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Dr. Treznok: Bricht eine Lanze für Kunst


Das Pengland ist wieder mal obdachlos und sucht eine neue Bleibe. Man hat sich daran gewöhnt, dass alle zwei Jahre eine Abschiedsfeier im Peng steigt in der bangen Hoffnung, baldmöglichst neue geeignete Räume zu finden. Bisher hat es immer geklappt, aber sicher ist das nicht.

Der Kunstverein Walpodenstraße war mehrere Jahre ohne eigene Räume. Veranstaltungen oder Ausstellungen fanden im Schick & Schön, im KUZ oder in leer stehenden Möbelhäusern statt, bis man endlich in der Neubrunnenstraße ein neues Zuhause fand.
Raumprobleme haben fast alle künstlerischen Initiativen in Mainz. Der Kunstverein Eisenturm hat zwar über die Stadt abgesicherte Räume, doch die Treppe im historischen Turm ist für viele alte oder behinderte Menschen ein unüberwindliches Hindernis. Die benachbarte Brückenturmgalerie wäre besser geeignet, steht aber seit zehn Jahren leer. Die Brückenturmgalerie wäre sogar zu haben, aber für einen Kunstverein unbezahlbar. Auch sonst steht vieles leer, was für künstlerische Aktionen geeignet wäre. Darauf spekuliert auch das Pengland immer wieder. Das performance art depot hat sich ebenfalls in einem ehemaligem Leerstand eingerichtet. Für viele Hauseigentümer ist es jedoch günstiger, die Räume leer stehen zu lassen oder kostenlos zur Verfügung zu stellen, als unter Marktwert zu vermieten. Was passiert, wenn ein „richtiger Mieter“ anklopft, das weiß niemand im pad.
Kunst in Nischen
Die Kunst muss sich immer wieder mit Provisorien abfinden. Fördergelder gibt es fast gar nicht mehr, während die Kosten für Strom oder Heizung steigen. Ehrenamtliche Helfer sind gefragt, Honorare für Künstler gestrichen. Das muss nicht nur schlecht sein, denn oft entsteht große Kunst gerade in einem solchen Mangel. Ob aber das Staatstheater auf Dauer großartige Inszenierungen auf die Beine stellen kann, wenn die Kostüme aus Altkleidercontainern zusammengeklaut werden müssten, ist fraglich. Da würde man sich als Landeshauptstadt in Sachen Kunst schnell blamieren.
Fragt sich noch, warum ich hier über die Probleme der Kunst lamentiere, wo es doch viel Wichtigeres gibt. Die dramatischen Etat-Streichungen betreffen schließlich wesentlichere Bereiche des öffentlichen Lebens. Schulen, Krankenhäuser oder soziale Einrichtungen müssen sehen, wie sie zurechtkommen. Kommerzialisierung und Privatisierung nehmen überall zu. Die Entwicklung von Kindern wird bald dadurch bestimmt werden, welche Privatschule sich die Eltern leisten können, weil in den öffentlichen Schulen kein Platz mehr ist zum Lernen. Und medizinische Maßnahmen lohnen sich dann auch nur noch für diejenigen, die in Lohn und Brot sind und Raten an die Krankenkassen abarbeiten können. Arme Rentner lassen sich dann am besten einschläfern und die Kunst wird kommerzialisiert. Nun habe ich nicht grundsätzlich etwas gegen betriebswirtschaftlich sinnvoll verkaufte Kunst. Wer es sich leisten kann, 150 Euro für eine Theaterkarte auszugeben, kann das gern tun. Dann sind die Schönen und Reichen unter sich, während die ökonomisch Armen sich billige Kunstdrucke in der Tafel anschauen können, wo sie ihre Almosen abholen. Und wenn Politiker meinen, dass sie Geld nicht stricken können – das ist so gut wie Theater. Da ist öffentlich geförderte Kunst wirklich nicht existenziell. Aber sie kann abbilden, hinweisen oder mit Gegenentwürfen experimentieren, gerade die junge Kunst, die man im Pengland hoffentlich bald wieder antreffen wird. Wo nämlich kein Platz für Kunst ist, da ist vielleicht auch bald kein Platz mehr für alles andere.

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