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Der Müll, die Stadt und …

… die eklatanten Preisunterschiede beim Müll von Mainz und Wiesbaden.

Text: Ulla Grall
Foto: Andreas Coerper

Wiesbaden gilt als schick und teuer. Außer bei den Müllgebühren. Hier greift der gemeine Mainzer fast doppelt so tief in die Tasche wie auf der anderen Seite. Dabei fällt in Wiesbaden wesentlich mehr Restmüll an: 75.000 Tonnen kommen auf 274.395 Einwohner. In Mainz sind es 38.000 Tonnen auf 201.542 Einwohner pro Jahr. Das entspricht einem pro Kopf Aufkommen in Wiesbaden von 270 Kilogramm und in Mainz von 180 Kilogramm.
Da erhebt sich die Frage: Ist der Mainzer Müll wertvoller? Oder – im Gegenteil – ist er „mülliger“ als der Müll aus Wiesbaden und deshalb in der Entsorgung kostspieliger? Unsere Statistik zeigt die aktuellen Preise im Vergleich: Die kleine Mülltonne mit 60 Litern Fassungsvermögen und 14tägiger Abholung ist in Mainz noch 3,84 Euro günstiger als in Wiesbaden. Alles was darüber liegt, ist in Mainz erheblich teurer.

Scheinbar gleicher Service

Dabei bieten beide Städte ihren Bürgern einen scheinbar vergleichbaren Service: Im Preis sind Restmüll, Biomüll, Glas, Papier und „Gelber Sack“ (bzw. in Wiesbaden „Gelbe Tonne“) enthalten, außerdem das Anrecht auf viermalige Abfuhr von Sperrmüll. Sowohl in Mainz als auch in Wiesbaden gibt es telefonischen Infoservice bei Fragen zur Müllentsorgung, einen Newsletter, ein Müllmagazin („Mainzer Müll Magazin“ und „Orange“ in Wiesbaden) und die Möglichkeit, sich per Mail oder SMS an den nächsten Abfuhrtermin erinnern zu lassen. In beiden Städten können Selbst-Kompostierer einen Rabatt auf die Abfuhrgebühren beantragen. Beide Entsorger sind Eigenbetriebe der jeweiligen Stadt. Beide Betriebe haben sich Umweltschutz und Lebensqualität für die Bürger auf ihre Fahnen geschrieben. Wo also liegen die Unterschiede?

Auf Spurensuche

Ein erster Anruf beim Entsorgungsbetrieb der Stadt Mainz bringt keine Klarheit: Alle Anfragen laufen über die Pressestelle, dort gibt Frau König Auskunft: „Seit zehn Jahren sind die Müllgebühren in Mainz unverändert geblieben!“ Und weiter: „Wir fahren mit unseren Tarifen eine politische Linie: 1. Müllvermeidung, 2. Mülltrennung, 3. Müllverwertung. Müllvermeidung geht vor!“ Die Frage nach dem Grund für die unterschiedlichen Kosten in den beiden Städten bleibt jedoch unbeantwortet.
Vom Anruf beim Umweltdezernat erhoffen wir uns mehr Klarheit, aber Herr Neuhaus, Referent im Umweltdezernat, gibt sich erstaunt: „Dass die Müllgebühren in Wiesbaden niedriger sind, war mir nicht bekannt.“ Immerhin gibt er grünes Licht für ein weiteres Telefonat. Diesmal mit Hermann Winkel, dem Werksleiter im Entsorgungszentrum der Stadt Mainz in Budenheim (EB). Herr Winkel meint dazu: „Die Leistungen der beiden Entsorgungsbetriebe sind nicht direkt vergleichbar. Wir bieten in Mainz einen Vollservice. Die Biotonne wird das ganze Jahr über wöchentlich vom Grundstück abgeholt, und auch das Altpapier holen wir auf dem Grundstück ab. In Wiesbaden müssen die Bürger ihre Tonnen selbst rausstellen.“ Dazu der Kommentar von Joachim Wack, Leiter des Entsorgungsbetriebs der Stadt Wiesbaden (ELW): „Restmüll- und Biotonne werden auch in Wiesbaden vom Grundstück abgeholt. Die Wertstoffbehälter (Papiertonne, Glastonne und Gelbe Tonne) müssen die Bürger selbst rausstellen.“ Ein Punkt für Mainz in Sachen Bequemlichkeit.

Weiter im Vergleich

Mainz
In Mainz ist keine Mindestgröße für die einzelnen Haushalte vorgeschrieben. Wer konsequent Mülltrennung betreibt, kann auch bei einer größeren Familie mit einer 60-Liter-Tonne auskommen.
Wiesbaden
Auch in Wiesbaden ist eine Verringerung der Tonnengröße möglich, wenn eine verminderte Abfallmenge nachgewiesen wird. Im Prinzip hat es also jeder selbst in der Hand: je kleiner die Restmüll-Tonne, desto niedriger die Kosten.

Mainz
Die Biotonnen werden das ganze Jahr über wöchentlich geleert.
Wiesbaden
Die Leerung der Biotonnen erfolgt im Sommer wöchentlich, im Winter alle 14 Tage. Noch ein Punkt für Mainz, denn Biomüll beginnt auch im Winter ganz schnell unangenehm zu „duften“.

Mainz
Fast jeder Stadtteil hat mittlerweile einen Wertstoffhof – insgesamt sind es acht -, was auch diese Entsorgung für die Bürger einfacher macht.
Wiesbaden
In Wiesbaden können Wertstoffe an der Deponie und drei Wertstoffhöfen abgegeben werden. Ein weiterer Punkt für Mainz: Mehr Wertstoffhöfe bedeutet auch mehr Bequemlichkeit für den Bürger. Aber auch höhere Kosten.

Mainz
Das Humuswerk in Essenheim liegt „vor der Haustür“. Dort wird aus dem Biomüll wertvoller Kompost.
Wiesbaden
Biomüll wird an die Rhein-Main-Deponie in Wicker abgegeben. Durch Vergärung wird dort Biogas produziert, das wiederum wird verstromt. Die Kosten dafür liegen etwa 2/3 niedriger als bei der Kompostierung. Das könnte auch einer der Gründe sein für höhere Gebühren in Mainz. Was nun aber besser ist für die Umwelt, wagen wir nicht zu entscheiden.

Mainz
Restmüll wird, ebenso wie Sperrmüll, verbrannt: Das Müllheizkraftwerk auf der Ingelheimer Aue erzeugt aus Abfall Strom und Wärme.
Wiesbaden
Für Restmüll besteht ein Kooperationsvertrag mit der RMA (Rhein-Main-Abfall GmbH). 85.000 Tonnen werden in deren Frankfurter Müllverbrennung thermisch verwertet. Im Gegenzug stellt Wiesbaden der RMA auf der Dyckerhof-Deponie 100.000 Tonnen Deponieraum zur Verfügung. Auch hier gilt wohl: Was ist auf Dauer die ökologischere Lösung? Die Gelehrten streiten sich…

Unterm Strich bleibt: Für die Umwelt und die Bequemlichkeit der Bürger wird in Mainz vielleicht etwas mehr getan. Dass Wiesbaden zu den, in Punkto Müllgebühren, günstigsten Städten Deutschlands gehört, hat auch das Deutsche Institut für Wirtschaft festgestellt. Allerdings sagen die Statistiker, dass auch Mainz zu den „preiswerteren Städten“ gehört. Im Vergleich mit Darmstadt zum Beispiel… aber das würde zu weit führen. Also: die Müllabfuhr ist in Cent und Euro für die Wiesbadener Bürger billiger als für die Mainzer. Aber: Ist das ein Grund, gleich nach Wiesbaden zu ziehen? …