Direkt zum Inhalt wechseln
|

Geschäft des Monats: Michels Gaukler- und Mittelalterladen


von Nicole Bruhn
Fotos: Michael Grein

Klarastraße 2

Eine Tür öffnet sich und wir befinden uns im Mittelalter: Glänzende Schwerter, schwere Gewänder und Flaschen mit handbeschrifteten Etiketten gesellen sich zu metallenem Schmuck, Helmen und verschiedensten Lederartikeln. In der Ecke thront eine schimmernde Rüstung und ein schwerer Leder-Geruch liegt in der Luft. Mittendrin steht Michael Beck, als Gaukler vom Hut bis zu den Sohlen im Stil der Renaissance gekleidet. Und wenn er ins Erzählen kommt, weiß man: Der Mann ist in seinem Element. Auf wenigen Quadratmetern hat er sich eine Mischung aus Werkstatt und Geschäft für mittelalterliches Handwerk geschaffen: Die Nähmaschine kommt vom Schuhmacher gegenüber. Mit der alten Singer kann er bis zu sechs Millimeter dickes Leder verarbeiten. So entstehen Gürteltaschen, Trinkhornhalter und Schwertscheiden, die nach einer Behandlung mit flüssigem Wachs hart und zäh werden. Auch Geldkatzen sind dabei, das sind kleine, am Gürtel befestigte Beutel, in denen früher das Münzgeld aufbewahrt wurde. Der Spruch „Rubbel die Katz“ kommt daher. Soeben ist ein Gürtel aus Rindsund Hirschleder fertig geworden, dezent mit kleinen Applikationen verziert. Es ist eine Auftragsarbeit, offensichtlich für eine zierliche Frau mit Wespentaille: „In der Schule war ich der erste Bub in der Handarbeit“, verkündet Michel.

Handverlesenes Sortiment

Michael Beck hat Autoschlosser gelernt, das Handwerkliche liegt ihm. „Heute heißen die Mechatroniker, das ist nicht mehr mein Ding.“ Zuerst wollte er einen Motorradladen aufmachen, doch dieser Plan scheiterte auf der Zielgeraden. Als er eines Tages über einen Mittelaltermarkt schlenderte, reifte seine neue Idee heran: Er würde sein handwerkliches Talent und sein Faible fürs Mittelalter zu einem entsprechenden Laden samt Werkstatt verbinden. Den Plan hat der 48-Jährige seit Oktober in die Tat umgesetzt. Doch nicht alles hat er selbst gemacht: Die Gewänder aus hochwertigen Materialien, versehen mit schönen Schnitten, kommen aus Frankreich. Es sind von Hand gefertigte Hofkleider aus feinem Leinen, Rüschenhemden oder Tuniken. Auch der „Gugel“ fehlt nicht, jene charakteristische Schulterbedeckung mit Kapuze. Ein Messerschmied vom Bodensee liefert die scharfen Damaszener Klingen, deren Wellenmuster an Jahresringe alter Bäume erinnern. Hinzu kommen Fruchtweine aus Brombeeren, Schlehen oder Quitten und frischer Met aus Honig und Wasser. Die Weine bezieht Michel von einem Winzer aus der Region, lässt sie aber in Apothekerflaschen füllen, „weil es schöner aussieht“. Dann und wann lädt der Gaukler auch zur Verkostung.

Kurse und Aufträge

Beck hat noch einiges vor mit seinem Laden: Die Bogenbau-Bank etwa, die derzeit zum Sitzen einlädt, soll für entsprechende Kurse reaktiviert werden. Pfeil und Bogen werden dann das Sortiment bereichern. Außerdem will er Ornamente in Trinkhörner gravieren. Am meisten beschäftigen ihn jedoch Auftragsarbeiten: Ein Kurzschwert muss noch poliert werden und gerade gibt ein Kunde einen Gürtel für Weihnachten in Auftrag. Zwischendurch wird ausgebessert, geflickt und genietet. Dafür finden ein paar „Taler“ ihren Weg ins Sparschwein.
In seiner Freizeit geht Michel jedoch immer noch gerne auf Mittelalter-Märkte, „aber nur zum Spaß, nicht zum arbeiten“. Dann wohnt er mit seinem Tross im historischen Zelt, trifft Freunde und Bekannte und lässt es sich gut gehen. Und wenn sich morgens beim ersten Sonnenstrahl ein Wikinger vor seinem Zelt aufbaut und zum frisch gebrühten Tee ins Nachbarzelt einlädt, dann ist für Michel die Welt in Ordnung.