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Gutenberg TV abgeschaltet


von Markus Lachmann (Artikel aus der Allgemeinen Zeitung)

Im Sommer 2010 ging der neue Privatsender Gutenberg TV auf dem Mainzer Lerchenberg an den Start. Auf „kulturelle und wissenschaftliche Inhalte mit starkem Regionalbezug“ setze er, hieß es damals von den stolzen Machern. Ein Mäzen habe sich für zehn Jahre finanziell verpflichtet. Auf Kabel und im Internet war Gutenberg TV zu empfangen. Nun steht der Sender vor einem Scherbenhaufen. Vor zwei Tagen stellte Kabel Deutschland den Sender ab. Mit dem Mäzen, der Rowe Mineralölwerk GmbH aus dem pfälzischen Bubenheim, sieht man sich im Mai vor Gericht.

Die Versionen, was passiert ist, gehen auseinander: Nach Darstellung des Aufsichtsrats von Gutenberg TV habe der Geldgeber im Oktober die Zahlungen eingestellt. Dieser weist das empört zurück: „Rowe ist bis heute allen seinen Verpflichtungen nachgekommen“, sagt Rowe-Geschäftsführer Michael Zehe dieser Zeitung. Rowe habe sich vertraglich gebunden, den Jahres-Verlustausgleich zu tragen, was für das Jahr 2010 auch passiert sei. Für 2011 sei von Gutenberg TV noch kein Jahresabschluss vorgelegt worden.

Zudem habe das Unternehmen an den Sender Darlehen in sechsstelliger Höhe gezahlt – ohne dass dies vertraglich nötig gewesen wäre. Nun will die Landesmedienanstalt in dem Streit vermitteln. Insider sagen: Nicht Rowe sei für das Malheur verantwortlich, die Probleme seien hausgemacht.

Auch mit seinem früheren Partner, Skyline Television in Mainz, liegt der Sender im Clinch. Der Fernsehdienstleister hatte für Gutenberg TV Sendungen produziert. „Die haben aber gesagt, wir zahlen das nicht“, erklärt Skyline-Geschäftsführer Wolfgang Reeh auf Anfrage. Es gehe um eine Summe von „einigen 100 000 Euro“, so Reeh. Vor Gericht habe Skyline bereits in erster Instanz gewonnen. Laut Reeh hätten auch andere Unternehmen Forderungen in sechsstelliger Höhe an Gutenberg TV. „Eine üble Nummer.“

Auch intern scheint beim Mainzer Kultur- und Wissenschaftssender einiges im Argen zu liegen. Der Sender bestätigte, dass er mit der Bezahlung von freien Mitarbeitern in Rückstand ist, betont aber: Alle festen Mitarbeiter hätten immer ihr Gehalt bekommen. Nach Informationen dieser Zeitung sollen aber für einige Mitarbeiter seit November keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt worden sein. In Aufsichtsratskreisen des Senders weist man dies als „Unsinn“ zurück. Im vergangenen Jahr war der Sender vom Mainzer Lerchenberg in den Stadtteil Drais umgezogen. Mit dem neuen Produktionsort in Drais, so schildern es die Verantwortlichen des Senders, sei man ein Joint Venture mit einem Tonstudio-Betreiber eingegangen. Deshalb wurde umfirmiert: Aus der Gutenberg New Media GmbH wurde die Gutenberg Studio GmbH und CoKG. Dass es Irritationen gegeben hat, begründet Geschäftsführer Guido Steffen mit dem Ummeldeverfahren. So wurden die Mitarbeiter umgemeldet, die Gesellschaft im Handelsregister eingetragen, dann habe es die Steuernummer gegeben. Danach seien für die Kranken- und Sozialversicherung Nachmeldungen erfolgt. Das alles habe seine Zeit gebraucht.

„Es gibt keinen Stress“, heißt es im Aufsichtsrat

Steffen zu der Frage, ob Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt wurden: „Im Detail kann ich nichts dazu sagen, aber das kann ich mir nicht vorstellen“.

Es gebe „keinen Stress“ – weder mit den Sozialversicherungsträgern noch mit dem Finanzamt, sagt ein Aufsichtsratsmitglied. Gutenberg TV wiederum ärgert sich über Kabel Deutschland, denn mit diesem sei eine Art Moratorium für fällige Raten ausgemacht worden. Dazu habe es eine mündliche Vereinbarung mit Kabel Deutschland gegeben. Doch dort überlegte man es sich offenbar anders und schaltete am Mittwoch ab.

2 responses to “Gutenberg TV abgeschaltet

  1. Was soll dass heißen, die festen wären auf jeden Fall bezahlt worden? Besteht mit den Freien etwa keine Vertragsbindung? Ist „freie“ Arbeit etwa weniger wert?

    Traurig, dass auch bei einem Sender, der den altehrwürdigen Gutenberg im Namen bemüht, der Begriff „freier Mitarbeiter“ vor allem allerhand Freiheiten für den Auftraggeber zu bedeuten scheint.

    Zum Beispiel die Freiheit, nicht zu zahlen.

    Zum Beispiel die Freiheit, die Freien als Deppen im Regen stehen zu lassen. Als wären die nicht zuallererst direkt in ihrer Existenz davon betroffen, wenn nicht gezahlt wird. Denn die kriegen nicht so ohne weiteres Geld vom Amt bei Lohnausfällen.

    Und wer ein bißchen die TV-Szene kennt, weiß, dass dort mit einem hohen Anteil an Freien gearbeitet wird. Ein verlogenes Argument, hier anzuführen, man hätte aber die festen bezahlt, die wird man wahrscheinlich an einer Hand abzählen können!

    Eine Frechheit ist das, eine riesengroße Frechheit.

    Im Übrigen hat mich als anspruchsvolle TV-Seherin Gutenberg-TV von Anfang an nicht überzeugt, und ich habe mir wirklich Mühe gegeben.

    Aber das war auf sehr niedrigem Niveau, was da lief. Nicht der Rede, vor allem nicht des Ansehens wert.

  2. Vorallem die Vorsätzlichkeit, die offensichtlich ist, macht das Ganze so erbärmlich! Ich frage mich warum die ganzen Lügen nicht schon früher ans Licht gekommen sind und ich wundere mich wirklich dass erst jetzt der Verbrecher-Sender abgeschaltet wurde!

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