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Interview mit Hermann Junglas (Veranstalter Ska & Kultur in der Reduit)

Reduit1Seite
Du veranstaltest seit Jahren die Ska-Konzerte und Open Airs in der Kasteler Reduit. Was sind die Highlights dieses Jahr und wie bist du eigentlich dazu gekommen?

Im Juni haben wir wie immer zur Johannisnacht das Feuerwerks Open-Air und am 9. Juli das große Schaulaufen der Szene zum Riverside Stomp Open Air. Gekommen ist das eigentlich damals in den 90ern, als ich mit Freunden viele Konzerte besucht habe und wir uns dann dachten, sowas auch mal selbst zu veranstalten. Die ersten Schritte haben wir im King-Park gemacht mit Ska und dem einen oder anderen afrikanischen Künstler. Später bin ich weitergezogen in die Reduit. Da gibt es eine ganze Menge von Vereinen, die alle über das Wiesbadener Jugendzentrum laufen. Da habe ich dann nach und nach Partys und Open Airs veranstaltet, aber es gibt dort auch noch viele andere Konzerte von anderen Veranstaltern, wie das Afro-Deutsche Open Air oder das Meeting of Styles im Juni.

Laufen denn die Konzerte und Partys nach all den Jahren noch?

Erfreulicherweise gut. Wenn es nicht gut laufen würde, wäre es nach 18 Jahren auch das Ende. Aber wir sind nach wie vor sehr zufrieden. Bei den Clubveranstaltungen ist es so, dass nicht mehr Leute reinpassen, als kommen. Wir haben auch schon Veranstaltungen gehabt mit 280 Leuten, aber dann wird es zu eng. Außerdem haben wir einen Verein gegründet, da sind wir jetzt 40 Leute.

Die Besucher und vor allem Ska-Fans, wo kommen die her?

Teilweise von weit weg. Die Ska-Szene war schon immer sehr reisefreudig, weil sie so klein ist und es so wenige Veranstaltungen gibt. Außer aus Deutschland kommen auch viele aus Frankreich, Italien, Polen und England. Die Szene gibt es schon sehr lange, seit 50 Jahren. Das Erfreuliche daran ist, dass sie aus mehreren Generationen besteht. Ich bin also nicht der Älteste und es kommen auch immer wieder Neue dazu. Es gibt natürlich Städte, da ist die Fandichte wesentlich höher, im Ruhrgebiet oder Berlin. Rhein-Main ist nicht so stark.

Welche Merkmale und Klischees machen die Szene aus?

Es gibt da mittlerweile tausend Unterbewegungen, alles betont links. Der Klamottenstil ist aber recht streng vorgegeben. Man trägt Five-Oh-One Jeans zu Doc Martens. Dann Ben Sherman Hemden, die karierten oder die Polos von Fred Perry. Hosenträger natürlich und oft Hurricane Jacken, das sind Windjacken oder Donkey Jackets, so Arbeitsjacken. Das ist der Basisstil. Daneben gibt es noch Anzüge, am besten von Merc aus London. Die schimmern zweifarbig und sind relativ eng geschnitten. Wenn man es ganz gewissenhaft machen will, trägt man dazu spezielle Schuhe, „Loafers“, oder einen Hut und wenn es kalt ist, eine Art schwarzer Gangster-Mantel.

Da gibt es unglaublich viel Detail-verliebtes Zeug. Die klassische Frisur ist der Drei-Millimeter- Crop, das ist schon ziemlich kurz. Kahl rasiert gibt es auch viel, ist aber nicht klassisch. Bei den Mädels gibt es diesen Feathercut. Das ist aber alles nicht verpflichtend und führt nicht zum Ausschluss aus der Szene, wenn man es nicht trägt. Das kostet ziemlich viel Geld und das kann sich nicht jeder leisten. Deswegen ist es auch kein Problem, wenn man nicht so aussieht.

Was bringt die Zukunft in der Reduit?

Es gibt noch das ein oder andere, dass wir ausprobieren wollen und auch noch einige Herausforderungen. Die Anforderungen an Veranstalter sind ja seit Duisburg enorm gestiegen. Man hat plötzlich Auflagen, die der Veranstaltungsgröße teilweise nicht mehr gerecht werden und die auch nicht gerecht sind. Das ist so das Negative. Unser Ziel ist es aber weiterhin, nicht-kommerziell zu bleiben. Außerdem haben wir gerade viel altes Film-Material ausgekramt, da könnte man was draus machen, Richtung Open Air Kino.

Mensch

Du arbeitest bei der Mainzer Wohnbau. Wie kriegst du das mit den Veranstaltungen unter einen Hut?

Chronischer Schlafmangel ist da nichts Ungewöhnliches. Ich kann mir auch gerade wegen einem IT-Projekt und einer Umstellung im Unternehmen nicht frei nehmen, was natürlich vor den Veranstaltungen im Sommer ungünstig ist.

Wie ist dein sonstiger Werdegang?

Ich habe Wirtschaft & IT an der Fachhochschule studiert und davor in Geschäften gearbeitet, um mich über Wasser zu halten. Dabei war auch noch eine Ausbildung zum Datenverarbeitungs-Kaufmann, das gibt es heute gar nicht mehr. Ich habe zwei Kinder, die sind beide erwachsen. Meine Tochter studiert in Würzburg, wenn die hier ist, kommt sie aber trotzdem mal zu einer Veranstaltung. Mein Sohn ist hier in Mainz, der leiht sich auch gelegentlich mal eine Platte aus oder besucht ein Konzert.

Du sprachst Filme an, hast du da spezielle Vorlieben?

Ich habe schon immer ein Faible für Filme gehabt und besitze auch eine ziemlich umfangreiche Sammlung. Ich mag vor allem alte Horrorfilme, aber auch Science Fiction. Und ich sammle verschiedene Serien, englische Krimis zum Beispiel.

Hast du sonst noch Träume, die du gerne verwirklichen würdest?

Ich habe mir erst kürzlich was erfüllt und endlich den Führerschein gemacht. Jetzt fahre ich seit acht Wochen Auto. Vorher hatte ich nie das Gefühl, dass ich einen brauche. Aber Tatsache ist, dass ich in der Freizeit viel unterwegs bin und das war teuer, wegen dem Taxi. Sonst bin ich mit allem sehr zufrieden. Bücher lesen und Reisen sind so weitere Leidenschaften. Im Sommer machen wir immer einen zweigeteilten Urlaub. Zunächst fahre ich auf verschiedene europäische Inseln, dieses Jahr auf die Tremiti-Inseln, die liegen in der Adria. Da wird es dann erfahrungsgemäß nach einer Woche langweilig und dann fahren wir in eine Stadt. Letztes Jahr war das London, dieses Jahr ist das Rom. Also einmal komplette Einsamkeit und einmal das Gegenteil. Ansonsten bin ich auch wegen der Musik viel und gerne in England unterwegs.

Hast du ein Lebensmotto?

Ja: „Seltsam, wie oft das Verlangen die Verrichtung übertrifft“ von Shakespeare. Im Prinzip war mir das immer klar: Es kann nur funktionieren, indem man über das hinaus plant, was man tatsächlich in der Lage zu leisten ist. Das kommt auch daher, weil ich Routine nicht so mag. Die birgt nämlich eine trügerische Sicherheit. Es führt zu nichts, wenn man sich klein macht oder klein denkt.

Interview: David Gutsche Foto: Jana Kay