
Marcus R. Lentz leitet seit fast 30 Jahren eine Detektei, die mit echten Ermittlungen wenig gemein hat mit dem Bild aus Fernsehserien – dafür aber mit viel Recht, Verantwortung und Alltag. Seine Arbeit reicht von Schwarzarbeit und Beziehungsmisstrauen bis hin zu Hintergrundprüfungen mit weitreichenden Konsequenzen. Zwischen moralischen Fragen, juristischen Grenzen und menschlichen Geschichten zeigt sich: Detektivarbeit ist selten spektakulär, aber oft bedeutsam.
Von Berlin bis Mainz, von Morgengrauen bis Mitternacht: Das Leben von Marcus R. Lentz hat mit dem Bild, das Fernsehserien von seinem Beruf zeichnen, kaum etwas zu tun. „Würden wir so arbeiten, wie es in vielen Fernsehserien dargestellt wird, hätte ich jetzt wahrscheinlich gerade Hofgang in der JVA“, sagt Lentz und lacht. Denn was dort Spannung erzeugt: Hausfriedensbruch, heimliche Tonaufnahmen und Gewalt, ist im echten Leben schlicht strafbar. Seit 1995 leitet Lentz die Detektei Lentz, ein Unternehmen mit festangestellten Ermittlern, juristischer Ausrichtung und einem hohen Anspruch an Qualität. Mainz zählt von Anfang an zu den festen Einsatzgebieten, mit eigenem Personal vor Ort.
Tag 1: Krankgeschrieben Geld verdienen
In einem Fall, erzählt Lentz, ging es um einen Garten- und Landschaftsbauer, der sich auffallend häufig krankmeldete. Sein Arbeitgeber wurde stutzig, als das Unternehmen mehrere Aufträge verlor: just solche, bei denen der betreffende Mitarbeiter bei der Angebotserstellung anwesend war. Die Detektei übernahm die Observation. Bereits am ersten Tag wurde der Mann auf einer der besagten Baustellen gesichtet, zusammen mit einem Auszubildenden des Betriebs, der offiziell im Urlaub war. Beide führten dort schwarz Arbeiten durch, mit Werkzeugen und Fahrzeugen der Firma. An allen vier Observationstagen konnte die Detektei die nicht genehmigte Tätigkeit lückenlos dokumentieren.
Die Spur ins Tanzstudio
Nicht jeder Verdacht bestätigt sich. Ein anderes Team observiert einen Mann Mitte 70, dessen Ehefrau über achtzig Jahre alt ist. Sie vermutet eine Affäre: anderes Parfüm, stundenlange Abwesenheiten. Die Ermittler folgen dem Mann bis in eine Tanzschule. Dort lernt er verschiedene Tanztechniken, gemeinsam mit einer Tanzlehrerin. Der Grund? Der 40. Hochzeitstag stand an, und er wollte seiner Frau einen Herzenswunsch erfüllen: endlich gemeinsam tanzen. Der Verdacht zerfiel in Rücksichtnahme und Liebe. Auch das ist Alltag in der Ermittlungsarbeit.
Die Verlobte mit Vergangenheit
Manche Fälle sind skurril: In Hamburg bittet eine Unternehmerfamilie um eine Hintergrundüberprüfung: Der Sohn, 44, hat sich mit einer 24-jährigen Frau verlobt. Schnell, vielleicht zu schnell. Die Recherche ergibt: Zwei vorangegangene Verlobungen wurden jeweils nach teuren Geschenken und Geldzuwendungen gelöst. Anzeigen liegen vor. Die Frau war hochverschuldet, was auch durch das Inkassoregister belegt wurde. Und: Ein aktives Profil auf einem Sugardaddy- Portal lässt sich ihr zuordnen. Ein Fall, der zeigt, dass Prävention manchmal vor Schmerz schützen kann.
Zwischen Recht und Moral
„Der ethische Verstoß wird nicht von uns begangen“, sagt Lentz. „Wir dokumentieren ihn.“ Der Beruf erfordert juristische Kenntnisse. Illegal beschaffte Beweise sind nicht verwertbar. Die Grenze zwischen Observation und Eingriff ist scharf gezogen. Grauzonen? Gibt es kaum. „Erlaubt ist erlaubt, verboten ist verboten.“ Genau dafür werden Lentz‘ Mitarbeitende ausgebildet – in einer zweijährigen Ausbildung mit IHK-Abschluss, mit Unterricht in Observationstaktik, Rechtskunde und psychologischer Schulung: „Nur 10 von 100 Kandidaten bestehen unseren Eignungstest“, so Lentz. „Das sind meistens die, die sagen: Ich weiß nicht, ob ich das kann.“ Wer sich hingegen für besonders geeignet hält, fällt oft durch. Erfahrung und Zweifel seien bessere Voraussetzungen als Selbstüberschätzung.
Improvisation statt James Bond
Der Alltag ist fordernd: keine festen Arbeitszeiten, keine Sicherheit, wo der Tag endet. Wenn eine Zielperson ins Casino geht, muss der Ermittler eine Krawatte dabeihaben. Geht es in die Therme: Badehose nicht vergessen. Jeder Einsatz ist anders, jede Reaktion muss sitzen. „Wenn die Zielperson im Hochhaus verschwindet, haben Sie zwei Sekunden, um die richtige Entscheidung zu treffen“, sagt Lentz. Technik hilft, aber das Entscheidende ist der Mensch.
Ein Team wie eine Familie
„Wir verbringen mehr Zeit miteinander als mit unseren Familien“, sagt Lentz. Sein Team ist seit Jahren eingespielt. Viele der Ermittler arbeiten seit einem Jahrzehnt oder länger in der Detektei. Die Belastung ist hoch: ständige Reisen, lange Einsätze, flexible Wochenenden. Aber die Erfahrung, wirklich etwas zu bewegen, wiegt vieles auf. „Man erlebt Geschichten, sieht die Welt, hat Verantwortung. Und man weiß, dass man gebraucht wird.“
Zwischen Alltag und Ausnahmezustand
Was bleibt, ist ein Beruf zwischen Unsichtbarkeit und Intensität. Er erfordert Disziplin, Teamgeist und einen scharfen Blick für Details. Kein Glamour, keine Action – aber echtes Leben, mit echten Konsequenzen. Und vielleicht ist genau das bedeutsamer als jeder Fernsehkrimi.
Text: Alia Hübsch