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Hausbesetzung vor dem Ende?

von Jens Grützner (Artikel aus der Mainzer Allgemeinen Zeitung)

Um 18.42 Uhr betritt Hausbesetzer Philipp den Balkon der ehemaligen Werksvilla in der Oberen Austraße 7 und verkündet den knapp 50 Menschen im Hof: „Euer Aufenthalt hier ist ab sofort illegal.“ Tränen fließen. Zwar sollten alle gewusst haben, dass die Okkupation des seit Jahren ungenutzten Anwesens der Stadtwerke Mainz Hausfriedensbruch darstellte – also von Anfang an illegal war –, doch viele hatten offensichtlich Hoffnung darin gesetzt, dass eine städtische Abordnung ab 16.30 Uhr, der Besuch von drei Männern des Mainzer Bauamts, zwei Männern des Ordnungsamts und zwei Feuerwehrleuten unter der Führung von Bauamtsleiter Erwin Brod, ein Bleiberecht unter Auflagen nach sich ziehen könnte. (Foto: A. Coerper)

„Ich bin jetzt wie vor den Kopf gestoßen“, sagt die 23-jährige Studentin Sarah. Sie hatte Protokoll geführt bei der abschließenden Besprechung mit den städtischen Mitarbeitern. „Eine baubehördliche Allgemeinverfügung ist erlassen worden“, so Sarah. „Es ist uns ab sofort untersagt, dass Anwesen für kulturelle, soziale oder sonstige Zwecke zu nutzen.“

Der Mainzer Pressesprecher Markus Biagioni verkündete am Abend dann offiziell das, was Amtsleiter Brod nur den Hausbesetzern mündlich mitgeteilt hatte: Nach Beratung der Ämter stelle sich die Situation so dar, dass alle Gebäude derart große Mängel aufweisen, dass ein Aufenthalt in diesen eine zu große Gefahr darstellt. „Und das für Samstag geplante Fest kann die Stadt deshalb auch nicht zulassen“, so Biagioni. Denn dafür hatten die Hausbesetzer auf Facebook schon kräftig geworben. Da wären womöglich über 1000 Menschen erschienen. Es gibt aber nicht mal fließendes Wasser und damit keine funktionierende Toilette.

„Einige haben Angst“

Am Donnerstagabend zogen sich die knapp 50 anwesenden Hausbesetzer zu Beratungen über die Situation zurück. „Morgen kommt kein Räumkommando“, so Biagioni. Aber schon die zurückliegende E-Mail der Stadtwerke vom Dienstag, die Ankündigung einer anstehenden Räumung durch die Polizei bei weiterer Nutzung des Gebäudes, hatte bei den Hausbesetzern Eindruck hinterlassen. Lynn am Donnerstagmittag: „Man spürt bei einigen, dass sie schon Angst haben, eine Strafanzeige zu bekommen.“ Entsprechend wollte der Studierende am Donnerstagabend nicht ausschließen, dass bereits über Nacht viele das Haus in der Oberen Austraße verlassen.

Während der Inspektion durch die Ämter hatte Soziologie-Professor Michael Hartmann einen Vortrag vor 50 Menschen im Hof gehalten. Mit den Worten: „Ich hoffe, es hat was geholfen“, verabschiedete er sich. In dieser Zeit war Tobias Huch von den Jungliberalen vorbeigekommen. Huch hatte den Besetzern zum einen ein Grundgesetz mit einem unterstrichenen Hausfriedensbruchsparagrafen mitgebracht, aber auch Toilettenpapier und Brot und Salz. „Zum Einzug“, wie er sagte. Wobei Huch auch anmerkte, dass die Okkupation „zu Diskussionen führe. Und das muss ja auch nicht schlecht sein.“

Schönig: Werden nicht mit Besetzern reden

„Uns geht es jetzt um eine weitere Politisierung“, sagt Lynn am Abend und blickt damit doch schon alleine voraus. Und auch Markus Biagioni betont: „Das Kernanliegen der Hausbesetzer nehmen wir ernst.“ Mehr bezahlbaren Wohnraum und Platz für Kulturinitiativen.

Dazu noch zwei politische Statements: Hannsgeorg Schönig, CDU-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat, präzisierte seine Worte vom Vortag. Man sei nicht bereit, mit den Besetzern über die Besetzung zu reden. Das sei Sache der Stadtwerke. „Zu Gesprächen zu sonstigen Themen sind wir ohne Vorbedingungen bereit.“ Es sei aber nicht angebracht, nach einem Rechtsbruch Forderungen an die Politik zu stellen. Stadtrat Stephan Stritter (Pro Mainz), Aufsichtsratsmitglied der Stadtwerke Mainz: „Pro Mainz wird an keinen Verhandlungen mit den Hausbesetzern teilnehmen und fordert die Stadtwerke Mainz auf, unverzüglich Strafantrag wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung gegen die Besetzer zu stellen.“

Gestern warnten die Stadtwerke zurückhaltend vor der Nutzung des Gebäudes. Dann kamen die städtischen Mitarbeiter.