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Das sensor 2×5 Interview: Bo Henriksen (Cheftrainer Mainz 05)

Der Däne Bo Henriksen ist seit Februar 2024 Cheftrainer des FSV Mainz 05. Der 49-jährige rettete den Verein erfolgreich vor dem Abstieg. Welche Erwartungen er an die neue Saison hat und ob er seinen Kindern raten würde auch Fußballprofi zu werden, erzählt Bo Henriksen in diesem Interview.

Beruf

Wie bewerten Sie die abgelaufene Saison?

Es waren harte Monate, die auch Spaß gemacht haben. Wir wollten von Anfang an alles auf den Kopf stellen und ein neues Gefühl auf den Platz bringen. Ich war überrascht, wie stark die Fans, der Verein und die Stadt an die Sache geglaubt haben. Die Stimmung im Stadion wurde von Spiel zu Spiel besser und war schließlich unglaublich. Das Wichtigste war aber, dass alle einem Neuanfang offen gegenüberstanden und die Spieler Mut und Vertrauen gefasst haben.

Wie schaffen Sie es, den Mut bei den Spielern wieder aufzubauen?

Um eine Beziehung aufzubauen, muss man bereit sein, etwas von sich zu geben. Ich habe viele Gespräche mit den Spielern geführt und bat sie um ihre Hilfe. Erst wenn man eine Verbindung aufgebaut hat, kann man die nächsten Schritte gehen. Das ist wie im Leben: Ob man eine neue Stelle antritt oder eine Beziehung – je mehr ich selbst investiere, desto mehr bekomme ich zurück. Wir können alle voneinander lernen, als Spieler, Trainer und als Privatperson. Und: Meine Spieler sollen auch Verantwortung tragen können, dazu begegnen wir uns auf Augenhöhe. Ich sage auch jedem offen meine Meinung, nur so kann ein Vertrauensverhältnis gelingen.

Und wie stehen die Chancen für die neue Saison?

Der Hunger auf Erfolg muss erhalten bleiben, auch der Spirit und die über Jahre gepflegte Vereinskultur. Dass Mainz 05 seit 16 Jahren in der ersten Bundesliga spielt, liegt an der überwältigenden Kultur im Verein, aber auch in der Stadt. Wir werden diesen Erfolg einen Schritt weiter nach vorne bringen und uns so schnell wie möglich die Tabelle hocharbeiten, das liegt in der DNA des Vereins, dafür haben wir gute Spieler und eine Menge Potenzial.

Wie gehen Sie mit dem Druck als Trainer um?

Druck ist ein ständiger Begleiter. Der Schlüssel ist, den Druck zu akzeptieren und damit zu arbeiten, statt sich von ihm überwältigen zu lassen. Die letzten Monate waren voller Energie, die auch aus dem Druck entstand. Ich versuche mir immer die Angst zum Freund zu machen und Energie aus ihr zu ziehen. Wir haben das auch in der Schlussphase der vergangenen Saison gespürt: pure Energie. Dass dieser Druck aufkam, war wichtig, denn er existierte hier nicht, bevor ich ankam, weil man schon den Abstieg vor Augen hatte.

Wie sieht ein typischer Tagesablauf für die Spieler aus?

In der Vorsaison starten die Spieler um 8:30 Uhr mit dem Frühstück, gefolgt von einer Vorbereitungssitzung um 9:15 Uhr. Um 10 Uhr beginnt das Training und dauert etwa anderthalb Stunden. Danach gibt es Behandlungen, Physiotherapie und Mittagessen. Nachmittags gibt es eine zweite Trainingseinheit oder eine Teamsitzung. In der normalen Saison trainieren wir zweimal am Tag. Dazu kommen Marketing- und Medientermine. Die Spieler müssen hart arbeiten, härter als ich damals in meiner Zeit als Profi.

Mensch

Wollten Sie schon immer Trainer werden?

Ich selbst habe Fußball gespielt, seit ich mich erinnern kann und wollte mit 10 Jahren Trainer werden. Mein Vater war Sportjournalist in Dänemark und ein guter Fußballspieler. und mein Bruder war auch talentiert, aber sein Körper machte ihm Schwierigkeiten, sodass er nie durchstarten konnte. Ich habe später Wirtschaft studiert und Fußball gespielt, bei Odense BK. Ich war dort einer von 17 Spielern, die gegen Real Madrid spielten. Da war ich 19 Jahre alt. Danach zog ich zu einem anderen Verein, wo wir die Meisterschaft gewannen und uns für die Champions League qualifizierten. Das war in einem Dorf mit nur 5.000 Einwohnern, eine unglaubliche Geschichte. Das hat mir gezeigt, dass man alles schaffen kann, wenn man fest daran glaubt. Seitdem glaube ich an Wunder.

Wie haben Sie Ihre Familie in Ihr Leben als Trainer integriert?

Meine Familie, besonders meine Frau, ist für mich sehr wichtig. Sie unterstützen mich bei meinen Entscheidungen. Ich brauche die Familie um mich, deshalb sind sie im Februar direkt von der Schweiz mit nach Mainz gezogen. Jetzt haben wir in Gonsenheim ein schönes Zuhause gefunden. Meine Frau ist dabei meine wichtigste Stütze, ohne sie geht nichts. Und unser Jüngster besucht inzwischen die internationale Schule in Wiesbaden, die beiden Älteren sind schon flügge und in Dänemark.

Würden Sie Ihren Kindern empfehlen, Fußballprofi zu werden?

Ich empfehle nichts. Sie sollen selbst herausfinden, womit sie glücklich werden. Ich möchte, dass sie ihre eigenen Entscheidungen treffen und eigene Persönlichkeiten werden. Fußball ist ein hartes Geschäft, das darf man bei allem schönen Schein nicht vergessen. Bejubelt oder in der Öffentlichkeit beschimpft zu werden, dazwischen liegen oft nur 90 Minuten, und davon sind auch jugendliche Talente nicht ausgenommen.

Haben Sie schon mehr von Mainz sehen können?

Ich war das ein oder andere Mal in der Stadt. Leider noch immer nicht beim Marktfrühstück. Das ist aber ein festes Vorhaben. Die Mainzer Kultur ist recht einzigartig. Die Stadt ist mit Leben gefüllt, die Menschen sind offen. Eine Vorahnung habe ich davon bekommen, als ich im Februar zum Höhepunkt der Fastnachtszeit hier ankam. Damals dachte ich zuerst: ‚What the hell…‘

Welche Projekte verfolgen Sie abseits des Fußballplatzes?

In Dänemark habe ich mit meinem ersten Verein Bronshoj BK und dem Bildungsministerium ein Sportprojekt ins Leben gerufen, das sich zur Aufgabe gemacht hat, benachteiligte Kinder zu unterstützen. Der Fußball dient hier als Anker für die Kinder, die neben dem Sport auch auf offene Ohren für ihre Anliegen und Probleme stoßen und ihre Bildung verbessern können. Besonders Kinder mit Schwierigkeiten liegen mir am Herzen.

Interview: David Gutsche und Alexander Weiß

Foto: Jana Kay

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