Direkt zum Inhalt wechseln
|

„Es geht um die Begeisterung“: Mainzer Jugendliche und ihre Freude im Leistungssport

Lotte Gretzler bei einer ihrer sieben Disziplinen (Foto: KJ Peters)

Der dreizehnjährige Rayan Obbad vom Mainzer Schwimmverein 1901. eV. steht auf einem 7,5 Meter hohen Turm und nimmt in der großen, lauten Schwimmhalle nichts mehr wahr. Sein Blick sucht den seiner Trainerin Mirja Wirth; die steht am Beckenrand und zeigt mit Gesten ihre Zuversicht. Sie trainiert Rayan seit der 1. Klasse. Bei neuen und schwierigen Sprüngen glaubt Rayan an sich, wenn sie es tut. So auch zuletzt bei der süddeutschen Meisterschaft im Kunstund Turmspringen in Freiburg.

 

 

Rayan Obbad, Wasserspringer mit großem Talent (Foto: Martin Rulsch, Wikimedia Com-)

Rayan lächelt Mirja an – und springt: Handstandsalto vorwärts gehechtet. Der Moment in der Luft vergeht schnell, dabei ist es das Gefühl des Fliegens, von dem Rayan erzählt, das ihm besonders viel gibt. „Und dann das Eintauchen ins Wasser.“ Eine andere Sportart? Für ihn undenkbar. Dabei muss Rayan in Mainz aktuell hinnehmen, dass das Taubertsbergbad in Teilen geschlossen ist und sich auch die Renovierung des Uni-Beckens hinzieht. Der Mainzer Schwimmverein bietet mit Engagement alternative Lösungen, dennoch blicken Mirja und Rayan ungeduldig auf die Situation. Bei der süddeutschen Meisterschaft jedenfalls gewinnt Rayan in der offenen Klasse im Turm-Wettkampf die Goldmedaille.

 

 

 

 

Felipe Morales Weggeman im Trikot
der Nationalmannschaft

Baseball
Felipe Morales Weggeman ist 12 Jahre alt und spielt Baseball bei den Mainz Athletics und in der U12-Nationalmannschaft. Er trainiert fünf Mal die Woche, einmal davon im Leistungszentrum in Bad Homburg. Dieses Jahr hat er zum zweiten Mal in Folge mit der Nationalmannschaft die U12-Baseball-EM gewonnen. Vor allem sein Auftritt beim EM-Finale 2022 war für Baseballkenner filmreif: Im letzten Inning schlug er bei einem Rückstand von 8:9, mit 2 Aus in der deutschen Mannschaft, einen 2RBIDouble auf den ersten Pitch. Für Nicht-Kenner: Er stand in der Position, in der man mit dem Schläger den Ball treffen muss, als das Finale fast zu Ende war. Alles lag jetzt an ihm: Ein schlechter Treffer würde die Niederlage der Nationalmannschaft besiegeln und das Spiel beenden. Ein gegnerischer Spieler wirft ihm den Ball zu, mit Wucht, Schnelligkeit und einem unvorhersehbaren Bogen, der Felipe übertrumpfen soll. Aber Felipe trifft. Und der Ball fliegt weit ins Feld, dorthin, wo kein Gegner steht. Zwei von Felipes Mannschaftskollegen kommen durch seinen guten Schlag „nach Hause“ – und punkten. Das Spiel ist gedreht, das Finale beendet, die EM gewonnen! Bei der Erinnerung daran lächelt Felipe höflich.

Leichtathletik
Lotte Gretzler ist 16 Jahre und Leichtathletin beim USC Mainz. Im Mai brach sie mit ihren Team-Kolleginnen Emma Kaul und Liv Albertz den deutschen Rekord im U18-Siebenkampf – einen bis dahin 21 Jahre lang unangetasteten Rekord! Lotte fällt dieser Erfolg im Gespräch spät ein: „Stimmt, hab‘ ich vergessen!“ Sie trainiert sechs Mal die Woche und kann sich nichts Schöneres vorstellen. Aber: „Es geht nicht um die Leistung“, erklärt sie, „sondern um die Begeisterung.“ Im September übertraf sich Lotte mit ihren Kolleginnen selbst und das Trio schraubte die historische Mannschaftsbestleistung nochmal in die Höhe. Was Lotte machen würde, wenn sie keinen Ort zum Trainieren mehr hätte? Schwer vorstellbar. „Ich brenne für Leichtathletik“, sagt sie. Diese Sportart, in der man vor allem an sich selbst arbeitet, bedeute nicht, dass sie viel alleine wäre oder sich so fühle. „Ich teile das, was ich liebe, mit anderen, die es genauso lieben.“ So ist auch Felipe zu verstehen, der kaum über Leistungen spricht, sondern eigentlich nur über den Sport an sich – und darüber, dort sein zu wollen, wo Baseball groß ist. Die U12-WM in Taiwan war sein Highlight des Jahres. Und die Mutter schmunzelt: „Da ist er halt auch durchgängig eingesetzt worden!“

Charlotte Kriebel in ihrer Position als „Point Guard“ (Foto: Stephan Hahne – Fotohahne.de)

Basketball
Charlotte Kriebel weiß gut, was das bedeutet. Sie spielt Basketball beim ASC Theresianum und bei den Rhein-Main Baskets, den diesjährigen Deutschen Meistern der U18-Bundesliga. Je länger ihre Einsatzzeiten, desto glücklicher ist sie. Tatsächlich sitzt sie nur noch selten auf der Bank. „Ich ernte die Früchte der letzten Jahre.“ Aktuell arbeitet sie sich zur ersten Aufbauspielerin hoch. Mit 17 wird sie nun zum Vorbild für die Jüngeren, beobachtet ihr Vater. Charlotte würde sich freuen, wenn noch mehr junge Mädchen zum Basketball fänden, und räumt mit einem Vorurteil auf: „Man muss nicht besonders groß sein!“ Der ASC biete auf jeden Fall die perfekte Trainings-Umgebung, die Damenmannschaft spielt aktuell in der 2. Bundesliga. Allerdings ist Coach Aron Duracak gerade zurückgetreten und die neue Trainerlösung noch unklar. Charlotte hofft, dass junge Spielerinnen weiterhin so gut gefördert werden. Für sie unverständlich ist es, wenn im Basketball ein Unterschied zwischen Männern und Frauen gemacht wird – im Verein passiere das nicht, wohl aber in den Zuschauerrängen. Selbst wenn die Frauen höher spielen, bekommen die Männer mehr Publikum. Den Familienkalender jedenfalls bestimmen Charlottes Spiele.

Leistungssport oft Familiensache
Bei Felipe war es der Vater, der schon Baseball spielte. „Andere gehen mit dem Fußball in den Park, Stevan hatte Handschuhe und Baseball dabei“, erinnert sich Felipes Mutter. Stevan Morales Weggeman ist mittlerweile auch Felipes Trainer bei den Mainz Athletics. Felipes Mutter, Vicky Morales Weggeman, ist im Vorstand des Vereins, Felipes Bruder spielt bei den Bambinis. Auch Lottes Schwester Line ist wie sie beim USC und deutschlandweit bereits die beste Stabhochspringerin ihrer Altersklasse. Rayans Bruder wird 6 und kann schon Salto springen. Charlotte ist ihrerseits die jüngere Schwester und bei der Großen dabei gewesen, als die zum Basketball fand. Ihr Vater, Holger Kriebel, ist im Vorstand des ASC, er fährt Charlotte auch quer durch Deutschland, wenn es sein muss. „Ohne meine Eltern wäre das alles nicht möglich“, weiß Charlotte. Dass die jeweiligen Eltern „das alles“ gerne machen, glaubt man ihnen sofort. Zumal die Kinder auch in der Schule „am Ball“ bleiben. Und: Trotz ihrer unterschiedlichen Situationen haben sie gemein, glücklich und dankbar zu sein. Sie alle wollen allerdings noch eine Sache von ihrem jeweiligen Sport: Mehr!

Text Felicitas Pommerening