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Dr. Treznok verabschiedet sich vom Humanismus – sensor September-Kolumne

DrTreznok
In England hat sich kürzlich ein Forscher absichtlich selbst mit einem Virus infiziert, und zwar mit einem Computervirus. Das klingt skurril, ist aber wahr. In England ist es schon viel üblicher als in Deutschland, sich chippen zu lassen. Vor allem kleinen Kindern werden gern Chips implantiert, damit man sie immer vom Rechner aus über GPS orten kann. Nun hat ein Forscher sich gefragt was wohl passiert, wenn der Chip infiziert wird, und hat es gleich bei sich selbst getestet.

Im Sommerloch wäre auch eine andere Meldung fast verschwunden. Bei den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften gewann ein Sportler mit einer Unterschenkelprothese den Dreisprung-Wettbewerb und ist damit für die Europameisterschaft qualifiziert. Nun wirft man ihm Technik-Doping vor und will ihm die wohlverdiente Medaille wieder wegnehmen. Was die Regularien der Europameisterschaften dazu sagen ist unklar.

Schon bald könnte es auch in Deutschland üblich werden, sich Chips implantieren zu lassen. Einige Funktionen könnten sehr praktisch sein, z.B. ein elektronischer Wohnungsschlüssel im Zeigefinger. Ein Touchscreen in der Handinnenfläche wäre nicht schlecht. Man könnte sich auch ein Smartphone in den Unterarm einbauen lassen. Auch elektronische Hilfsmittel für die Geschlechtsorgane wären denkbar. Der Leistungssport könnte sich endlich weiterentwickeln. Die Jagd nach neuen Rekorden könnte Sportler ermutigen, ihre Unterschenkel durch spezielle Sprung-Prothesen ersetzen zu lassen. Schwimmer bekommen Schwimmflossen statt Füße und Fußballer Fußgelenke, die um 360 Grad drehbar sind.

Der Transhumanismus ist nicht aufzuhalten. Der Humanismus ist längst Geschichte, sozusagen Humus für den Tanshumanismus. Die Maschinen-Menschen sind schon lange auf dem Vormarsch, und in ein oder zwei Generationen werden transhumane Menschen auf der Erde leben. Aber man muss nicht gleich an den ferngesteuerten Sklaven denken, der in irgendeiner Matrix vom bösen System ausgebeutet wird. Es hängt immer davon ab, mit welcher Intention man etwas tut. Jeder, der eine Brille oder ein Hörgerät trägt, ist bereits optimiert. Was spricht also dagegen, dass Sportler spezielle Prothesen benutzen oder Kindern Chips eingepflanzt werden, damit man besser auf sie aufpassen kann?

Sofort werden Bilder wach aus Science-Fiction-Filmen, in denen Roboter-Menschen über ein diktatorisches System wachen, eine schöne neue Welt der Herrenrasse nebst Unterklassen, eine menschenverachtende Gesellschaft aus computergesteuerten Cyborgs, die willig jeden Befehl ausführen. Und die Debatte um den unterschenkel-amputierten Dreispringer scheint diesen Befürchtungen recht zu geben: ein Behinderter hat es gewagt, den Paralympics den Rücken zu kehren, um in der Welt des nichtbehinderten Leistungssports für Furore zu sorgen. So hatte man sich Inklusion nicht vorgestellt.

Was aus dem britischen Forscher und seinem verseuchten Chip geworden ist, weiß ich leider nicht. Vielleicht macht seine Google-Brille nun dauernd falsche Angaben, vielleicht erklärt ihn die digitale Welt für verstorben oder nie geboren. Da wir uns bisher immer vom Humanismus haben blenden lassen, sind wir nicht richtig auf den Transhumanismus vorbereitet. Die Verschwörungstheoretiker haben zwar einen Evolutionssprung der Menschheit schon lange vorausgesagt, aber wir glauben immer noch, dass ein optimierter Genpool durch Zuchtauswahl und zusammengepanschte Chromosomen die Zukunft ist. Das war und ist der Irrtum des Humanismus. Dieser Evolutionssprung wird nämlich durch die Einheit mit Maschinen und Computern stattfinden.

Erstmal bleibt abzuwarten, ob unser unterschenkel-amputierter Dreispringer nun zu den Europameisterschaften darf, oder ob neue Weltrekorde nur noch bei den Paralympics erreicht werden, weil man dem Transhumanismus nicht zutraut, positive Wirkungen zu haben. Bis dahin sage ich schonmal: adieu, Humanismus! Ich setze mir lieber eine Lesebrille auf, denn ohne dieses Augen-Doping kann ich die kleine Schrift im sensor nicht mehr lesen. Und das Smartphone lasse ich mich dann doch lieber in die Handinnenfläche einbauen, das ist zum Telefonieren praktischer.