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Der große Test: Blumen aus Mainz


Von Nicole Bruhn
Fotos: Isabel Jasnau

In der ganzen Stadt zeigt der Frühling sein buntes Gesicht und weckt Lust, Balkone und Gärten in Schuss zu bringen. Echte Gärtnereien sind selten geworden, aber es gibt sie und sie haben einiges zu bieten. sensor hat alle besucht.

Duft- und Kräutergarten von Odile
Landragin Odile Landragin betreibt eine bemerkenswerte Gärtnerei. Die gebürtige Französin wohnt in einer ehemaligen Scheune, ihre Tochter mit Familie im Haus zur Straße. Im Innenhof befindet sich die Gärtnerei für Kräuter und Duftpflanzen. Sie wirkt privat, stimmungsvoll und ein wenig verwunschen. Und der Laden? Den gibt es nicht. Der Tisch im Hof ist die Verkaufsfläche, ein typischer Hofladen und das seit 14 Jahren. Wenige schiefe Stufen weiter unten stehen die beiden kleinen Gewächshäuser, die schon vor 25 Jahren zu einer Gärtnerei gehörten. Noch ahnt man nicht, was hinter den Glashäusern liegt, denn der nicht enden wollende Garten erschließt sich dem Besucher nur empirisch.
Während Jonny, der schwarze Familienkater, um unsere Beine streicht, lässt Odile mich an ihrem Wissen teilhaben. „Das ist römische Kamille“, erläutert sie und zeigt auf eine Ansammlung kleiner Töpfchen in der Ecke des vorderen Glashauses. „Manche Leute schätzen sie als duftenden Rasenersatz, die Blüten ergeben einen feinen Tee.“ Daneben wächst die Santolina, eine Duft- und Zierpflanze, die Schädlinge fernhält. Die Blätter ihrer Nachbarin, ebenfalls eine Santolina, überraschen durch einen herben Olivengeschmack und eignen sich vorzüglich zum Würzen von Schafskäse. Selbstredend ist auch der Lavendel nicht nur schön anzusehen, sondern kann zu Eis, Muffins, Sirup oder Marmelade verarbeitet werden. Denn wie alle Pflanzen hier ist er ohne chemische Dünger gezogen. Odile hat ihre Leidenschaft zum Hobby und dieses zum Beruf gemacht. In ihrem Garten steht nichts in Reih und Glied. Da und dort werden auf kleinen Schiefertäfelchen Pflanzbeispiele erläutert, Bänke und lauschige Sitzecken laden zum Verweilen ein. Weiter hinten stoßen wir auf eine merkwürdige Vertiefung, seitlich von Natursteinmäuerchen eingefasst. Ein kleines Treppchen führt hinab zu dem spiralförmig gepflasterten Grund. „Das Odilarium!“ erklärt die Gärtnerin. „Das war erst als Teich gedacht. Dann war‘s mal dies, mal jenes. Jetzt ist es eine Art Senkgarten. Und unten fangen sich die Düfte.“
Ihr Garten ist für Odile Landragin ein Ort ständiger Inspiration. Und weil es so gut passt, bietet sie dort ein üppiges Veranstaltungsprogramm an, das von März bis Dezember und vom Büchermarkt im Grünen über Nasenreisen durch den Duftgarten bis zum Kartoffelfeuer und dem Wintermarkt reicht. In jedem Fall gilt: Ein Besuch bei Odile ist ungeheuer entspannend und erkenntnisreich.
Gonsenheim, Hermann-Ehlers-Straße 12

Stein‘s Kräuter & Garten
Auch Petra Stein hat ein Händchen für ihren Laden. Gartenliebhaber, die Kräuter, Beet- und Balkonpflanzen suchen, Stauden und besondere Rosen, kommen hier auf ihre Kosten. Doch vor allem Essbares steht im Mittelpunkt. Die Produkte stammen, wenn auch nicht ausschließlich aus eigener Produktion, aus der Region und sind immer ungewöhnlich. „Mango-Aperitiv-Balsam“ steht neben verschiedenen Gemüsesäften, Honigsorten, besonderen Gewürzen und Olivenölen, die man anderswo nicht so schnell findet. „Wir suchen immer nach besonderen Gemüsearten, nach alten, vergessenen Sorten“, erklärt sie und deutet auf eine aufgeschnittene, in gelben Farbtönen geringelte Beete. Aus den verschiedenen Salatsorten sticht ein Korb mit fertig gewaschenem, gemischtem Salat hervor. Er sieht besonders hübsch aus, denn er ist mit Veilchen, Gänseblümchen und anderen Blüten angereichert. „Mit essbaren Blüten beschäftigen wir uns seit vielen Jahren. Das Auge isst mit und jede Blüte hat ihren eigenen Geschmack.“ Man sieht der Mutter von drei Kindern an, dass ihr die Arbeit mit ihren Pflanzen viel Spaß macht. Das Ehepaar Stein führt die Gärtnerei im lauschigen Gonsbachtal seit 1991 und in der dritten Generation. Michael ist Gärtnermeister und für die landwirtschaftliche Seite des elterlichen Betriebs zuständig. Er ist derzeit oft unter den weißen Folientunneln in den allmählich grüner werdenden Feldern auf der anderen Seite der Mainzer Straße zu finden.
Wer in Mainz im Bereich Kräuter, Salate und Gemüse das Besondere sucht, der kommt am grünen Idyll der Familie Stein kaum vorbei. Das haben viele Gastronomen in der Region erkannt und beziehen dort regelmäßig ihre Ware. Auch für Edeka und den Großmarkt reicht die angepflanzte Menge meist noch aus. Und wer für den Hausgebrauch mal aus dem täglichen Einerlei ausbrechen möchte, wird die Gärtnerei vermutlich mit einer Handvoll frischer Ideen für die nächsten Mahlzeiten und den dazu notwendigen Zutaten verlassen.
Gonsenheim, Mainzer Straße 180

Die letzten ihrer Art
„Viele sind nicht übrig geblieben.“ Es klingt ein bisschen traurig, wenn Christian Smedla von den konventionellen Gärtnereien in Mainz spricht. „Die meisten Blumenhändler haben ein Geschäft, kaufen aber im Großmarkt ein. Viele pflegen auch Gräber, das bringt regelmäßigen Umsatz.“ Der Gartenbaubetrieb Smedla an der Lanzenhohl 17 in Bretzenheim gehört zu denen, die den Kampf gegen die Großgärtnereien noch nicht aufgegeben haben. Beim Anbau auf 2.000 Quadratmetern konzentriert sich der Gärtnermeister auf Beet- und Balkonpflanzen. Aber auch im Feld der Floristik kann er glänzen: Vor vier Jahren wurde die Bretzenheimer Gärtnerei von Fleurop mit vier von fünf Sternen ausgezeichnet. Und im vergangenen Jahr war sie unter den Ausstellern der Bundesgartenschau in Koblenz zu finden.
Der Gonsenheimer Stefan Brandmüller zieht in erster Linie Beet- und Balkonpflanzen. Unter den Glas- und Folienhäusern leuchten bereits alle erdenklichen Farben und der Duft von Kräutern und Blüten vermischt sich miteinander. Die Freiflächen werden erst im Mai bepflanzt, dann vornehmlich mit Sonnenblumen. Auch Brandmüller reagiert, angesprochen auf die Lage seiner Branche, mit einem Schulterzucken und murmelt etwas vom großen Gärtnereien-Sterben. Doch er selbst bearbeitet, unterstützt von zwei Mitarbeitern, eine etwa 6.000 Quadratmeter große Fläche. Den Blumenladen zur Straße hin führt seine Schwester Ingrid Barth.
Auf dem Weg nach Ebersheim liegt das Gartencentrum Fuchs im Birkenhof, idyllisch in die umliegenden Felder eingebettet. Angeboten wird die gesamte Produktpalette einer konventionell ausgerichteten Gärtnerei. Der Hauptfokus aber liegt auf den Baumschulen, die ein breites Angebot mit ungewöhnlichen Sorten bereit halten. Auch Teichliebhaber kommen bei Lothar Fuchs auf ihre Kosten. Und Kinder können zwischen einem Riesentrampolin und Spielplatz wählen, oder sie streicheln die Ponys, die auf der angrenzenden Wiese weiden.
Blumenhaus Smedla (Bretzenheim), Brandmüller (Gonsenheim) & Gartencentrum Fuchs

Naturgärtnerei Ahornblatt
„Die Firma Ahornblatt ist ein Projekt zur Erhaltung der biologischen Vielfalt.“ Diese klärenden Worte am Eingang der Gärtnerei in Zahlbach machen deutlich, dass der reine Verkauf hier nicht im Vordergrund steht. „Das Ahornblatt“, so Ulla Pauli, seit etwa einem Jahr Geschäftsführerin neben Dr. Kleinz, „ist aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit entstanden. Eine Gruppe von Leuten hat sich vor einigen Jahren zusammengeschlossen, um einheimische Gehölze in deutsche Gärten zurück zu bringen.“ Dafür hat „Ahornblatt“ bereits Auszeichnungen erhalten: 2010 ging die „Silberpflanze“ der Loki-Schmidt-Stiftung ins Zahlbachtal, ein Jahr später folgte der Umweltpreis „Beste Idee für ein nachhaltiges Rheinland-Pfalz“.
Es sind keine gängigen Namen, denen man bei einem Streifzug durch den Garten begegnet: „Südtiroler Freiheit“, „Roter Tafelapfel von Rügen“, „Kleine graue Renette“. Die durch orange Schilder der Kategorie Urobst zugeordneten Pflanzen sind noch unbekannter. Diese Sorten stammen nicht, wie die meisten Züchtungen, aus dem 19. Jahrhundert, sondern sind älter und oft besonders schmackhaft und gesund, da sie sehr reich an Vitalstoffen sind. Den benachbarten Bereich kennzeichnet das Schild ‚Unverkäuflich‘. „Das ist unser Kindergarten“, erläutert die Geschäftsführerin. Hier werden neu entdeckte Pflanzen groß gezogen, bis sie Früchte tragen und verkauft werden können. „Da ziehen gerne mal acht bis zehn Jahre ins Land.“ Und als wollten sie diese kostbaren Stauden und Bäumchen beschützen, werfen die Römersteine ihre charakteristischen Schatten auf den ungewöhnlichen Garten.
Bretzenheim, Untere Zahlbacher 1