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Doppel-Wumms jetzt auch bei Stadtwerken Mainz: 200 Mio. Invest in Erneuerbare

Im Zeitalter von Wumms und Bumms – und von Energieknappheit sowieso – sind natürlich auch die Stadtwerke gefordert und angereizt, auszubauen, was das Zeug hält. Erst recht, wenn sich die Margen aus den „Erneuerbaren“ lohnen. So will man in Mainz in den kommenden fünf bis sieben Jahren mehr als 200 Mio. Euro in den weiteren (überregionalen) Ausbau der Erneuerbaren Energien (Wind und Solar), aber auch den Klimaschutz vor Ort investieren, etwa durch mehr E-Ladeinfrastruktur, 100 emissionsfreie Busse, Ausbau der privaten E-Mobilität sowie die Bürger-Förderung von Fotovoltaik mit bis zu 500 zusätzlichen PV-Anlagen auf Mainzer Dächern oder einem Förderprogramm für PV-Balkonanlagen.
(Zum Thema „Wärme“ planen die Stadtwerke ebenfalls eine Offensive, die aber erst im nächsten Jahr anstehen soll)

Die Stadtwerke und die Stadt haben als Grundlage für dieses Programm eine neue Klimaschutzvereinbarung unterzeichnet, die die bisherige Klimaschutzvereinbarung aus dem Jahr 2007 weiterentwickelt. Hauptziel der alten Vereinbarung war, dass die Stadtwerke bis 2020 mit ihren Fotovoltaik-, Windkraft und Wasserkraftanlagen 20 Prozent des Mainzer Stromverbrauchs decken sollten – insgesamt 300 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr. „Dieses Ziel hatten wir bereits früher als geplant übertroffen. Jetzt setzen wir uns neue, ehrgeizige Ziele“, so die Vorstände Gahr und Brosze. Auch OB Ebling wertet das Programm als „ein wichtiges Ausrufezeichen in diesen schwierigen weltpolitischen Zeiten“. Man wolle nicht ohnmächtig zusehen, wie an fernen Orten über unsere Energiezukunft entschieden wird. „Wir machen uns durch dieses Programm ein ganzes Stück weit unabhängiger von Energieimporten.“ 

Das wurde bereits erreicht
Die Mainzer Stadtwerke AG betreibt mit ihren Tochter- und Beteiligungsunternehmen deutschlandweit aktuell

  • mehr als 120 Windkraftanlagen
  • 199 Fotovoltaikanlagen
  • 12 Wasserkraftanlagen

oder ist an diesen Anlagen beteiligt.

Die jährliche Stromproduktion dieser Anlagen (MSW-Anteil) betrug in den vergangenen drei Jahren jeweils zwischen 333 Mio. und 391 Mio. Kilowattstunden im Jahr. Rechnerisch reicht das aus, um heute schon alle Mainzer Haushalte mit „grünem“ Strom zu versorgen. Was dazu kommen soll, reicht dann auch, um theoretisch Wiesbaden mit zu versorgen. Man würde die bisher erzeugte Strommenge von rund 350 Mio. Kilowattstunden im Jahr also nahezu verdoppeln.

Brosze: „Das Problem sind nur Bürokratie und Flächen. Derzeit dauert die Projektakquise im Bereich Windkraft ein bis zwei Jahre und die eigentliche Projektentwicklung dann noch einmal drei bis fünf Jahre. In Summe benötigt die Planung eines Windparks also vier bis sieben Jahre, mitunter auch länger. Im Bereich Fotovoltaik geht es etwas schneller: Neue Projekte benötigen bis zur Fertigstellung etwa zwei bis drei Jahre. Am Ende wird daher – und aus anderen Gründen – nicht jedes Projekt realisiert“, weshalb die aktuell anvisierte kumulierte Investitionssumme derzeit noch über den geplanten 200 Mio. liegt. „Außerdem gibt es keine bzw. kaum Flächen in Mainz bzw. in Städten, sondern außerhalb. Da muss vieles geregelt werden. In Mainz selbst könnten wir uns etwa die Überbauung von Parkplätzen mit Solarmodulen vorstellen. Dann hätten die Autos sogar Schatten im Sommer.“

Mehr als 400 Mio. Euro wurden in den vergangenen 15 Jahren in EE-Anlagen investiert. Für den Vorstand sinnvoll angelegtes Geld. Daniel Gahr: „Heute profitieren wir auch wirtschaftlich davon, dass die Stadtwerke schon vor vielen Jahren auf Erneuerbare Energien gesetzt haben.“

Das Engagement der Mainzer Stadtwerke im Bereich Erneuerbare Energien fußt grundsätzlich auf zwei Säulen:

Für die Projekt-Realisierung sind verantwortlich:

  1. Mainzer Erneuerbare Energien GmbH (MEE) und deren Tochtergesellschaften wie etwa die Pionext
  2. Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG (KMW AG) und deren Tochtergesellschaften wie etwa die Altus AG oder BinnenWind GmbH

Über diese Kanäle hat die MSW nun mit Partnerunternehmen Zugriff auf eine Reihe interessanter und aussichtsreicher Projekte, in die je nach Geschwindigkeit der Entwicklung und den dazu passenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen investiert werden soll.

Das ist konkret an neuen EE-Anlagen geplant:

Mainzer Erneuerbare Energien GmbH

Die MEE und damit die Mainzer Stadtwerke AG ist zu einem Drittel an der 2019 gegründeten Pionext Asset GmbH & Co. KG (Pionext) beteiligt, die anderen Drittel halten die Ludwigshafener Pfalzwerke und die Wormser EWR. Pionext ist in erster Linie ein Projektentwickler für neue Windkraft- und Fotovoltaikanlagen vor allem im südwestdeutschen Raum. Darüber hinaus ist das Unternehmen mit Sitz in Alzey Betriebsführer für die bereits bestehenden Erneuerbare-Energien-Anlagen der drei Muttergesellschaften.

Die Pionext möchte in den nächsten fünf Jahren in Rheinland-Pfalz mehrere neue Windparks mit insgesamt 21 Windkraftanlagen entwickeln und realisieren. Die Investitionskosten dafür werden aktuell grob auf mehr als 170 Millionen Euro geschätzt – auf die MSW entfällt mit knapp 60 Millionen Euro ein Drittel dieser Summe. Im Bereich Fotovoltaik gibt es Planungen zur Entwicklung und Realisierung von bis zu 15 Freiflächenanlagen in Deutschland mit einer Gesamtleistung von mehr als 300 Megawatt. Das Investitionsvolumen im Bereich Fotovoltaik würde bei etwa 180 Millionen Euro liegen, wenn sich alle Anlagen realisieren ließen – der Stadtwerke-Anteil daran etwa würde ebenfalls etwa 60 Millionen Euro betragen.

Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG

Die Altus AG aus Karlsruhe ist eine 100-prozentige Tochter der KMW AG und ein seit Jahren etablierter Projektentwickler im Bereich Windkraft- und Fotovoltaik. Aktuell arbeitet die Altus AG für die KMW AG an der Planung und Umsetzung von sechs Windparks mit insgesamt 22 Windkraftanlagen in Rheinland.-Pfalz und Niedersachsen. Falls alle Projekte realisiert werden können, erfordert dies Investitionen bis 2026 von rund 180 Mio. Euro. Im Bereich Fotovoltaik gibt es Überlegungen zum Bau von vier Freiflächenanlagen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland mit einer Gesamtleistung von mehr als 40 Megawatt. Die Investitionssumme für diese Anlagen ist mit mehr als 25 Mio. Euro veranschlagt. Außerdem arbeitet die KMW über die gemeinsame Tochtergesellschaft BinnenWind GmbH seit einigen Jahren mit den Wuppertaler Stadtwerken im Bereich Erneuerbare Energien eng zusammen. Die BinnenWind hat ebenfalls bereits einige neue Windpark-Projekte in der Entwicklung. Unter der – wenn auch optimistischen – Annahme, dass alle Projekte auch tatsächlich eine Genehmigung erhalten und realisiert werden können, würde das bei der KMW weitere Investitionen in Höhe von 67 Mio. Euro erfordern.

Neues in der Stadt selbst 

Doch nicht nur bei neuen überregionalen EE-Anlagen wollen die Stadtwerke aufs Tempo drücken: Konkrete Vereinbarungen enthält die neue Klimaschutzvereinbarung mit der Stadt auch vor Ort in Mainz.

 Elektromobilität

  • In Mainz sollen 50 weitere Ladepunkte der Stadtwerke bis Ende 2024 entstehen, darunter 10 Ladepunkte mit mindestens 50 Kilowatt Ladeleistung. Die MSW möchten darüber hinaus auch den Ausbau von öffentlicher Ladeinfrastruktur von Privaten unterstützen.
  • Abhängig von Fördermitteln sollen bis 2030 bei der Mainzer Verkehrsgesellschaft 100 emissionsfreie Busse im Einsatz sein.
  • Ausbau der privaten E-Mobilität ab 2023 mit finanzieller Förderung zur Anschaffung von E-Bikes, Wall-Boxen, Netzanschlüssen bei Gemeinschaftsprojekten, Lastmanagement oder e-Car-Sharing.
  • Die Fahrzeugflotte der Mainzer Stadtwerke AG soll bis Ende 2026 zu 50 Prozent aus vollelektrischen oder Plug-in-hybriden Fahrzeugen bestehen.

 

Bürger-Förderung Fotovoltaik

Die MSW initiiert in Kooperation mit der Mainzer Stiftung für Klimaschutz und Energieeffizienz (MSKE) ein Förderprogramm, das sich gezielt an Bürgerinnen und Bürger sowie gewerbliche Kundinnen und Kunden richtet.

  • Ziel: Bis zu 500 zusätzliche PV-Anlagen auf Mainzer Dächern
  • Zusätzliches Programm ab 1.1. 2023 für PV-Balkonanlagen, finanziert durch die Mainzer Stiftung

 

Initiative zur Realisierung von Fotovoltaik, Elektromobilität und emissionsarmer Wärmeversorgung bei kommunalen Liegenschaften

  • Engere Kooperation der Mainzer Stadtwerke mit der Wohnbau Mainz GmbH (WBM) sowie der Stadt Mainz bei den Themen Klimaschutz und Energieeffizienz. Ein Fokus liegt auf der Nutzung der Dachflächen der WBM und der Stadt für den Ausbau von Fotovoltaik. Ein weiterer auf der Vorreiterrolle für kommunale Liegenschaften beim Thema dekarbonisierter Gebäudebestand durch eine emissionsarme Wärmeversorgung und E-Mobilität. Die ersten Projekte von MSW, WBM und Stadt sollen im Jahr 2023 umgesetzt werden.
  • Konzeption und Umsetzung zu ein bis zwei großen Leuchtturmprojekten für großflächige Fotovoltaikanlagen im Stadtgebiet – etwa auf Parkplätzen.

 

Start eines Modellprojekts zur energetischen Sanierung einer Mainzer Sportanlage und einer Mainzer Schule

  • Exemplarisch sollen die Möglichkeiten der energetischen Sanierung und Energiepotenziale bei Sportvereinen am Beispiel des TSV Schott Mainz untersucht und umgesetzt werden. Welche Mainzer Schule für diese Modellprojekt ausgewählt wird, ist noch offen.

 

Entsiegelung und Begrünung in der Stadt

  • Die MSW wird mit wesentlicher Unterstützung der MSKE die Stadt darin unterstützen, weitere Schulhöfe zu begrünen und in ein städtisches Entsiegelungsprogramm zu überführen.

 

Ausbau der Wasserstoffregion Mainz – RheinMain

  • Erhalt und ggf. Ausbau des Energieparks Mainz
  • Gemeinsam mit der Stadt und der KMW soll Mainz zu einer der führenden Wasserstoffregion weiterentwickelt werden.
  • Aufbau eines lokalen Wasserstoffnetzes, sofern substanzielle Wasserstoff-Bedarfe in der Industrie und der Mobilität entstehen.