von Julius Braun, Fotos: Freifunk & Jonas Otte
Ein kostenloses und selbstverwaltetes WLAN-Netzwerk für die ganze Stadt – das ist die Vision von Freifunk Mainz.
Im obersten Stockwerk des Mainzer Holzturms hocken sieben Männer um einen Tisch, verbiegen konzentriert Drähte und verlöten Kupferteile. Daneben Kneifzangen, Millimeterpapier, Kabel und Computer. „Wir haben gerade unseren dritten Antennenworkshop“, sagt Daniel Weberruß. Der 29 Jahre alte Kommunikationsdesign-Student hat den Verein Freifunk Mainz mit Florian Altherr und Julius Lebert ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, mit WLAN-Routern ein nicht-kommerzielles und kostenloses Netzwerk in der Stadt aufzubauen. Ihr erster Schritt dorthin: Funkantennen Marke Eigenbau. Das Internet gilt vielen längst als Grundbedürfnis. Wer nicht „online“ ist, kann in der Informationsgesellschaft nur schwerlich mithalten. Für Weberruß ist Freifunk deshalb auch ein soziales Projekt, das Bedürftigen Zugang zum Internet verschafft. Aktuell seien sie noch in der Betaphase, das Interesse werde aber immer größer. „Unsere Utopie ist ein Netzwerk, das von Bürgern betrieben wird“, sagt Weberruß, der die Netzneutralität von kommerziellen Anbietern immer wieder angegriffen sieht. „Mit einem freien Netzwerk wird das Internet demokratischer.“ Auch in anderen deutschen Städten verbreiten sich selbst verwaltete Datennetze. Aktiv mitmachen kann jeder, der einen WLAN-Router besitzt und sein Internet mit anderen teilen will. „Alle, denen ich davon erzähle, sind begeistert“, sagt Freifunker Eike Rösch. „Ich glaube, die Zeit ist reif.“
Weltweite Bewegung
Die Idee eines freien Funknetzes kommt aus London und Berlin. 2009 versuchte Weberruß erstmals einen Freifunk in Mainz aufzubauen. „Doch das ist sehr schnell wieder eingeschlafen.“ Mitte 2012 wurden anfängliche technische Schwierigkeiten überwunden und der Verein wächst stetig an. Freifunk Netzwerke tun sich derzeit überall in Deutschland auf. In Hamburg gibt es ungefähr 200 freie Knoten, in Berlin 600. Mainz ist mit 30 Knotenpunkten für freies WLAN noch deutlich kleiner. Surfen mit dem Freifunk kann jeder – zum Beispiel im Peng oder Gebaeude27. Aber auch anderswo entstehen Knotenpunkte. Wer sich aktiv daran beteiligen und sein Internet anderen zur Verfügung stellen will, muss eine entsprechende Software auf seinem Router installieren. Diese richtet die Verknüpfung mit dem Netzwerk ein und leitet die Internetverbindung über Schweden um. „Damit umgehen wir die Störerhaftung“, sagt Weberruß. Das heißt: Wer sein Internet mit anderen teilt, riskiert dadurch keine Abmahnungen wegen Aktivitäten anderer Nutzer über seinen Router. Ein „Vollprofi“ müsse man für die Einrichtung nicht sein, heißt es auf der Website www. freifunk-mainz.de. „Viele Leute denken, Computer und Funk, das ist mir alles viel zu kompliziert“, meint Informatiker Marc, einer der Vorstände von Freifunk Mainz. Doch mit den entsprechenden Anleitungen im Internet sei das gar nicht so schwer. Den Aufbau des Netzwerks empfindet er „ein bisschen wie mein eigenes Gemüse anzubauen“.
Direkter Draht in die Politik
Das Thema freies Internet bewegt auch die Politik: In Wiesbaden plant die CDU-Fraktion, unentgeltliche WLAN-Hotspots einzurichten. Die Kosten soll der Reklamepartner der Stadt übernehmen. Auch Mainzer Politiker bemühen sich um freies Internet. „Wir sind gerade in Gesprächen mit verschiedenen Anbietern“, sagt ein Sprecher der Stadt. Die Freifunker wollen den Fraktionen indes ihr eigenes Projekt vorzustellen. Kostenlosem WLAN, das von Reklamepartnern gesponsert wird, steht Weberruß eher kritisch gegenüber: „Die Firmen machen das nicht aus altruistischen Gründen.“ Amateurfunker, Physiker, Innenarchitekten, Pädagogen oder Chemiker: Die bunt zusammengewürfelten Freifunker aus Mainz verstehen sich nicht als Haufen Nerds. „Nur drei von uns sind Informatiker“, betonen sie. Ihre Treffen finden einmal im Monat statt. „Wer Interesse hat, soll vorbei kommen. Wir suchen Leute aus allen Richtungen“, sagt Weberruß. Im obersten Stockwerk des Holzturms haben sie inzwischen zehn Antennen fertig gelötet. Mit diesen können sie WLAN-Signale verstärken und Router über weite Entfernungen verbinden. Aus einem Erker des Holzturms sendet bereits eine WLANRichtfunkantenne. Geht es nach ihnen, sollen noch weitere folgen.
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