würden. „Das ist unser Tagesgeschäft“, sagt Dehnert, Sprecher von verdi Rheinland-Pfalz, „der gesamte Einzelhandel wandelt sich grade von einer Branche mit relativ guten Tarifverträgen zu einem Niedriglohnbereich.“ Das sei bei Call-Centern, Paketzustellern und Sicherheitsdiensten schon längst der Fall. „Militäreinrichtungen und auch Polizeidienststellen werden oft von Menschen bewacht, die weit unter zehn Euro pro Stunde bekommen“, weiß Dehnert und benennt einen Trend: „An den Rändern aller Branchen bilden sich prekäre Bereiche.“ Burger King ließ verlauten, dass man „nach Bekanntwerden der Vorwürfe eine umgehende Prüfung eingeleitet“ habe und „aktuell intensive Gespräche mit der Yi Ko Holding GmbH“ führe, um eine „schnellstmögliche Aufklärung herbeizuführen“. Offenbar fruchtet das: In informierten Kreisen mehren sich die Gerüchte, Yildiz rudere zurück und werde seine neuen Regeln aufgeben.