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Das sieht ja gut aus – 10 Ideen, die Mainz schöner machen

Text: Felix Monsees, Fotos: Elisa Biscotti & Daniel Rettig

sensor präsentiert zehn Ideen, die die Stadt liebenswerter machen. „Mainz fühlte sich zuerst lahm und grau an“, sagt Bastian Steineck, Mit-Veranstalter der Stijl-Messe, als er vor fünf Jahren hierher gezogen ist. „Dabei passiert hier eine Menge.“ Und da hat er Recht! Denn in Mainz bewegt sich mehr, als man denkt. Daher stellen wir wieder mal zehn kleine und größere Sachen vor, die Mainz schöner machen. Manches davon sieht man auf der Straße, manches ist versteckt und manches spielt sich nur in den Köpfen ab …

Das gesprayte Mädchen
An einer Mauer an der Kupferbergterrasse hat Robin Stege das Mädchen mit dem traurigen Blick zum ersten Mal gesehen. Seitdem hat der Ingenieur alle Orte aufgespürt und abfotografiert, an denen der unbekannte Sprayer oder die Sprayerin „Miss Mainz“ gemalt hat. Über zwanzig solcher Graffiti hat Stege schon gefunden. Ihr Outfit ist farbenfroh und ihre Frisur abwechslungsreich, mal schwenkt das Mädchen eine Fahne mit dem Schriftzug „Love“, mal wird sie von Luftballons und grinsenden Sonnen begleitet. Sie befindet sich vor allem an ungemütlichen Orten wie zugewachsenen Aufgängen, neben Zigarettenautomaten, Trafo-Häuschen und abgelegenen Ecken. „Deshalb guckt sie auch so traurig“, sagt Stege, „sie ist das Stadtgewissen und denkt sich, hier könnte es schöner sein.“ Wie bei Graffiti teils üblich, ist die Identität des Künstlers unbekannt. Stege weiß nichts über den Schöpfer, deren Werke er sammelt. Die Mauer an der Kupferbergterrasse mit Steges Lieblings-Mädchen ist schon abgerissen, Graffiti eben eine flüchtige Kunstform. Weitere verschönerte Ecken gibt es in der Bauhofstraße gegenüber vom „Wildwechsel“, in der Frauenlobstraße Ecke Rheinallee oder am Parkplatz Hopfengarten. Stijl In Mainz geht was. Das kann man zweimal im Jahr auf der Stijl sehen. Die Messe ist das Schaufenster für Junge und Kreative (nicht nur aus Mainz). Mit-Veranstalter Bastian Steineck ist seit Anfang an dabei, seitdem die Messe vor vier Jahren in Mombach gestartet ist. Damals war die Stijl noch ein Nebenjob für den Publizistik- Studenten. Wenn er demnächst seine Magister-Arbeit abgegeben hat, wird sie zum Vollzeit-Job. „Mittlerweile müssen wir nicht mehr selbst die Bauzäune schleppen“, lacht er. Mit dem Umzug ins alte Postlager am Hauptbahnhof ist auch die Stijl größer geworden. Auf 3.000 Quadratmetern bieten Aussteller Design, Handgemachtes und Streetfashion an. Kreative Köpfe lockt z. B. eine Ausstellung für Jungverlage und Independent Publisher oder der S.E.W.C.R.E.W Nähworkshop. Hinter der Stijl steckt die Neue Projekt GmbH, die man auch durch selekkt.com – einen Internet-Markplatz für Designerstücke – kennt. „Ziel der Stijl war es, an einem Wochenende zu zeigen, was hier alles passiert“, erklärt Bastian. Und was fehlt der Stadt? Für Bastian die falsche Frage: „Es werden immer Dinge fehlen. Solange man aber mit den richtigen Leuten unterwegs ist, ist es egal, wo man sich aufhält.“

Bürgerinitiative Mainzer Ludwigsstraße
Das Karstadt-Areal an der Ludwigsstraße ist ganz sicher nicht das schönste Fleckchen in unserer Innenstadt. Alle Jahre wieder denkt die Politik deshalb darüber nach, wie der Bereich aufgewertet werden kann. Dieses Mal soll die Lösung eine neue Shopping Mall sein. Es soll ja Leute geben, die einen Klotz mit künstlicher Landschaft und verwechselbaren Filialen für ein schönes Einkaufsparadies halten. Die Bürgerinitiative Mainzer Ludwigsstraße (BI Lu) findet das nicht. Der Initiative gehören über 500 Mainzer an, die sagen: „Stadtplanung gehört in Bürgerhand!“ Auf dem Ludwigsstraßenforen, an dem die Mainzer Bürger aufgefordert waren, ihre Meinung zu den Plänen des Investors ECE abzugeben, überzeugte die Initiative die Politik, noch einmal über das Großprojekt Mall nachzudenken (siehe Sensor Oktober 2012). In den Leitlinien, die die Stadt für die Verhandlungen mit ECE beschlossen hat, konnte die Bi Lu alle ihre Wunschvorstellungen einer mainzgerechten Mall einbringen, sagt Gerhard Heck, einer der Sprecher der Bürgerinitiative. Anstatt einer einzigen großen Mall soll ein neues Stadtquartier mit kleinteiliger Baustruktur, sowie sozialen und kulturellen Angeboten entstehen. Spielt der Investor nicht mit, bleibt alles beim Status Quo. Das würde Heck freuen: „Ich mag Mainz, wie es ist“, sagt er.

Urban Gardening
Der Blick durch die graue Toreinfahrt mit den krakeligen Graffiti zwischen den Hausnummern 34 und 38 ist gar nicht so schön. Nur eine umgepflügte Wiese gibt es hier. „Noch gibt es nicht viel zu sehen“, sagt Elke Blänsdorf. Die Gartendesignerin engagiert sich ehrenamtlich beim Urban Gardening Projekt in der Forsterstraße von BUND und der Stadt Mainz. Es ist Winter in der Neustadt und Blänsdorf wärmt ihre Hände. Sie zeigt auf das wenige Grün, das sich schon durch die Erde gekämpft hat, z. B. die Palmblatt-Nieswurz. „Bestes Hummelfutter“, erklärt die Agrar-Ingenieurin. Schön wird es Anfang Mai, wenn die Aussaat Früchte trägt und der Garten grünt. Dann heißt es „Pflücken erlaubt“, statt „Betreten verboten“. Jeder, der mitgärtnert, darf auch zulangen, wenn Erntezeit ist. Auf einer großen Gemeinschaftsparzelle werden Kartoffeln, Tomaten und allerlei anderes Gemüse angebaut. Die Selbstversorgung steht dabei aber nicht im Vordergrund. Der Garten soll integrativ wirken und die verschiedenen Menschen der Neustadt in Kontakt bringen. Mit Kindergärten sollen gemeinsam Vogelhäuschen gebaut werden und ein Naturerlebnisbereich steht auch zur Verfügung. „Wir wollen zeigen, was die Natur in der Stadt zu bieten hat“, sagt Blänsdorf. Wer mitmachen will, meldet sich bei silke.maurer@stadt.mainz.de. Es werden auch noch Sponsoren gesucht. Dem Urban Gardening fehlen u. a. Werkzeug, Aufbewahrungsboxen und Material für Kompostboxen.

Verein Trauernde Eltern & Kinder
Irene Heppel spricht sehr ruhig. Ihre Tochter ist vor zehn Jahren gestorben. Ein Arbeitskollege machte sie auf den Verein Trauernde Eltern & Kinder Rhein-Main aufmerksam, der ihr und ihrem Mann viel Trost spendete. Seit 2005 will sie die Hilfe, die sie erfahren hat, weitergeben und engagiert sich als Vorsitzende im Verein. „Die Eltern wissen oft nicht mehr weiter“, sagt Heppel. Der Verein in Mainz-Hechtsheim betreut die Trauernden so lange wie nötig. Das kann auch zwei Jahre dauern. Jährlich werden bis zu sechzig Eltern von den sieben fachlich ausgebildeten Trauerbegleiterinnen in Einzel- und Gruppensitzungen begleitet. Seit 2008 kümmert sich der Verein auch um Kinder, die ein Elternteil oder einen wichtigen Menschen verloren haben. „Bei einem Todesfall ist das Gefüge bei den Kindern durcheinander. In unseren Räumlichkeiten erfahren sie wieder einen festen Halt und geschützten Raum“, sagt Heppel. Das Ziel ist es, die Kinder wieder zurück in die Normalität zu begleiten und ihren Alltag schöner zu gestalten. Interessierte und Sponsoren können sich auf der Homepage des Vereins informieren: www. eltern-kinder-trauer.de.

Gesa Kohlenbach
Gesa setzt sich an einen der wenigen freien Plätze in ihrem Café Annabatterie. Ein eigenes Café war schon immer ihr Traum. Doch nicht alle romantischen Vorstellungen stimmen, sagt sie. Die Annabatterie bereitet ihr zwar viel Spaß, aber auch viel Arbeit. „Es fühlt sich an wie ein Kind. Es könnte jetzt auch in den Kindergarten gehen und ich mal einen Tag frei haben.“ Beschweren möchte sie sich aber nicht. „Alles ist mir überlassen. Ich kann alles so machen, wie ich möchte.“ So sieht die Annabatterie auch aus: viel Second Hand und Nippes, selbstgemachte Kuchen und ausgefallene Getränke und Gerichte. Damit hat Gesa einen neuen Standard gesetzt, was Cafés in Mainz bieten müssen, und für frischen Wind in der Stadt gesorgt. So hieß die Titelstory der ersten sensor-Ausgabe im Oktober 2010 (der genauso alt ist wie die Annabatterie und die stijl und manches andere neues altes auch). Und frischen, schönen Wind kann die Stadt immer gut gebrauchen. „Mainz hat so viel Potenzial“, sagt Gesa, „aber es könnte noch viel mehr passieren.“ Sie würde sich freuen, wenn die kreative Szene mehr als nur neue Cafés eröffnen würde. Beispiele gefällig: Das Label Stadtpirat in der Heidelbergerfassgasse oder den Nähladen Zur Anprobe am Kaiser Wilhelm-Ring findet Gesa richtig gut.

Arne Jacobsen
In Mainz haben es Gebäude, die weder aus rotem Sandstein noch sonst wie „goldisch“ sind, nicht leicht. Das eigenwillige und kantige Rathaus, gestaltet vom dänischen Architekt und Designer Arne Jacobsen, macht es einem besonders schwer. Den meisten Mainzern gefallen seine stapelbaren Stühle aus der bekannten Serie 7 – wie sie zum Beispiel im Lomo am Ballplatz oder im MoMa in New York zu finden sind – wesentlich besser als der modernistische 70er Jahre-Bau am Rhein. Ein „Mahnmal der Hässlichkeit“ soll es sein, zitiert die Zeitung „Die Welt“. Dazu kommen ein undichtes Dach, enorme Stromrechnungen und rostige Fassadengitter. Die notwendige Total-Sanierung soll die klamme Stadt über 40 Millionen Euro kosten. Gute Argumente für den Abriss des Baus, wie er nun gefordert wird. Dabei ist das Rathaus ein einmaliges Monument der Architekturgeschichte und über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Je moderner ein Bau ist, desto länger braucht er eben, um den Bürgern ans Herz zu wachsen. Ein sensor-Daumen hoch also für unser Vintage-Rathaus vom Star-Designer.

Mach MIT
Was lernt man in einem Workshop namens Glück? „Viele unserer Teilnehmerinnen halten sich für geborene Pechvögel“, sagt Maria Wagner vom Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands (CJD) Mainz. „Der Workshop Glück will aufzeigen, dass man an seiner Situation etwas selbstständig ändern kann, wenn man die richtige Einstellung hat.“ Doch beim CJD geht es nicht nur darum, Glücksmomente zu erkennen, sondern Alleinerziehende in die Arbeitswelt zu integrieren. „Mach MIT“, das steht für modulare Integration in Teilzeit. Aufgrund der notwendigen Kinderbetreuung von alleinerziehenden Frauen – erst ein einziger Mann hat teilgenommen – ist das nur in Teilzeit möglich. „Wir beraten die Frauen im Coaching individuell. Die Workshops sind an die speziellen Lebensumstände angepasst“, sagt Wagner. Ein halbes Jahr lang kommen die Frauen regelmäßig zu den Kursen. Teilnehmen können Alleinerziehende, die Hartz4 beziehen. Das eigentliche Ziel, einen Job zu finden, ist nicht immer leicht. „Wir messen den Erfolg in kleinen Schritten“, sagt Wagner, „ein Erfolg kann auch ein sich Ausprobieren in einem Praktikum oder ein begonnener Deutschkurs sein.“ Diese ersten Schritte zeigen Wirkung. Oft rufen die Teilnehmerinnen im Nachhinein an und berichten von ihrem neuen Job.

Wochenmarkt in der Neustadt
Eigentlich hat der Wochenmarkt noch gar nicht auf, aber die frischen Brötchen gibt es schon ab sieben Uhr. Jeden Donnerstag ist Markt am Frauenlobplatz und die Neustadt verwandelt sich in ein kleines Dorf. In den grünen Kisten des Gemüsehändlers liegen knackiger Feldsalat, Schwarzwurzeln und verschiedene Apfelsorten. Die Verkäuferin vom Metzgerstand lehnt sich mit einer Zigarette und einem Kaffee auf die Kühlerhaube. Ihre hausgemachten Frikadellen und kesselfrische Fleischwurst müssen warten. Der Markt-Donnerstag ist vor allem für die Werktätigen der umliegenden Büros und Geschäfte eine Institution, wenn es mittags Backfisch mit Kartoffelsalat oder einen schnellen Espresso aus dem Kaffee-Wagen gibt. Schön ist es aber nicht nur in der Neustadt, sondern auch in anderen Stadtteilen. An den anderen Wochentagen ist der Markt auch in Bretzenheim, Weisenau, Hartenberg und im Münchfeld zu finden.

MVG-Räder
Schöne Ideen muss man sich ja nicht immer selbst ausdenken. Große Städte wie zum Beispiel Hamburg haben das Fahrradvermietsystem vorgemacht, jetzt ist auch Mainz nachgezogen. Die melonengelben Leihräder sind in der Innenstadt alle Meterweit zu sehen und sparen unserer Stadt Verkehrslärm und CO2. Über 10.000 Mainzer besitzen schon eine Chipkarte, mit der die Räder an den Stationen ausgeliehen werden können. Je besser das Wetter, desto mehr Fahrten, erklärt Projektleiterin Tina Smolders von der Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG) die einfache Rechnung: „Wenn die Sonne scheint, ist vor allem die Strecke am Rhein entlang beliebt.“ Im August kamen so 25.000 Fahrten zusammen, aber auch im Winter gab es keinen Tag unter 100 Ausleihen. Die beliebteste Strecke ist übrigens von der Uni runter in die Stadt. Doch sind es nicht nur Studenten, die sich Fahrräder ausleihen. Der Durchschnittskunde sei 40 Jahre alt, erklärt Smolders. Noch sind die Ausleih-Stationen überwiegend in der Altstadt, Neustadt und Oberstadt zu finden, doch langsam wächst das System auch in die Vororte. Melonengelb und umweltfreundlich, eine schöne Alternative.