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Das sensor 2×5-Interview mit Fahrrad-Aktivistin Daiana Neher

Tut Mainz genug für den Radverkehr?
Viel zu wenig. Die Stadt gibt 250.000 Euro, also etwa 2 Euro pro Kopf im Jahr für den Radverkehr aus. Das ist definitiv zu wenig. Das Fahrrad ist das Fortbewegungsmittel der Zukunft und nicht das Auto, gerade im Zuge der Diesel-Geschichte. Also muss man versuchen, die Leute zu motivieren aufs Rad umzusteigen. Mit einer Infrastruktur wie hier in Mainz motiviert man aber niemanden dazu. Ich kenne viele Leute, die sagen ‚Ich würde gerne Rad fahren, wenn ich mich sicherer fühlen würde‘. Die haben schlichtweg Angst in der Stadt aufs Rad zu steigen.

Aber mit dem MVG-Leihradsystem haben wir doch ein großes Projekt vor Ort?

Trotzdem gehört mehr dazu. Zum Beispiel Tempo 30 in der Innenstadt, die Ampeln entsprechend schalten und dann alle Radfahrer auf die Straße holen. Das fände ich mal eine schöne Geschichte. Wenn man in Mainz legal Radwege fahren will, dann wird man schnell ausgebremst. Dann ist man schnell am Ende, mit Radwegen die ins Nichts führen. Dann fährst du auf dem Gehweg, was nicht legal ist, oder ordnest dich in den Straßenverkehr ein und riskierst dabei nicht gesehen zu werden.

Radfahrer auf die Straße – da prallen zwei Welten aufeinander. Macht das Sinn? Es gibt natürlich auch andere Möglichkeiten, aber nicht hier in Mainz. Dafür ist die Stadt zu eng. Ich finde, dass man in der Kaiserstraße die Möglichkeit hätte, eine Spur für den Radverkehr freizugeben. Da gibt es auch diverse Gutachten. Außerdem sind die meisten Radwege in einem Zustand – das ist ein Drama. Natürlich kann man auch am Rhein entlangfahren, aber bei der Vielzahl der Feste dort ist das auch nicht immer schön. Da gibt es dann nicht einmal eine Ausweich-Variante.

Du bietest jetzt auch einen Rikscha-Service in Mainz an. Ja, Michael Blum von GoLogistics und ich bieten jetzt fünf Rikschas in der Innenstadt als Taxi-Variante an. Nicht nur für Touristen, sondern auch für Leute, die schnell mal von der Altstadt in die Neustadt wollen, vielleicht viel zu tragen haben und nicht unbedingt in den Bus steigen möchten. Für den ersten Kilometer nehmen wir 4 Euro, danach 7. Bis 3 Kilometer nehmen wir 10 Euro und für jeden weiteren 3,50. Für 13,50 Euro fährt man so zum Beispiel vom Dom nach Bretzenheim. Die anderen Vororte bieten wir leider noch nicht an, das wäre zu weit weg.

Warum eigentlich die Rikscha-Flotte und alles rund ums Rad, wenn Mainz doch so schlimm ist? Sollte man da nicht auf solche Angebote erst Recht verzichten, schon alleine aus Protest? Ich bin ja froh, dass wir uns in Mainz nicht von den Bedingungen für Radfahrer abschrecken lassen. Zum Glück werden es immer mehr Radfahrer und nicht weniger. Und ich möchte den Menschen einfach zeigen, dass es in Sachen Mobilität Alternativen gibt. Es muss nicht immer der PKW sein. Jede Kurzstrecke, die nicht im PKW zurückgelegt wird, ist ja schon ein Gewinn für die Luft

Wo kommst du überhaupt her? Ich bin ein Wackernheimer Mädcher, bin aber mit 20 nach Mainz gezogen. Zwischendrin war ich drei Jahre in Konstanz am Bodensee und habe dort eine Krankenpflege-Ausbildung gemacht und bin dann wieder zurückgekommen. Ich habe auch noch immer eine Viertelstelle an der unimedizin, kann aber nicht so lange stehen, weshalb ich das mit dem Radfahren zusätzlich mache. Also die Rikschas, aber auch meinen Service „Velofee“ – Dienstleitungen rund ums Haus.

Ich habe dich mal in La Gomera auf den Kanaren gesehen. Was treibst du dort? Ja, das war witzig. Da der Winter in Deutschland immer zu lang ist und wenn man gerne outdoor unterwegs ist, dann muss man eben ins Warme. Außerdem sind in Gomera nicht so viele Pauschaltouristen. Das Leben dort ist einfach. Du lernst schnell Leute kennen, auch wenn du alleine bist. Aber ich bin auch gerne in Thailand … die Sonne, das Essen und die Leute. Ich habe letztes Jahr das erste Mal eine Fahrradtour durch Bangkok gemacht. Das hat so einen Spaß gemacht, das kann ich echt nur jedem empfehlen.

Bist du ein Öko? Ein wenig schon. Ich habe vor allem einen totalen Hass auf Autofahrer, die ihre Autos einfach so laufen lassen. Da bin ich dann so eine, die die Autos ausmacht, wenn dann niemand hinterm Steuer sitzt. Das ist eine Ordnungswidrigkeit, aber selbst die Polizei macht das. Wir führen hier eine Diesel-Diskussion und die Diesel-Fahrer meinen, dass sie ihre Autos einfach laufen lassen können. Damit habe ich ein großes Problem. Mir wurden auch schon mal Schläge angedroht, weil ich ein Auto ausgemacht habe.

Die Frage, ob du gegen das Dieselfahrverbot bist, erübrigt sich somit. Ich weiß schon, dass es für Diesel-Fahrer die Höchststrafe ist, dass sie ihr Auto nicht mehr in die Stadt fahren dürften. Aber die Frage ist: Wie ist es soweit gekommen? Warum muss jeder für den kleinsten Weg sein Auto auspacken? Was ist so schlimm daran mal den ÖPNV zu nutzen? Ich kenne viele Leute, die offen zugegeben, dass sie eine Bushaltestelle in Mombach vor der Haustür haben und der Bus würde bis zum Höfchen fahren und sie arbeiten dort und nehmen trotzdem jeden Tag das Auto, fahren damit in die Stadt und sagen „Ich habe ja einen Parkplatz beim Arbeitgeber“. Da muss ich sagen, das kann nicht sein.

Was würde dich noch reizen im Leben? Einmal um die Welt segeln! Das wäre das Geilste überhaupt. Wenn man jemanden findet mit dem es passt. Und dann: Segelschein machen und alles andere aufgeben. Vielleicht klappt das ja mit 62, 63 Jahren … Mal sehen. Aber ich kann auch ohne das zufrieden sein. Ich bin ja prinzipiell ein sehr zufriedener Mensch.

Interview David Gutsche Foto Jana Kay