Direkt zum Inhalt wechseln
|

Das Abschieds-Interview mit Detlev Höhne (Stadtwerke Mainz-Boss)

Herr Höhne, Sie gehen Ende September nach 15 Jahren Vorstand in den Ruhestand. Wird Ihnen das alles fehlen?

Nee, überhaupt nicht. Ich bin ja drauf vorbereitet. Und ich habe natürlich auch ein bisschen geübt in den letzten zwei Jahren. Wenn ich morgens zur Arbeit gefahren bin, habe ich mir überlegt: „Wenn du heute in Rente wärst, hättest du was zu tun?“ – Und mir ist jeden Tag etwas anderes eingefallen. Außerdem helfe ich noch die nächsten fünf Jahre die „Marina“ im Zollhafen zu vermarkten. Das passt mir ganz gut, weil ich selbst ein altes Boot habe und wassersportaffin bin. 140 Plätze sind dort zu verkaufen.

Auf welche Höhe- und Tiefpunkte blicken Sie zurück?

Am wichtigsten: Uns gibt es noch. Nach all den Jahren, in denen viele Stadtwerke totgesagt wurden, sind wir breiter und stärker aufgestellt als manche gedacht haben. Das sollte ja in den 80ern alles privatisiert werden. Städte wie Wiesbaden, Frankfurt, Darmstadt und andere haben das gemacht und später schwer bereut. Die Mainzer haben immer zu ihren Stadtwerken gehalten. Positiv waren ansonsten noch Bauprojekte wie die Gonsbach-Terrassen, aber auch der Zollhafen bis hin zum Heiligkreuz-Viertel. Oder die Mainzelbahn beispielsweise und all das, was wir unterirdisch an Leitungen machen, um die Stadt zu versorgen. Tiefpunkt war ein Stellenabbau um die Jahrtausendwende. Das war brutal. Und auch das schließlich nicht errichtete Kohlekraftwerk war auch ein ziemlicher Rohrkrepierer und hat uns viel Geld gekostet.

Haben Sie sonst alle Projekte geschafft, die Sie sich vorgenommen hatten?

Man kann nicht alles schaffen, wenn man so viele Projekte und solch eine Ungeduld hat wie ich. Ich hätte noch gerne gesehen, dass das KUZ eingeweiht wird. Aber realistisch war es nicht mehr in meiner Amtszeit zu schaffen. Ich bin trotzdem zufrieden mit dem, was das Unternehmen geleistet hat.

Sie werden auch der „König von Mainz“ genannt. Ist das wahr?

Ich war mal in der Fernsehfastnacht als König verkleidet. Das kam bei manchen nicht so gut an. Allerdings geht es in der Stadtpolitik auch um Macht. Und Macht kommt von machen, also von Menschen, die die Kraft besitzen, Projekte auch durchzusetzen. Daher war das für mich auch immer ein Lob: Der ist mächtig. Der bewegt was in Mainz und geht notfalls auch mal mit dem Kopf durch die Wand. Ich habe immer versucht Dinge zu tun, die der Stadt und ihren Bürgern helfen, die aber letztlich auch wirtschaftlich sind. Beides muss funktionieren.

Wie geht es nun ohne Sie bei den Stadtwerken weiter?

Die Stadtwerke werden immer mehr zu einem Infrastruktur-Unternehmen. Bauprojekte kommen dazu, die Digitalisierung, Energie, Wasser, Mobilität, auch Carsharing starten wir bald, Fahrradverleih usw. Das war früher nicht so, da haben wir uns nur um die Energie- und Wasserversorgung gekümmert, fast als Monopolist. Heute stehen wir im Wettbewerb wie nie zuvor. Mehr und mehr individuelle Lösungen werden für Gewerbe, Industrie und Bürger gesucht. Und alles wird miteinander vernetzt. Die Errichtung einer funktionierenden Infrastruktur ist eine der größten Herausforderungen der Zukunft. Das Stadtwerke-Modell muss daher sehr sorgsam bewahrt werden. Nicht zuletzt auch wegen der Millionen, die wir über die Zeit an Gewinn gemacht und an die Stadt abgeführt haben. Die gibt dir so kein Privatunternehmen.

Mensch

Wie sieht Ihr Leben im Ruhestand aus?

Ich möchte ein Viertel meiner Zeit in Mecklenburg-Vorpommern verbringen. Da habe ich mir Land und ein Haus gekauft. Tolle Gegend. Meine Vorfahren kommen da aus der Nähe. Da hole ich mir Kraft und Gesundheit. Ich bin dann fast wie ein Landwirt und helfe anderen Bauern beim Anbau und bei der Ernte mit meinen zwei Traktoren. Ich habe dort auch Tiere und ein Boot, gehe gern Angeln. Darauf freue ich mich.

Ihre Vorfahren sind aus dem Osten?

Ja, meine Mutter kam aus dem damaligen Ostpreußen. Sie war schwanger und wollte in den Westen, hat es aber nur bis zur Stadtgrenze von Berlin geschafft. Genau dort, auf der östlichen Grenze Berlins bin ich zur Welt gekommen. Die Amerikaner haben uns dann in den Westen gebracht und in die Eifel geflogen. Die Eifeler Dorfbevölkerung hat uns aber stark abgelehnt. In der Schule habe ich jedes Mal auf die Fresse gekriegt. Und mein Vater war vom Krieg schwer traumatisiert. Er kam mit seinem Leben nicht mehr zurecht und konnte nicht arbeiten. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir damals behandelt wurden, wie Aussätzige. Deshalb geht mir das nahe, jetzt mit den Flüchtlingen. Wenn ich sehe, wie die aus ihren Häusern kommen oder manche Männer alleine dort herumsitzen. Jeder zweite Mainzer kommt statistisch gesehen aus dem Osten.

Was war Ihre schönste Zeit im Leben bisher?

Ich habe einen Sohn und eine Tochter. Bei der Geburt meines Sohns war ich dabei und hab mir gedacht: Jetzt wird sich alles ändern. Jetzt wird alles gut. Das sind diese wenigen Glücksmomente, die man im Leben hat. Auch längere Phasen, in denen man mit seinem Kind einfach nur dasitzt und sieht wie es aufwächst. So sollte das ganze Leben sein.

Was würden Sie aus heutiger Sicht nicht mehr machen?

Mit einem Königskostüm in eine Fastnachtssitzung gehen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft und die Entwicklung von Mainz?

Ich wünsche mir Mainzer, die noch ein Stückchen stolzer auf ihre Stadt sind. Es gibt einen Mainzer Spruch: Und wenn morgen früh auf dem Domplatz ein Raumschiff landet, wird der Mainzer dran vorbeigehen, draufblicken und sagen: „Das ist wieder so nen Ferz von der MCV!“ und wird weitergehen. Es wurde soviel geschaffen in den letzten Jahrzehnten: Architektur, ZDF, all die Feste. Leute, die hierher ziehen sagen: Was eine tolle Stadt! Die Mainzer können stolz auf ihre Stadt sein. Wenn das noch steigerungsfähig wäre, wäre das nicht schlecht.

Interview David Gutsche   Foto Jana Kay